Geesthacht. Viele Beschränkungen enden nach den Ferien an den Schulen. Doch durch Corona entstandene Probleme bleiben.
Die Erstklässerin war verwirrt, als sie auf dem Schulhof ihrer Lehrerin ohne Mundschutz begegnete. „Kannst Du mal die Maske aufsetzen, damit ich weiß, ob Du wirklich Strübi bist“, bat das Kind. „Strübi“ – so wird Susanne Strüber-Penopp an der Silberbergschule in Geesthacht von allen genannt – tat wie ihr geheißen, und das Kind war zufrieden. Jetzt erkannte es seine Klassenlehrerin. Wenn die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht so traurig wären, könnte man über diese Anekdote fast schmunzeln.
Demnächst, genauer gesagt nach den schleswig-holsteinischen Schulferien am 19. April, fallen die Masken nicht nur in der Pause, sondern auch im Unterricht – eine Entscheidung über die nicht alle Lehrer und Eltern glücklich sind. Wie dem auch sei: Situationen, wie die eingangs beschriebene, dürften kein Einzelfall bleiben.
Lage an den Schulen nach der Pandemie ist aus Sicht der Schulsozialarbeit düster
Dass Schüler Schwierigkeiten haben, Gesichter und die Gefühlslage des Gegenübers zu erkennen, ist nur ein Problem nach zwei Jahren Maskenpflicht und Distanzunterricht. Marion Grote vom Fachdienst Bildung der Stadtverwaltung und zuständig für Schulsozialarbeit zeichnete ein düsteres Bild, als sie den Mitgliedern des Bildungsausschusses die Lage an den Schulen aus Sicht der städtischen Schulsozialarbeiter skizzierte.
Es gebe bei den Schülern Auffälligkeiten im sozialen Verhalten und hohe psychische Belastungen. Sie mieden Körperkontakt und neigten dazu zu vereinsamen. Zudem litten sie vermehrt unter Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, weil sie im Unterricht weniger trinken. Erklärung: Dafür mussten sie vor die Tür gehen. „Für Kinder, die von der Kita in die Grundschule kommen, ist Freundschaften zu schließen, verstärkt ein Thema. Einigen fällt es wegen der Masken schwer, auf andere zuzugehen. Sie fühlen sich allein und verunsichert. Die Masken erschweren auch, in dem Gesicht des Gegenübers Gefühle zu lesen, weil die Mimik verdeckt ist. Das führt zu Missverständnissen“, betont Marion Grote.
Sechs Schulsozialarbeiter für sieben Schulen in Geesthacht
Geesthachts CDU-Ortsvorsitzende und Bildungsexpertin Nicole Voss bezeichnete den Bericht als „erschreckend“. Voss absolviert gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr. Als Schulbegleiterin unterstützt sie einen Zweitklässler dabei, dass er am regulären Unterricht teilnehmen kann. „Viele Kinder haben nie in der Vorschule gelernt, wie man sich in der Schule verhalten muss“, sagt Voss und erneuert die CDU-Forderungen nach mehr Schulsozialarbeit.
Derzeit arbeiten sechs Schulsozialarbeiter an den sieben Geesthachter Schulen. Die Silberberggrundschule mit fast 500 Schülern muss sich eine Stelle mit der Waldschule in Grünhof (120 Schüler) teilen, obwohl die Silberbergschule als DaZ-Zentrum (Deutsch als Zweitsprache) besonders hohen Bedarf hat.
Auch interessant
Wegen Corona: Nachfrag nach Soziatrainings ist stark angestiegen
„Janika Klindworth ist eine tolle Frau. Aber wir bräuchten sie hier jeden Tag in der Woche“, hofft Schulleiterin Kirsten Hansen auf eine baldige Aufstockung der Stelle, die bei den Haushaltsberatungen 2022 jedoch keine Berücksichtigung fand.
Mit jeder der 23 Klassen der Schule macht Klindworth eine Schulstunde lang ein Sozialtraining. Zudem nimmt sie an Familiengesprächen teil, wenn es bei auffälligen Kindern darum geht, wie der Alltag in Schule als auch zu Hause so gestaltet wird, dass Besserung einsetzt. „Die Nachfrage nach Sozialtrainings ist stark angestiegen. Ein Grund dafür sind auch gesellschaftliche und politische Krisen wie der Coronavirus oder der Krieg in der Ukraine“, sagte Grote.
Doch auch wenn die Masken im Unterricht bald fallen und seit dieser Woche der psychische Druck eines positiven Selbsttests wegfällt, weil fortan zu Hause getestet wird, betont die Verwaltungsmitarbeiterin. „Es wird noch ein langer Weg, die Probleme aufzuarbeiten.“