Geesthacht. Geesthachts Stadtfriseur hat einen neuen Service: Haarschnitt gibt‘s auf Wunsch auch ohne Small Talk. Was die Kunden davon halten.

„Psst“ – Metehan Doglali steht in seinem Salon und hält sich statt des Zeigefingers die Haarschneideschere vor die geschürzten Lippen. Der Geesthachter Stadtfriseur weist mit der Geste auf einen brandneuen Service hin, der in Deutschland selbst in Großstädten noch weitgehend unbekannt ist.

Ab dem 1. August wird ein Silent Cut im Geschäft in der Bergedorfer Straße 23 angeboten. Das Angebot wird in Kürze auf der Homepage www.stadtfriseur-geesthacht.de veröffentlicht. Wer zukünftig einen Termin möchte, nur mit Schneiden und gänzlich ohne Small Talk, kann ihn dann vorab bei einem der sieben Mitarbeiter online buchen. Ebenfalls zum 1. August beginnt eine neue Auszubildende.

Beim neuen Service des Geesthachter Stadtfriseurs kann Schneiden ohne Small Talk gebucht werden

„Immer mehr Salons in Großstädten bieten diese Möglichkeit an, damit Kunden die Stille und Ruhe während ihres Friseurbesuchs genießen können. Wir möchten unseren Service erweitern und Ihnen die bestmögliche Erfahrung bieten“, wird dann auf der Seite des Salons zu lesen sein.

„Anstatt die Zeit des Friseurbesuchs mit gefühlt erzwungenen Gesprächen zu füllen, kann bei dem Silent Cut ganz konkret ein Haarschnitt in Stille gebucht werden. Unsere Stylisten verstehen Ihre Bedürfnisse und respektieren Ihren Wunsch nach einer Auszeit vom hektischen Alltag. Wir freuen uns darauf, Ihnen diesen besonderen Service bald anbieten zu können und sind gespannt auf Ihr Feedback.“

Ein paar Kundinnen meinten, sie würden es mal ausprobieren

Eine Rückmeldung über die Pläne hat sich Metehan Doglali bereits vereinzelt bei Stammkundinnen geholt. „Die meisten haben gesagt: ,Nö, ich komme ja auch hierher, um den persönlichen Kontakt zu haben.‘ Ein paar Kundinnen haben aber gemeint, sie würden es mal ausprobieren, um ein Gefühl dafür zu erhalten, wie das ist, wenn wir uns mal nicht unterhalten. Das kam auch für mich überraschend“, berichtet er.

Eine hatte eine besonders klare Meinung: „Sie hält gar nichts davon und bevorzugt den sozialen Austausch, den möchte sie nicht verlieren. ,Was gibt es Neues, was ist im Alltag passiert, was hat der Friseur für neue Produkte?‘ All diese Themen fallen ja weg, wenn ich das buche“, erzählt Metehan Doglali.

Viele vermeiden das Thema, weil sie Angst haben, dass der Friseur es falsch versteht

Sein Salon zählt jährlich im Durchschnitt gut 6000 Besuche. „Wenn das Silent-Cut-Angebot dabei 1000-mal gebucht wird, wäre ich überrascht“, sagt er. Aber wird das so bleiben? „In Großstädten hat eine hohe Anzahl von Silent-Cut-Buchungen nach der Einführung die Erwartungen übertroffen. Das haben bis jetzt alle Friseure in den Großstädten bestätigt“, hat Metehan Doglali recherchiert. Er hegt eine Vermutung, woran das liegen könnte.

„Wir haben Stammkunden, die kommen seit 20 Jahren hierher – die trauen sich aber vielleicht nicht, dem Friseur direkt zu sagen: ,Du, heute möchte ich keine Unterhaltung.‘ Sie vermeiden es, ihn darauf anzusprechen, weil sie Angst haben, dass er sie falsch versteht. Und diese Hemmschwelle überfordert sie dann. Über eine Onlinebuchung würden solche Blockaden eher wegfallen“, denkt er.

Den Anstoß für die Idee gab eine Kundin aus Berlin

Auf die Idee brachte ihn eine Kundin aus Berlin, die zu Gast in Geesthacht war. Sie nutze so ein Angebot bei ihrem Hausfriseur in der Hauptstadt, erklärte sie Metehan Doglali, der bis dato noch nichts davon gehört hatte. „Sie hat mich direkt angesprochen, ob ich damit einverstanden wäre, oder ob ich das persönlich nehmen würde, wenn wir nicht miteinander reden“, erzählt er.

„Ich war überrascht, ich musste zum ersten Mal so ein Gespräch führen“, erinnert er sich. Da die etwa 40-Jährige die vorletzte Kundin eines langen und zudem ausnehmend turbulenten Tages war, empfand auch er das gegenseitige Schweigen zum Feierabend als wohltuend.

Eine Stunde wurde kein Wort gewechselt – nur zu Beginn und am Schluss

Etwa eine Stunde wurde kein Wort gewechselt, nur zu Beginn und am Schluss. „Sie hat sich hingesetzt, wir haben den Schnitt besprochen, und am Ende habe ich gesagt, dass ich fertig sei, und ob ich ihr den Spiegel hinhalten dürfe. Zwischendurch hat sie die Situation bei einem Kaffee genossen. Das war eine neue, interessante Erfahrung“, berichtet Metehan Doglali.

„Fachlich wusste ich, was ich zu tun hatte, aber sonst kriege ich im direkten Austausch immer eine Bestätigung. ,Ist es zu lang, soll es ein bisschen stufiger, ein bisschen fransiger?‘, so etwas in der Art. Dieser Austausch hat nicht stattgefunden. Ich musste für eine Kundin, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, alleine entscheiden. Und das war meine größte Herausforderung. Gerade am Anfang, wenn man sich nicht kennt, stellt man ein paar Fragen mehr. Da war ihr Vertrauen auf einem hohen Niveau“, sagt er.

Trotz Schweigens – bierernst muss es trotzdem nicht zugehen

Auch wenn geschwiegen wird, bierernst muss es nicht zugehen. „Ich war einmal kurz davor, etwas fragen zu wollen, und habe den Spiegel geholt, dann aber doch wieder weggelegt. Die Kundin hat es gemerkt, in der Sekunde hatten wir Augenkontakt über den großen Spiegel. Sie hat mich angelächelt und gesagt: ,Stell ruhig deine Frage.‘ Wir mussten dann beide breit grinsen. Zum Schluss meinte sie: ,Danke, dass du es nicht persönlich genommen hast.‘ Sie ist zufrieden hinausgegangen“, erzählt Metehan Doglali.

Das ist nun ein Jahr her. „Ich habe es dann erst mal ignoriert. Anfang des Jahres ist es mir wieder eingefallen, weil ich auf Facebook einen Eintrag dazu gelesen habe. Dann habe ich mich detaillierter informiert. Und schließlich gedacht, jetzt spreche ich meine Stammkunden mal darauf an“, erzählt Metehan Doglali über das weitere Vorgehen.

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Übrigens: Wer diesen Service gebucht hat, braucht sich vor Ort nicht daran zu halten. Manchmal ändert sich schließlich eine Gefühlslage. „Es muss ja nicht beim Silent Cut bleiben. Das entscheiden die Kunden. Sie führen beim Termin, in welche Richtung das geht“, versichert Metehan Doglali.