Geesthacht. Ein Geesthachter arbeitet an einem Blumenbeet. „Was ist denn das?“, denkt er plötzlich. Was eine Geologin zu seinem Fund sagt.

Fossilien aus längst vergangenen Zeiten – manche suchen sie mühsam in der Kiesgrube, manche am Ostseestrand. Aber manchmal rollen sie wie von selbst auf einer Schubkarre zurück ins Licht. „Ich packe die ersten Steine hin, und dann hat der eine mich ein bisschen angelächelt“, erzählt Arne Schulz.

Was der Geesthachter so norddeutsch-nüchtern schildert, ist in Wirklichkeit ein faszinierender Fund. Denn aus dem Feuerstein grinste ihn ein Fossil an. Arne Schulz hat es in den Steinen für sein Blumenbeet gefunden. „Mein erster Gedanke war: ,Krass. Was ist denn das?‘“, erzählt er. Arne Schulz wendete den Stein hin und her, bis er die Versteinerung mit ihren Verknöcherungen in die für ihn plausibelste Position gedreht hatte.

Plötzlich grinst der Stein fürs Blumenbeet – im Feuerstein steckt ein Fossil

Das versteinerte Überbleibsel einer uralten Kreatur sieht aus wie der faustgroße Knochenkopf eines Mini-Dinosauriers. Oben die Schädeldecke mit einem großen Auge im vorderen Bereich, unten der spitz zulaufende Kiefer und in der Mitte eine doppelte Zahnreihe – eingebettet in einen Feuerstein aus der Kreidezeit. Sie begann vor etwa 145 Millionen Jahren und endete vor rund 66 Millionen Jahren.

„Die Steine hatte ich mit der Schubkarre hierher gebracht, ausgekippt und sortiert, und dann hatte ich den irgendwann in der Hand und war ziemlich erstaunt“, erzählt Arne Schulz. Der gelernte Landschaftsgärtner wohnt vis-à-vis der Geesthachter Hafencity und arbeitet gerade an seinem Pflanzenbeet. Es liegt auf einer Wanne aus Steinen.

Arne Schulz und sein Fossil: sein bisher größter Fund.
Arne Schulz und sein Fossil: sein bisher größter Fund. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Er findet immer wieder mal Fossilien in Baumaterial, aber so ein großes noch nicht. „Diese Steine lagen noch auf der Baustelle herum, die Reste waren übrig von einem anderen Gewerk. Da dachte ich, die nehme ich jetzt für meinen Garten, bevor sie weggeworfen werden“, berichtet Arne Schulz.

Wo die Steine ursprünglich mal abgebaut wurden, ließe sich nicht mehr nachvollziehen, meint Arne Schulz. „Der Lkw kommt an und kippt den Kies ab. Man müsste über den Lieferschein und über den Lieferanten nachhaken, wo dieser Kies dann hergekommen ist. Er könnte auch in Süddeutschland abgebaut und dann hier hochgeschickt worden sein.“

Fisch oder Echse? Um was handelt es sich bei dem Fund?

Aber was ist dieses seltsame Ding aus der Urzeit eigentlich? „Anscheinend ein Fisch oder eine Echse“, rätselt Arne Schulz. Er muss passen, ein Bestimmbuch für Fossilien hat er nicht. Vielleicht ist es ja etwas Seltenes, spekuliert er. Aber dürfte er den Fund dann überhaupt behalten? Oder müsste er vielmehr ins Museum?

Ein Anruf bei einer Expertin des Geoparks Nordisches Steinreich in Kehrsen (bei Gudow) bringt Klarheit. Aber erst, nachdem ein Foto des Fundes verschickt wurde. „Für mich ist das ein Seeigel“, erklärt die Geologin Kerstin Pfeiffer.

Die letzte Eiszeit hat in Schleswig-Holstein vieles zermahlen

Auch die Einbettung in einen Feuerstein sei typisch. Und die vermeintliche Zahnreihe ist gar keine, sondern ein Arm. Deutlich wird das, wenn man den Stein anders hält, mit dem „Auge“ nach oben. Dieses Merkmal allerdings kann sie sich nicht erklären. „Vielleicht hat mal etwas mit einem Reißzahn in den Seeigel gebissen“, flachst Arne Schulz.

Pech für ihn: So selten ist sein Fund gar nicht. Ein Fossil wie seines gibt es zu Tausenden in Norddeutschland. In Schleswig-Holstein ist außer den Fossilien aus der Kreidezeit nicht viel zu finden. Grund ist die letzte Eiszeit, die vieles zermahlen hat. Die Funde, die im Binnenland gemacht werden, sind meist besser erhalten, am Strand sind sie von den Wellen stärker zerschmirgelt.

Für menschliche Artefakte gibt es eine Meldepflicht

Weder für gefundene Fossilien noch für archäologische Entdeckungen gibt es übrigens eine Abgabepflicht in Schleswig-Holstein, anders als in südlichen Bundesländern. Aber dort werden auch bedeutendere Funde gemacht wie etwa der Archaeopteryx aus der Fränkischen Alb.

Immerhin besteht für menschengemachte Artefakte eine Meldepflicht. Das archäologische Landesamt möchte unter anderem deshalb wissen, wo Fundplätze sind, um sie schützen zu können, zum Beispiel, wenn eine Straße durch ein Gebiet gebaut werden soll, das steinzeitliche Funde birgt. Wer glaubt, doch mal ein besonderes Fossil gefunden zu haben, kann sich an das geologische und mineralogische Museum der Uni Kiel wenden.

Über die Jahre hat Arne Schulz eine kleine Sammlung zusammengeklaubt. Der neuste Fund ist der größte.
Über die Jahre hat Arne Schulz eine kleine Sammlung zusammengeklaubt. Der neuste Fund ist der größte. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Oder gleich selbst zum Experten werden. Das Nordische Steinreich bietet zahlreiche Exkursionen für alle Altersgruppen an. Und am 8. August startet das Ferienprogramm. Es findet jeden Donnerstag von 16.30 Uhr bis 18 Uhr am Kliff von Travemünde statt. Dank einer Förderung durch das Bildungsministerium sind einige Ostsee-Expeditionen für Schüler aus Schleswig-Holstein kostenlos. Informationen auf der Webseite www.geopark-nordisches-steinreich.de.

Diese eher trüben Aussichten auf einen spektakulären Fund trüben den Spaß bei Arne Schulz nicht. „Ich finde das toll, wenn man so etwas findet“, sagt er. Da er durch seine Arbeit auch beruflich immer wieder mit Steinen zu tun hat, konnte er sich über die Jahre eine kleine Sammlung zusammenklauben. „Wenn ich an einem Kiesstreifen langgehe, dann sehe ich so etwas, ich habe ein Auge dafür“, sagt er.

Auch interessant

Die richtig imposanten Dinge finden sich in unseren Breiten am ehesten im Kieswerk. Beim Aussieben des Sandes kann schon mal ein Mammutzahn zum Vorschein kommen. Berühmt ist die Tongrube in Groß Pampau. Dort wurden rund elf Millionen Jahre alte Überreste von Walen, Robben und Schildkröten ausgegraben.

Im Kieswerk kommt schon mal ein Mammutzahn zum Vorschein

Auch das Blumenbeet in Geesthacht mag noch für Überraschungen gut sein. Alle Steine für die Einfassung hat Arne Schulz noch nicht verbaut, in einem Sack vor dem Haus lagert noch eine ansehnliche Menge als Vorrat. „Mal sehen, vielleicht finde ich da noch etwas“, hofft er. Bis es so weit ist, wandert der neueste Fund erst einmal auf einen Ehrenplatz ins Regal.