Aumühle. Vor Jahren gab es in Schleswig-Holstein schon einmal ein für Firmen lukratives Gebiet. Damals kamen die ganz großen Firmen.
Der Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein zeigt sich verblüfft über Existenz der Steueroase im Sachsenwald, die durch eine Recherche von Jan Böhmermann und der Internetplattform „Frag den Staat“ in der jüngsten Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ aufgedeckt wurde. Wie berichtet, sollen in dem Gebäude im Sachsenwald des Unternehmers Gregor von Bismarck, Ururenkel des ersten deutschen Reichskanzlers, 21 Unternehmen residieren und dort einen extrem niedrigen Gewerbesteuersatz zahlen.
„Uns war bekannt, dass der Sachsenwald ein gemeindefreies Gebiet ist. Dass dort aber eine so große Zahl von Firmen angesiedelt ist, haben wir erst durch die aktuelle Medienberichterstattung erfahren“, sagt Rainer Kersten, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler Schleswig-Holstein, auf Anfrage unserer Redaktion.
Steueroase im Sachsenwald: Das Phänomen ist nicht neu
„Die Möglichkeit, Gewerbesteuern dadurch zu sparen, dass man den Firmensitz an einem Standort mit besonders niedrigem Hebesatz anmeldet, ist in Schleswig-Holstein jedoch nicht neu“, so Kersten. Über viele Jahre habe die Gemeinde Norderfriedrichskoog an der Westküste des Landes einen Gewerbesteuerhebesatz von null erhoben. „Das hat dazu geführt, dass zahlreiche Firmen bei den wenigen Einwohnern ein Büro angemietet und ihren Firmensitz dort angemeldet haben“, sagt der Geschäftsführer.
Seit den 1990er-Jahren siedelten sich in der Gemeinde deshalb immer mehr Unternehmen an, darunter Tochterunternehmen der Deutschen Bank, E.on, der Commerzbank, der Lufthansa, von Siemens und Lidl. „Politisch wurde dieses ‚Steuerschlupfloch‘ dadurch geschlossen, dass in Schleswig-Holstein ein Mindesthebesatz für die Gewerbesteuer festgelegt wurde und die Schlüsselzuweisung von Einkommensteueranteilen an die Höhe des Hebesatzes gekoppelt wurde“, sagt Kersten. Seit 2004 muss der Hebesatz mindestens 200 Prozent betragen, sodass sich viele Unternehmen wieder aus der Gemeinde zurückgezogen haben.
Steueroase im Sachsenwald: Ist die Einbindung in eine Gemeinde die Lösung?
„Eine Anhebung des Mindesthebesatzes im Sachsenwald könnte die Attraktivität der ‚Waldhütte‘ als Firmensitz reduzieren, erhöht gleichzeitig aber die Steuereinnahmen der Eigentümerfamilie“, sagt der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Steuerzahlerbundes. „Eine weitere Möglichkeit, die vermeintliche Ungerechtigkeit zu beheben, wäre eine Eingemeindung des bislang gemeindefreien Gebietes. Doch welche Gemeinde möchte diese riesige Waldfläche haben? Für die umliegenden Kommunen wäre es höchst unattraktiv, die eigene Gemeindefläche deutlich zu vergrößern, ohne zusätzliche Einwohner zu gewinnen. Dieses wäre nur mit hohen weiteren Kosten verbunden“, so Kersten.
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Insofern gebe es keine einfache Lösung, den legalen Weg der Steuerreduzierung zu verhindern. Kersten: „Umgekehrt zeigt das Beispiel aber deutlich, dass die Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes einen erheblichen Einfluss auf die Standortwahl vieler Unternehmen hat. Insofern empfehlen wir den Kommunalpolitikern, bei der Festlegung der Hebesätze Augenmaß zu bewahren.“