Lauenburg. Volles Haus beim Techno-Rave im alten E-Werk. Was die Location so besonders macht und warum kleine Pannen gar nicht schlimm sind.
Was für eine Nacht! Das erste E-Werk Rave in der Nacht zum Sonntag (28. Juli) war in Lauenburg ein Fest der Kontraste: Elektronische Tanzmusik traf auf handgemachte Musik, alte Maschinen auf dynamische Lichtinstallation. Zwischen 21 Uhr und 4 Uhr morgens bebte im historischen Ambiente der Boden unter den Füßen der 300 Besucher.
Es war ein gewagtes Experiment: Konnte das kleine technische Museum an der Palmschleuse den deutschlandweit bekannten Künstlern elektronischer Musik eine angemessene Kulisse bieten? Und ist Lauenburg wirklich der richtige Ort dafür? Um es vorwegzunehmen: Es war eine Nacht der Superlative. Mit kleinen Pannen zwar, aber die machten letztendlich den Charme der Veranstaltung aus.
Neuer Techno-Tempel: Unwiderstehliche Nacht im E-Werk Lauenburg setzt neue Maßstäbe
Glücklicher Umstand: Mit Vargo (Ansgar Üffing) wohnt einer der gefragtesten Komponisten, Elektronik-Musiker und Produzenten der Szene in der Schifferstadt. Seit Mitte der 1980er-Jahre spielt er in kleinen Clubs und auf großen Festivals. Er war es auch, der seine Kollegen nach Lauenburg eingeladen und die Reihenfolge ihrer Auftritte festgelegt hatte. Zuerst waren Nina Hepburn und Konrad Kanton dran. Nina ist eine DJ und Produzentin, Konrad Produzent und Gitarrist.
Anschließend legte DJ Paji aus Berlin auf. Als Musiker und Produzent verwob er seine elektronischen Dance Beats kunstvoll mit dem Spiel seiner Geige. Dann war Vargo selbst an der Reihe. Er legte Melodic Techno und Progressive House zum Tanzen und Feiern auf. Zum Schluss ließ Temazcal das E-Werk beben, eine DJ aus Hamburg.
Neuer Techno-Tempel: Anfang 20 bis 70 Jahre – Musik verbindet die Besucher
„Die Stimmung war von Anfang an sensationell“, freut sich Lauenburgs Veranstaltungsmanager Andy Darm. Und auch Ansgar Üffing ist am Sonntagvormittag zwar müde, aber noch völlig überwältigt von der Atmosphäre im alten E-Werk. „Das war ganz großartig. Die Leute haben sich mitreißen lassen, egal ob sie Anfang 20 oder 70 Jahre alt waren. Das hat auch den Künstlern Spaß gemacht“, erzählt er. Kein Wunder: Bis zum frühen Morgen war die Tanzfläche fast immer voll.
Zur guten Stimmung beigetragen hat ganz sicher auch die gigantische Lasershow des Lichtdesigners Mirko Schinke, die die alten Maschinen und Dieselmotoren im E-Werk in Kunstobjekte verwandelte. Die wummernden Bässe von innen und das spektakuläre Licht, das durch die großen Fenster flackerte, rissen das alte Industriedenkmal eine Nacht lang aus seinem Dornröschenschlaf.
E-Werk-Rave: Erst fällt der Strom aus – und dann kommt der Regen
Doch bevor es richtig losging, standen den Organisatoren der Techno-Nacht erst mal Schweißperlen auf der Stirn. Kurios: Ausgerechnet im alten Elektrizitätswerk war der Strom ausgefallen. Hätte man das Lauenburgs Stadtvätern anno 1920 erzählt, sie hätten wohl nur mit dem Kopf geschüttelt. Ihnen ging es damals darum, den steigenden Bedarf an Energie in der Schifferstadt zu decken. Dass in dem Gebäude zwischen den Generatoren mal wilde Partys gefeiert werden, damals undenkbar.
Bloß gut, dass Bernhard Schnürer, der Besucher regelmäßig durch das Industriedenkmal führt, zur Stelle war. Er konnte den Technikern ein paar entscheidende Tipps geben. Nach 20 Minuten war die neue Leitung verlegt und die Panne behoben. Die Besucher nahmen es gelassen. Selbst der Regen, der gegen 23 Uhr das Außengelände in eine Wasserlandschaft verwandelte, konnte die Stimmung nicht trüben. Barfuß und klitschnass tanzten einige besonders hartgesottene Raver stundenlang durch die Pfützen.
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E-Werk-Rave: Hat Lauenburg das Zeug zur Techno-Hochburg?
„Die Akustik war spitze, und es gab durchaus auch ruhigere Bereiche, in die man sich mal zurückziehen konnte. Das war eine ganz tolle Sache für Lauenburg“, schwärmt Klaus John. Vier Stunden hat der 66-Jährige mit seiner Frau durchgetanzt. Zu Hause – noch ganz unter dem Eindruck der Nacht – lud er als Erster Videos des E-Werk-Raves in einer Lauenburger Facebook-Gruppe hoch.
Viele Videos und Fotos folgten, Begeisterung in allen Kommentaren. Offenbar hat Lauenburg das Zeug, zu einer Techno-Hochburg zu werden. Vor einem Jahr hatte die Dance-Party im Freibad viele Hundert Besucher angelockt. Auf dem siebenstündigen Elektro Festival hatten sieben deutschlandweit bekannte DJs aufgelegt. Die Besucher tanzten die ganze Nacht lang zu den elektronischen Klängen.
E-Werk-Rave: Bürgermeister hat jetzt einen neuen Spitznamen
„Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir das wiederholen. Die Veranstaltung hat das Industriedenkmal E-Werk in ein ganz neues Licht gerückt“, sagt Bürgermeister Thorben Brackmann. Nachdem das E-Werk seit 1983 stillgelegt war, hatte es die Stadt 2013 dem Verein zur Förderung des Elbschifffahrtsmuseums angegliedert. Seitdem kümmert sich ein ehrenamtliches Team um den Erhalt.
Thorben Brackmann soll – so erzählen es die Organisatoren – übrigens den Anstoß zum ersten Lauenburger E-Werk-Rave gegeben haben. Damit hat er wohl auch seinen eigenen Nerv getroffen. Auf jeden Fall feierte auch er auf der Tanzfläche ordentlich ab. Seit dem Wochenende hat er deshalb bei einigen Besuchern der Veranstaltung seinen Spitznamen weg: „Techno-Thorben“.