Wentorf. Immer frische Eier und ein „angenehmes Krähen“ zum Sonnenaufgang: Wer Federvieh halten will, sollte aber einige Regeln beachten.
Kurt von Krosigk zählt sich selbst eigentlich nicht zu den Frühaufstehern. Seit ein paar Wochen aber ist der 76-Jährige Hühnerhalter – und pünktlich zum Sonnenaufgang hellwach. Verlässlich mit den ersten Sonnenstrahlen beginnt nämlich sein Hahn lautstark zu krähen. „Es ist ein angenehmes, nicht störendes Krähen“, sagt der Wentorfer ein wenig entschuldigend und setzt darauf, dass seine Nachbarn auf dem Sachsenberg das genauso so sehen. Beschwerden aufgrund der morgendlichen Tierlaute gab es zumindest noch nicht.
Wohl auch, weil Kurt von Krosigk seine Nachbarn bei der Hühnerfrage mit ins Boot geholt hat. Gemeinsam übernehmen sie nun die Pflege der zwei Hennen, des Hahns und der sieben Küken. Brüderlich teilen sie die Eier untereinander auf, und niemand stört sich daran, wenn die Tiere grüne Grenzen übertreten und im Garten des anderen scharren.
Neuer Trend: Hühnerhaltung im Wohngebiet – und was sagen die Nachbarn?
„Das geht auch anders“, sagt Sigmund Kieper, Vorsitzender des Landesverbands der Rassegeflügelzüchter für den Großraum Hamburg. Im Landesverband sind neun Geflügelzuchtvereine – von Rahlstedt über Blankenese bis Geesthacht – vereint.
Der Börnsener kennt viele Fälle, insbesondere in Hamburg, in denen sich Nachbarn aufgrund von Hühnergegacker zerstritten haben und die Haustiere am Ende wieder abgeschafft werden mussten. „In dichtbesiedelten Gebieten ist es unerlässlich, dass sich Nachbarn bei der Hühnerfrage einig sind“, sagt der 64-Jährige. Er selbst hat, als er noch in Reinbek lebte, deswegen statt auf laute Hühner auf leise Kaninchen gesetzt. Erst mit dem Umzug nach Börnsen auf ein 9000 Quadratmeter großes Grundstück hat sich der gelernte Landwirt selbst Hühner angeschafft. Zudem ist er ein erfolgreicher Züchter der Rasse „Deutsches Lachshuhn“, das, wie der Name sagt, lachsfarben und im Vergleich mit bis zu vier Kilogramm größer und schwerer als manch andere Rasse ist. „Aber dafür ist sie mit 200 Eiern pro Jahr nicht die legefreudigste Rasse“, weiß Kieper.
Hühnerhaltung im Wohngebiet: Bis zu 320 Eier pro Jahr möglich
Ein Lohmannhuhn, die wohl verbreitetste Hühnerrasse, bringt es auf bis zu 320 Eier im Jahr. Darauf aber kommt es den meisten Hühnerhaltern an: auf frische Eier aus dem eigenen Stall.
Die waren der Hauptgrund für Kurt von Krosigk, als er sich 2022 zum ersten Mal Hühner zulegte. „Zudem ist unser Garten groß genug und Hühnerhaltung nicht allzu schwer“, sagt der Wentorfer. Der Kinder- und Jugendtherapeut liegt damit voll im Trend. „Seit zwei Jahren verzeichnen wir einen starken Anstieg bei den Kleinsthaltern mit bis zu zehn Tieren“, sagt Zuchtverbandsvorsitzender Kieper.
Neuer Trend Hühnerhaltung im Wohngebiet: Verband zählt mehr Mitglieder
Das macht er vor allem an der gestiegenen Mitgliederzahl im Verband fest, die sich mit aktuell 450 seit 2022 fast verdoppelt hat. Allein in seiner „Ecke“ – in Börnsen, Reinbek, Wentorf, Schwarzenbek und Geesthacht – hat sich die Zahl der Halter mehr als verdreifacht und ist von zehn auf aktuell 35 Mitglieder in die Höhe geschnellt. Kieper erklärt sich das plötzliche Interesse am Haushuhn mit der Pandemie, in der die Menschen mehr Zeit zu Hause hatten und Lust bekamen auf „Hühnerhofidylle“ im eigenen Garten.
