Geesthacht. Fachstelle für Wohnungshilfen will alleinerziehende Mutter aus Notwohnung vor die Tür setzen. Nun ist ein weiterer Fall bekannt geworden.

  • Mutter mit drei Kindern soll aus Notwohnung ausziehen
  • Alleinerziehender Vater aus Geesthacht erlebt ein ähnliches Schicksal
  • Statt Hilfe kommt das Räumkommando

Erst vor ein paar Tagen schlug der Fall einer dreifachen Geesthachter Mutter hohe Wellen der Empörung. Sie soll mit ihren Kindern Anfang Januar aus ihrer städtischen Notwohnung am Richtweg in ein Zimmer an der Mercatorstraße umziehen. Nun wird der nächste Fall bekannt. Er ist vom gleichen Kaliber.

Ein Vater, der mit seinen zwei Kindern – Sohn (20) mit Pflegegrad und Tochter (17) – in einer städtischen Notwohnung an der Hugo-Otto-Zimmer-Straße lebt, soll bis zum Mittwoch, 18. Dezember, ausziehen – anderenfalls droht am 20. Dezember eine Zwangsräumung. Die Anordnung wurde Thomas K. (Name von der Redaktion geändert) am Freitagnachmittag, 13. Dezember, zugestellt.

Familie aus Geesthacht in Wohnungsnot – statt Hilfe kommt das Räumkommando

Absichtlich so spät vor dem Wochenende, damit er nicht mehr habe reagieren können, davon ist Thomas K. überzeugt. „Die relativ kurzen Fristsetzungen ziehen sich durch alle Schreiben“, sagt er zum Schriftverkehr mit der Integrierten Fachstelle für Wohnungshilfen (IFS), einer Einrichtung innerhalb des Fachdienstes Soziales der Stadt Geesthacht.

„Bei Bekanntwerden eines Notfalles wie der fristlosen Kündigung oder bereits der Räumungsklage werden die betroffenen Personen angeschrieben und wird mögliche Hilfe angeboten“, beschreibt die IFS ihre Tätigkeit. Das Vorgehen ihm und seiner Familie gegenüber, von dem Thomas K. erzählt, wäre so ziemlich das Gegenteil von diesem Selbstverständnis. Statt Hilfe zu leisten, wird mit Räumung gedroht – und die Wohnungsnot erst herbeigeführt. So, als ob die Feuerwehr Feuer legen würde, statt zu löschen.

Geesthachter Familie in Wohnungsnot: Die Trennung der Familie wird in Kauf genommen

Die Trennung der Familie wird dabei in Kauf genommen. „Sollten Sie von Obdachlosigkeit bedroht sein, besteht die Möglichkeit, Ihnen eine Unterkunft in dem Bandrieterweg 8, Zimmer 2, zu gewähren“, heißt es in dem finalen Schreiben.

Und weiter: „Ihnen und Ihrem Sohn kann weiterhin Obdach gewährt werden. Zum Wohle Ihrer Tochter (...) ist von einer Unterbringung in einer städtischen Obdachlosenunterkunft abzusehen, hier würden wir ggf. das Jugendamt mit der Inobhutnahme heranziehen.“

IFS-Leiter und Mieter, der ausziehen soll, kennen sich

„Ich fordere Sie auf, unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 18.12.2024, 11:00 Uhr, die Wohnung zu räumen und in einem gereinigten Zustand zu übergeben. Die sofortige Vollziehung wird hiermit angeordnet. Die zur Unterkunft gehörenden Schlüssel sind beim Unterzeichner abzugeben“, heißt es in dem Schreiben, das Leiter Andreas Friedrich unterzeichnet hat.

Pikant: Er und Thomas K. kennen einander seit Längerem, beginnend mit einer gemeinsamen Zeit bei einem Schützenverein. Thomas K. wirft ihm im Schriftverkehr Befangenheit vor – was Andreas Friedrich in der Replik von sich weist.

