Norderstedt. Auf der Anlage von Tessa Karolin Pohlmann gibt es keinen Leistungsdruck – welches Konzept die Reittherapeutin damit verfolgt.

Auf dem Ponyhof von Tessa Karolin Pohlmann in Norderstedt geht es nicht um Leistungsdruck. Sie und ihre drei Mitstreiterinnen wollen schon den Kleinsten ein Gefühl für Tiere und Natur geben, und dem durchgetakteten Kinderalltag so früh wie möglich entgegensteuern. Reiten mit allen Sinnen lautet die Devise.

Schöner kann ein abendliches Interview nach einem Sommertag mit 30 Grad Hitze gar nicht beginnen: Tessa Karolin Pohlmann (35), Sina Heiler (42), Wiebke Knüppel (38) und Stine Ußmant (33) sitzen in der kleinen Holzlaube neben dem Pferdestall um eine bunte Schale mit frischem Obst herum und gießen bei der Begrüßung kalte, selbst gemachte Limonade ein. Gut soll es einem gehen in ihrem kleinen Pony-Paradies am Rande von Norderstedt.

Ponyhof: Die 14 Tiere mögen es, mit Menschen in Kontakt zu treten

Hinter einer Garage geht es zwischen Ställen, an deren Boxentüren Pferdefiguren und Pferdenamen aus Bügelperlen hängen, entlang. Der Weg führt in ein auf den ersten Blick verschlungenes Labyrinth aus Koppeln und Reitplätzen, kleinen Rückzugsorten in der Natur, dem einen oder anderen Spielgerät und vor allem: 14 Ponys, die neugierig ankommen, stupsen und stöbern und es einfach mögen, mit Menschen in Kontakt zu treten. Sie haben Namen wie Bibi Blocksberg, Hannelore, Oskar, Peppar oder Amadeus.

Acht von ihnen sind ausgebildete Therapie-Pferde – Shetland-Ponys, ein Islandpferd, Haflinger bis zum Lewitzer Pony. „Unsere Tiere haben einen ausgeglichenen und grundsoliden Charakter und sind dem Menschen sehr zugewandt“, erklärt Tessa Karolin Pohlmann und streichelt das alte Pony Felix, das aus schlechter Haltung kommt und auf dem Hof sein Gnadenbrot bekommt. „Die Kinder lieben ihn, auch wenn man nicht mehr auf ihm reiten kann, er wird von ihnen gefüttert und gepflegt.“

Reittherapeutinnen kümmern sich um Erkrankungen und Probleme

Tessa ist wie Sina Heiler Reittherapeutin. Sie hat drei Kinder im Alter zwischen drei und neun Jahren und lebt mit ihrer Familie gleich am Hof. In ihrem ursprünglichen Beruf als Ergotherapeutin spürte sie irgendwann, dass irgendwie die vierbeinige Unterstützung an ihrer Seite fehlte – und ließ sich deshalb zusätzlich speziell ausbilden.

Auf der Anlage am Grünen Weg in Norderstedt heißt die Devise: Tier und Natur mit allen Sinnen wahrnehmen. Da wird der Ponypopo schon mal bunt.
Auf der Anlage am Grünen Weg in Norderstedt heißt die Devise: Tier und Natur mit allen Sinnen wahrnehmen. Da wird der Ponypopo schon mal bunt. © Unbekannt | Privat

Die meisten ihrer kleinen und schon etwas größeren Patientinnen und Patienten behandelt sie in Einzelstunden. Die Palette an Erkrankungen und Problemen ist groß. „Viele der Kinder kommen aufgrund von Entwicklungsverzögerungen, Auffälligkeiten im Bereich der Wahrnehmung, der Motorik, der Kognition oder bei Schwierigkeiten im sozialen Miteinander“, sagt Pohlmann. Und ergänzt: „Dazu kommen aber auch viele psychische Störungen, die durch Belastungen im Alltag entstehen. Manche Kinder sind nämlich total durchgetaktet. Manchmal sind es dann vor allem die Eltern, die im Zuge der Therapie ihrer Kinder erst mal begreifen müssen, wie wichtig es ist, ganz ohne Leistungsdruck im Hier und Jetzt zu sein.“

Kinder sollen Erlebnisse mit Tieren und in der Natur haben

Aus dieser Erkenntnis und dem Wunsch heraus, Kindern Erlebnisse mit Tieren und in der Natur zu ermöglichen, entstanden immer neue Ideen und Konzepte, bei denen auch ihre drei Mitstreiterinnen nach und nach ins Spiel kamen.

