Geesthacht. Im Geesthachter Moorviertel warten die Anwohner darauf, dass die Bauarbeiten beginnen. Wann es so weit sein soll.
Selten wurden Sanierungsarbeiten so herbeigesehnt wie die im Geesthachter Moorviertel. Die Straßen sind aufgerissen, geschäftige Bauarbeiter verlegen in den Schächten nagelneue Kanalrohre. Defekte Abwasserkanäle gehören der Vergangenheit an. Danach kommen die Straßen selbst dran, der alte Asphalt-Flickenteppich weicht einer Mischverkehrsfläche für alle, aus einer Tempo-30-Zone werden Spielstraßen.
Pustekuchen. Dieses schöne Bild hat einen gewaltigen Fehler. In Wirklichkeit tut sich nichts dergleichen im Quartier aus den 1960er-Jahren. Immer noch nicht. Ursprünglich war der Baustart eines der umfangreichsten Straßensanierungsprojekte der vergangenen Jahre für 2023 angesetzt, und nun vergeht der nächste Sommer, ohne dass etwas passiert.
Selten wurden Sanierungsarbeiten so herbeigesehnt
Die Straßen zwischen der Kleingartenanlage und der Straße Am Moor liegen auch im Jahr 2024 weiterhin zerschlissen in der Augustsonne. Und darunter vermodert das marode Kanalsystem. Die Sanierung – bleibt sie nur ein schöner Traum?
„Die Anwohner sprechen mittlerweile von einem Aprilscherz“, weiß Bastian Numrich. Der Ratsherr der CDU wohnt vor Ort, es ist sein Wahlbezirk. Wenn er gefragt werde, wann es denn nun endlich losgehen würde, könne er auch nur mit den Schultern zucken. „Ich sage dann immer: ,Es kommt, ich weiß aber auch nichts Weiteres.‘“
Die Erwartungshaltung ist nach Bürgerbeteiligung und Vorstellung der Pläne groß
Die Erwartungshaltung ist groß bei den Menschen in Geesthachts „Obstkorb“. Birnenweg, Aprikosenweg, Apfelweg oder auch Kirschenweg heißen Straßen in der idyllischen Siedlung. Sie wurde unter anderem geweckt durch eine Einwohnerbefragung vor zwei Jahren. 25 Hinweise gingen ein, die in das weitere Vorgehen einfließen sollten. Insgesamt werden acht Straßen überplant. Anliegerbeiträge fallen nicht an.
Gut 30 Anwohner hatten sich auf der Sitzung des Bauausschusses im Mai 2022 eingefunden, als das Projekt vorgestellt wurde. „Dann erwarten die auch was, wenn die Pläne schon präsentiert werden, aber jetzt kommt ja gar nichts mehr“, klagt Bastian Numrich. „Wir haben hier schon über drei, vier Tage Vermesser herumlaufen sehen. Es gab sogar einen Flyer zu den Arbeiten. Und nun gibt keine offiziellen Informationen, warum jetzt nichts passiert.“
Die Sanierung ist bitter nötig, weil sowohl Fahrbahnen als auch Regen- und Schmutzwasserkanäle in einem sehr schlechten Zustand sind. „Es ist beabsichtigt, wegen der starken Kanalisationsschäden schnellstmöglich mit der Sanierung zu beginnen, das heißt, es soll noch in diesem Jahr ausgeschrieben werden“, hieß es vonseiten der Stadtverwaltung bereits im Mai 2022. Und nun zieht es sich zeitlich in die Länge.
Es gab wiederholt Wasserrohrbrüche. Die Liste der Mängel, die bei einer Analyse festgestellt wurden, ist lang. Die Rohre haben teilweise Betonkorrosion, „es gibt Scherbenbildung, Risse, herausquellende Dichtungen, mangelhafte nachträgliche Anschlüsse und mangelhaft hergestellte Hausanschlüsse. Und da die Leitungen überwiegend im Grundwasser liegen, wird durch die Schäden vermehrt Grundwasser in die Kanalisation geleitet“, wurde festgestellt.
Dass eine Reparatur der Straßen nicht möglich ist, findet sich schon 2009 in einem Papier
Nicht besser sieht es bei den Fahrbahnen aus. „Die überwiegend asphaltierten Straßen sind alle gerissen und kaum noch reparierbar, da die Asphaltschicht maximal drei bis vier Zentimeter beträgt“, urteilen die Gutachter. Auch hier gibt es eine lange Leitung. „Eine Unterhaltung dieser dünnen zerrissenen bituminösen Decke ist kaum möglich. Eine Sanierung ist nur durch einen vollständigen Neubau möglich“, wird zur Situation im Viertel bereits mit Stand 2009 festgestellt.
Immerhin: Aufgeschoben ist dann doch nicht aufgehoben, verspricht die Stadtverwaltung. „Die Ausführungsplanung hat deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant. Gründe hierfür sind die zusätzlich aufgenommene Erneuerung des Regenwasserpumpwerkes Apfelweg und Kapazitätsprobleme beim planenden Ingenieurbüro. Derzeit ist das Leistungsverzeichnis für die Bauausschreibung in der Endabstimmung, die Ausschreibung soll so schnell wie möglich erfolgen und der Bau noch in diesem Jahr beginnen.“
Politiker glaubt nicht, dass Sanierung in diesem Jahr noch startet
Bastian Numrich sieht diesem Zeitplan mit wenig Optimismus entgegen. „Dass es in diesem Jahr noch losgehen soll, das glaube ich nie im Leben. Das kann ich ihnen nicht abkaufen, weil sie gesagt haben, sie kommen zu jedem Haus und machen Bestandsaufnahmen mit Fotos und so weiter, um nachher sicherzugehen, dass, falls Risse entstehen, alles dokumentiert ist. Das haben sie den Anwohnern damals zugesichert. Wie wollen sie das denn alles noch schaffen?“
Hintergrund: Der Wasserstand in der Siedlung ist hoch, das Grundwasser beginnt bereits zwischen einem und 1,50 Meter unter dem Straßenniveau. Bei Herstellung der neuen Kanalisation ist eine Grundwasserabsenkung nötig. Mittels einer Beweissicherung sollen mögliche nachträgliche Schäden an Gebäuden erkennbar werden.
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Bastian Numrich kündigt an, bei der Stadtverwaltung weiter „nachzubohren und zu nerven, denn das ist mein Wahlkreis“, sagt er. „Einen politischen Antrag brauche ich nicht zu stellen, denn es liegt bei der Stadt alles auf dem Tisch. Sie müssen nur zusehen, dass sie endlich mal anfangen.“