Zwangsräumung könne bis zu 3000 Euro kosten

Im Falle einer Nichtbefolgung wird Thomas K. mit einer „Ersatzvornahme“ bedroht. Bedeutet: Die am 28. Mai bezogenen Wohnung würde „am 20.12.2024 um 9:00“ auf seine Kosten zwangsgeräumt. Das könne bis zu 3000 Euro teuer werden. Persönliche Gegenstände würden bis zu drei Monate verwahrt.

Thomas K. hat in Windeseile seinen Anwalt konsultiert und am Montag einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Ziel, dass der Bescheid der Verwaltung nicht vollstreckt werden kann. Das Verwaltungsgericht Schleswig will nach Einholung einer Stellungnahme der Stadt – dafür ist zwei Tage Zeit – entscheiden, wie es weitergeht.

Verzwickter Fall - Vater hat gültigen Mietvertrag für Brandwohnung

Sein Fall liegt besonders – und ist verzwickt. Thomas K. findet nicht deshalb keine andere Wohnung, weil er sich keine leisten könne – er sei als selbständiger Verfahrensbeistand berufstätig –, sondern weil er sie nur sehr kurz belegen würde, sagt er. Denn er habe einen nach wie vor gültigen Mietvertrag für eine Wohnung.

Die aber sei wegen eines Brandes im Mai zurzeit nicht bewohnbar, dort werde noch renoviert, berichtet Thomas K. Deswegen wurde er von der IFS mit der Familie – eine ältere Tochter zog alsbald wegen der Enge mit ihrem Kind wieder aus – an der Hugo-Otto-Zimmer-Straße untergebracht. „Eigentlich hatte ich gehofft, bis Weihnachten wieder hier raus zu sein“, sagt er. Dieser Zeitraum hat sich zerschlagen. Klar für ihn ist aber: Sobald fertig renoviert worden ist, zieht er zurück.

Niemand gibt einem eine Wohnung für drei bis vier Monate

Wenn er etwas gesehen habe, was vielleicht geeignet hätte sein können, habe er mündlich nachgefragt, beteuert Thomas K. „Aber das lässt sich doch keiner schriftlich bestätigen, wenn der Vermieter dann sagt, es gehe nicht“, sagt er. „Niemand gibt einem eine Wohnung für drei bis vier Monate, wenn da 300 Leute Schlange stehen, die sie für zehn Jahre mieten würden“, zeigt er Verständnis.

Doch auf genau solche Nachweise von Bemühungen um eine andere Unterkunft bestand die IFS und bezieht sich auf die „Pflicht zur Selbsthilfe“: „Trotz mehrerer Aufforderungen sind Sie Ihren Mitteilungspflichten nicht nachgekommen (...). Jede von uns gesetzte Frist haben Sie verstreichen lassen. In Ihren, wenn zugesandten Schreiben, haben Sie Sachverhalte vorgetragen, diese aber nie mit Nachweisen belegt“, heißt es.

„Muss ich unbedingt unsinnige Sachen machen?“, fragt der Vater

Das räumt Thomas K. zwar ein. „Aber muss ich unbedingt unsinnige Sachen machen? Muss ich mich für Hunderte von Wohnungen bewerben, die ich nicht kriege?“ Warum nicht schlichtweg abgewartet wird, bis Thomas K. mit seinen Kindern von allein wieder auszieht, statt die Familie auseinanderzureißen, darauf gab es vonseiten der Verwaltung am Dienstag keine Antwort wie auch auf weitere Fragen.

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Die Fronten sind verhärtet. „Es fühlt sich für mich so an, dass man einen Betroffenen mit Schreiben und Fristsetzungen überzieht, um die Probleme zu verschärfen. Ich bin kein Bürgergeldempfänger, ich arbeite. Das wissen die auch. Ich sitze nicht den ganzen Tag in meinem Zimmerchen und warte darauf, irgendwelche Fragen von denen zu beantworten“, verteidigt sich Thomas K. nachdrücklich.

Die Vorgänge hinterlassen bei ihm den Eindruck, „dass man bewusst Schwierigkeiten machen will“. Nun wartet er mit Spannung auf die Entscheidung des Gerichts.