Norderstedt. Das Norderstedter Modell für den Brand- und Katastrophenschutz ist beendet. Wie die Freiwilligen Feuerwehren reagieren.
- Norderstedt ändert Modell: Berufsfeuerwehr ab 1. Juli im Einsatz
- Neue Berufsfeuerwehr sorgt für einschneidende Veränderung
- Gefahrenpotential in Norderstedt nimmt weiter zu
Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung waren auffällig bemüht, die Entscheidung zurückhaltend zu kommunizieren. Wenn in Norderstedt ab 1. Juli eine Berufsfeuerwehr im Einsatz ist, werde sich kaum etwas ändern. Feuerwehrchef Fabian Wachtel sprach von einem „reinen Verwaltungsakt“.
Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sagte: „Es ändert sich nur der Status.“ Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine einschneidende Veränderung im Brand- und Katastrophenschutz der Stadt, der bis vor wenigen Jahren ausschließlich vom Ehrenamt gewährleistet wurde. Das viel beachtete Modell Norderstedts, trotz seines Wachstums und seiner Größe auf die freiwilligen Wehren zu setzen, ist damit beendet.
Berufsfeuerwehr Norderstedt dient Sicherheit der Bürger
Kritik ist kaum zu vernehmen, auch nicht bei den stets selbstbewusst auftretenden vier freiwilligen Ortswehren und ihren Wehrführern. Zum einen, weil die Gründung der Berufsfeuerwehr der Sicherheit der Bürger dient.
Zum anderen, weil die Entscheidung im Innenministerium (und nicht im Rathaus) getroffen wurde, auf dem Brandschutzgesetz basiert und damit unumstößlich ist. Eine Stadt mit mehr als 80.000 Einwohnern ist verpflichtet, eine Berufsfeuerwehr zu installieren.
Berufsfeuerwehr: Neumünster und Flensburg kämpfen mit hohen Kosten
„Durch das in Norderstedt anhaltende kontinuierliche Bevölkerungswachstum nimmt auch das damit einhergehende Gefahrenpotenzial weiter zu. Nach § 7 Absatz 1 Brandschutzgesetz müssen Städte mit mehr als 80.000 Einwohnerinnen und Einwohnern eine Berufsfeuerwehr aufstellen. Dieser Schwellenwert ist mittlerweile dauerhaft überschritten“, erklärte der Sprecher von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack, Dirk Hundertmark. Städte mit einer vergleichbaren Größe wie Neumünster und Flensburg haben sie schon seit Jahrzehnten, kämpfen aber auch mit den hohen Kosten fürs Personal.
Roeders Vorgänger Hans-Joachim Grote und der von ihm hochgeschätzte einstige Feuerwehrchef Joachim Seyferth hatte diese Beispiele stets vor Augen, als sie sich so lange wie möglich bemühten, das Löschen und Retten bei den freiwilligen Feuerwehren zu belassen. Das sparte Geld. Gleichzeitig waren beide bemüht, für eine hohe Motivation bei den Ehrenamtlern zu sorgen, die stets mit modernsten Fahrzeugen ausgerüstet waren und deren Arbeit öffentlich immer wieder gewürdigt wurde. Rechtlich sicherte eine Ausnahmegenehmigung das Norderstedter Modell. Das Konzept ging auf. Selbst eine hochbelastete freiwillige Feuerwehr wie die in Garstedt, die im Schnitt täglich einmal unterwegs war, klagte nicht.
Modernste Fahrzeuge für die Feuerwehr Norderstedt
Doch Seyferth und Grote mussten vor wenigen Jahren einsehen, dass die Freiwilligen allein die wachsenden Aufgaben nicht mehr bewältigen konnten. Sie gründeten eine hauptamtliche Abteilung, die tagsüber von montags bis freitags einsatzbereit war und bis heute ist, sich aber bewusst nicht Berufsfeuerwehr nennt. Diese Angestellten der Stadt kümmern sich um die Technik in den Wehren und können bei Bedarf sofort ausrücken, wenn die Norderstedter Feuerwehr alarmiert wird. Erst wenn der Einsatz komplexer ist, ruft die Leitstelle auch die Ehrenamtler dazu.
Sie sollen mit der hauptamtlichen Wachabteilung entlastet werden und verhindern, dass immer mehr Einsatzkräfte Ärger mit dem Arbeitgeber bekommen, wenn sie tagsüber den Arbeitsplatz verlassen und zur Wache fahren, um dort zum Einsatz zu starten. Außerdem sicherte die hauptamtliche Abteilung stets das rechtzeitige Eintreffen der Feuerwehr, die zwölf Minuten nach dem Notruf die Einsatzstelle erreicht haben muss.
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Anfänglich kam es zu Reibereien zwischen den Haupt- und Ehrenamtlern, insbesondere in den ersten Monaten, wenn die Angestellten den Freiwilligen Weisungen erteilten und dabei offenbar nicht immer den kameradschaftlichen Ton trafen. Doch allmählich war die Rangordnung klar und akzeptiert. Das Prinzip, dass Hauptamtliche das Sagen haben, gehört bundesweit zu den Standards im Brand- und Katastrophenschutz und ähnelt den Regeln von Befehl und Gehorsam wie beim Militär.
Berufsfeuerwehr: Befehl und Gehorsam wie beim Militär
Als Fabian Wachtel 2017 Feuerwehrchef wurde, gehörte es zu seinen ersten Aufgaben, den neuen Brandschutzplan für die Stadt vorzulegen und damit zu erklären, wie sich die Feuerwehr entwickeln muss, um bei wachsenden Aufgaben weiter für Sicherheit sorgen zu können und die gesetzlichen Vorgaben aus Kiel einzuhalten.
Für ihn stand schnell fest: Die hauptamtliche Abteilung wird wachsen müssen, auch um eine Berufsfeuerwehr werde Norderstedt irgendwann nicht mehr herumkommen. Eine Entwicklung, die langfristig auch Grote und Seyferth vorausgesagt hatten – wohlwissend, dass das Norderstedter Modell nicht von Dauer sein würde, wenn die Stadt stetig auf die 80.000 Einwohner zuläuft.
Die Hauptamtlichen sollen sieben Tage die Woche rund um die Uhr einsatzbereit sein und werden weiterhin von den freiwilligen Feuerwehren unterstützt. Derzeit gehören 17 Feuerwehrleute der hauptamtlichen Abteilung an, pro Jahr sollen es sechs mehr werden. Welche Kosten der Stadt durch den Zuwachs entstehen, ist offen.
Trotz Berufsfeuerwehr für Norderstedt: Freiwillige Feuerwehr weiter selbstbewusst
Dass die freiwilligen Wehren trotz der Gründung einer Berufsfeuerwehr weiter selbstbewusst auftreten werden, hat sich vor wenigen Tagen bei der Jahreshauptversammlung im Stadtteil Garstedt gezeigt. Die Retter warten seit Jahren auf den dringend benötigten Neubau der in die Jahre gekommenen Wache, doch passiert ist bislang wenig. Die Stadtverwaltung wurde dafür verantwortlich gemacht. Eine Kritik, die man im Rathaus ernstnehmen muss. Denn die Stadt braucht auch künftig gut ausgerüstete und hochmotivierte Ehrenamtler.