Tessa Karolin Pohlmann hat das Konzept „Ponyversteher“ entwickelt, bei dem Kinder im Alter zwischen vier und sieben Jahren an zehn Terminen die wichtigsten Regeln im Umgang mit den Tieren lernen, an und mit ihnen wachsen und so von Stunde zu Stunde selbstständiger und mutiger werden.

Keine Sorge: Für die Reitspielgruppe braucht es keine Vorerfahrungen

Reitpädagogin Wiebke Knüppel bietet neben Einzelreitstunden und Ausritten in die Natur außerdem die Reitspielgruppe „Ponyzwerge“ für Kinder zwischen drei und fünf Jahren an. Wer mitmachen möchte, braucht keine Vorerfahrungen, denn neben den ersten Reitversuchen steht vor allem das Kuscheln und Putzen im Mittelpunkt. Es soll sich gegenseitiges Vertrauen und ein Gefühl für das Pony entwickeln.

Bunte Tücher statt Leistungsdruck: Kinder und Vierbeiner sollen Freude mitein­ander haben.
Bunte Tücher statt Leistungsdruck: Kinder und Vierbeiner sollen Freude mitein­ander haben. © Unbekannt | Privat

Ähnlich ist das auch beim Angebot von Sina Heiler, die von Haus aus eigentlich Fachkinderkrankenschwester Anästhesie und Intensivpflege ist und sich parallel zur Reittherapeutin ausbilden ließ. Die Mutter von zwei Kindern bietet Therapie im Einzelsetting an und setzt dabei auf das Montessori-Konzept: „Hilf mir, es selber zu tun…“

Der Leistungsaspekt ist auf dem Ponyhof ausdrücklich unerwünscht

Der Leistungsaspekt ist bei all dem Nebensache. Oder besser: ausdrücklich unerwünscht. Es sind ganz andere Dinge, die zählen. Bei Stine Ußmant, Mutter von zwei kleinen Söhnen, muss nicht einmal ein Pony mit dabei sein.

Manchmal reichen auch schon die etwas träge und eigensinnige Hofkatze, ein freundlich vor sich hinmümmelndes Kaninchen. Und vor allem: die Natur. Die will bei Ußmants Angebot für Kinder zwischen drei und sechs Jahren, das „Naturmuckler“ heißt und ganz neu ist, entdeckt und erspürt werden.

Im Mittelpunkt stehen die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft

Im Mittelpunkt stehen dabei die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, die in Wald und Wiesen erforscht, erfühlt und erlebt werden sollen. Dabei gibt es Lagerfeuer, Wasserspiele und alles, was die Natur je nach Jahreszeit hergibt.

Auch hier geht es wieder darum, wie die Kinder miteinander umgehen, sich gegenseitig unterstützen und wie ihre soziale Kompetenz gefördert wird. Und dann gibt es eben diese wunderschönen Abende. Bei frischem Obst und selbst gemachter Limonade, bei der die vier Frauen kein Interview geben, sondern einfach untereinander ihre Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig inspirieren und dabei immer wieder neue Ideen entwickeln.

Ponyhof: Die therapeutischen Angebote im Überblick

Therapeutisches Reiten: Ob es sich nun um Entwicklungsverzögerung, ADS und ADHS, Ängste, Depressionen oder Bindungsstörungen, neurologische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Autismus oder aber geringes Selbstbewusstsein handelt. Viele Erkrankungen und Probleme können durch eine Reittherapie behandelt werden.

Ponyversteher: Der Kursus für Kinder zwischen vier und sieben Jahren findet in Gruppen von circa sechs Kindern an zehn Terminen 14-tägig immer montags von 14.30 bis 15.30 Uhr statt und kostet 390 Euro.

Ponyzwerge: Dieses Angebot (35 Euro pro Termin) richtet sich an Kinder zwischen drei und fünf Jahren, findet in kleinen Gruppen jeweils montags, freitags und sonnabends statt.

Naturmuckler: Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren treffen sich in kleinen Gruppen an fünf Terminen alle zwei Wochen dienstags zwischen
15 und 17 Uhr. Kosten: 250 Euro. Die Teilnahme an allen Kursen ist nur mit Voranmeldung möglich.

Weitere Informationen: Reittherapie Norderstedt, Grüner Weg 15, 22851 Norderstedt, www.reittherapie-norderstedt.de