Auch wenn die Pandemie längst vorbei ist, der Trend ist ungebrochen, freut sich Kieper, der zugleich weiß, dass die „Dunkelziffer“ noch größer ist. Denn nicht jeder, der ein paar Hühner im Garten hält, ist auch Mitglied im Verband. „Auch wenn eine Mitgliedschaft einige Vorteile mit sich bringt“, wirbt Pieper. So profitieren Mitglieder beispielsweise von günstigeren Impfstoffdosen gegen die Newcastle-Krankheit, eine hochansteckende Viruserkrankung von Hühnern und Puten. Die Impfung ist Pflicht und wird über das Trinkwasser verabreicht.
Hühnerhaltung im Wohngebiet: Die Angst vor der Vogelgrippe ist groß
Mit der Vogelgrippe hat die Krankheit aber nichts zu tun. Gegen die gibt es noch keine Impfung und sie wird umso mehr von den Haltern gefürchtet. „Seit fünf Jahren müssen die Tiere, um gesund zu bleiben, auf Anordnung der Behörde ab Herbst deswegen regelmäßig in den Stall“, sagt Kieper. Jeder Halter ist verpflichtet, seine Hühner beim Veterinäramt und bei der Seuchenkasse zu melden.
Ein ausreichend großer Stall mit festem Fundament nimmt bei den Anschaffungskosten den größten Posten ein. Ein Huhn kostet um die 15 Euro. Im Unterhalt sind die Tiere vergleichsweise günstig. „Und sie sind wunderbare Resteverwerter“, freut sich Kurt von Krosigk, der seine Kartoffelschalen und Obst-und Gemüsereste nun immer in der Voliere entsorgt.
Hühnerhaltung im Wohngebiet: Vier Tiere müssen es schon sein
Von Einzelhaltung rät Kieper ab: „Hühner sind Gruppentiere, die mindestens drei Artgenossen um sich brauchen“, sagt der Züchter. Ein Hahn müsse nicht unbedingt dazwischen sein, das Eierlegen geht auch ohne. Dafür aber ist ausreichend Platz unabkömmlich: ein Quadratmeter pro Huhn sollte es schon sein, so der Geflügelexperte. Zudem müssen die Tiere vor Fressfeinden wie Greifvögeln, Fuchs und Marder geschützt werden.
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Kurt von Krosigk kann davon ein Lied singen. Seine erste Hühnerschar mit acht Tieren ist vor zwei Jahren zum einen einem freilaufenden Dackel, zum anderen einer Füchsin zum Opfer gefallen. „Die Füchsin hat die ganze Umgebung aufgemischt“, weiß von Krosigk, der mit anderen Haltern in Reinbek und Wentorf in Kontakt steht. Seitdem hat er den Schutz mit Zaun und Voliere verstärkt.
Hühnerhaltung: Bei Verbandsschau werden 20 Rassen vorgestellt
Letztere bietet auch einen guten Schutz, wenn die Tage heiß und sonnig werden. Denn hohe Temperaturen verträgt das Federvieh nicht so gut. „Ansonsten aber sind es sehr genügsame Tiere, deren Haltung eigentlich kinderleicht ist“, macht Siegmund Kieper Mut.
Wer selbst mit dem Gedanken spielt, sich Hühner anzuschaffen, kann sich am 19. und 20. Oktober bei der Landesverbandsschau in Curslack Anregungen holen. Hier im Gewächshaus der Familie Geereking, Curslacker Deich 194, werden mehr als 20 Hühnerrassen ausgestellt – vom Dresdner Zwerghuhn bis zum Deutschen Lachshuhn.