Geesthacht/Schwarzenbek/Mölln. Zahlreiche Taten habe es laut der Initiative „Das Herzogtum bleibt nazifrei“ dieses Jahr gegeben. Im Fokus sind Schwarzenbek und Mölln.

Bei der Europawahl im Juni erreichte die Alternative für Deutschland das bisher beste Ergebnis ihrer Geschichte. Dabei waren die Rechtspopulisten nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern erfolgreich, auch im Kreis Herzogtum Lauenburg holte die Partei in manchen Wahlkreisen deutlich mehr als 20 Prozent der Stimmen. Aktivisten der Initiative „Das Herzogtum bleibt nazifrei“ befürchten, dass dieser Erfolg den Rechtsextremisten im Kreis zu einem weiteren Aufschwung verhelfen könnte.

„Durch die Ergebnisse der Europawahl fühlen sich die Leute darin bestärkt, öffentlich ihre Gesinnung zu zeigen“, sagt ein Sprecher der Initiative. Es sei inzwischen eine Selbstverständlichkeit entstanden, auch rechtsextreme Inhalte zu verbreiten. Der Sprecher sagt, dass dabei vor allem die Verbreitung über den gesamten Kreis Herzogtum frappierend sei. „Früher ist das immer mal wieder lokal aufgetreten. Jetzt breitet sich das aber in einem nie da gewesenen Tempo aus“, so der Sprecher.

Rechtsextremismus: Aktivisten fürchten Ausbreitung rechter Gewalt im Kreis

Allein in diesem Jahr habe es mehrere Angriffe und Bedrohungen im Kreisgebiet gegeben, führt die Initiative auf. Unter anderem werden die Attacke auf eine Frau mit Migrationshintergrund samt Kinderwagen in Schwarzenbek, ein Brand in Mölln und rassistische Graffitis in Ratzeburg genannt. Zudem weisen die Aktivisten auf Vorfälle innerhalb der Möllner Polizeistation hin, bei denen sich mindestens ein Beamter schwerwiegend menschenverachtend geäußert haben soll. Die Vorkommnisse wurden durch das Land Schleswig-Holstein im Februar öffentlich gemacht.

Dem zuständigen Polizeikommissariat in Lübeck sind nicht alle Fälle bekannt, von denen die Initiative weiß. Bei dem Angriff auf die Mutter mit Kinderwagen geht die Polizei von einem fremdenfeindlichen Motiv aus, wie Pressesprecher Philipp Jagelle sagt. Dem Opfer eilten mehrere Zeugen zur Hilfe, die entsprechende Hinweise gaben. Allerdings gelang es nicht, die Täter zu identifizieren. Das Verfahren ist deshalb mittlerweile von der Staatsanwaltschaft Lübeck gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, teilt die Polizei mit.

Deutlicher Anstieg rechter Taten in Schleswig-Holstein

Unklar ist hingegen, ob es sich bei dem Brand in einem Möllner Mehrfamilienhaus um eine rassistisch motivierte Tat handelt. In dem Haus sind Geflüchtete untergebracht, weshalb der Staatsschutz die Ermittlungen aufnahm. „Bezüglich des Brandes am 5. Mai in Mölln sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen“, teilte die Polizei mit. Derzeit lägen keine gesicherten Beweise für eine fremdenfeindliche oder politisch motivierte Tat vor.

Der Polizei nicht bekannt sind eine rassistisch motivierte Tat, die sich in Schwarzenbek am 5. März ereignet haben soll sowie eine mögliche Bedrohung gegen einen Lokalpolitiker aus dem östlichen Kreisgebiet. Hier sei jeweils keine Anzeige erstattet worden.

Zahl rechtsextremer Gewalttaten nahezu verdoppelt

Klar ist, dass die Zahl rechtsextremer Taten in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Dies geht aus dem Verfassungsschutzbericht des Kieler Innenministeriums hervor. Demnach wurden in den Jahren 2018 bis 2022 stets zwischen 663 und 709 Taten jährlich verzeichnet. 2023 waren es 975. Mit 81 Gewaltdelikten hat sich auch diese Zahl nahezu verdoppelt im Vergleich zum Vorjahr.

Die Zahl linksextremistisch motivierter Taten ging in den letzten Jahren laut Verfassungsschutzbericht deutlich zurück. Im Jahr 2023 wurden 137 Taten registriert, davon zwölf Gewalttaten. Vervielfacht haben sich hingegen die religiös motivierten Delikte.

Zweifel an der Verfassungstreue des Beamten aufgekommen

In den Fokus rückten auch Beamte der Möllner Polizeistation Anfang des Jahres. Damals wurde publik, dass sich mindestens ein Polizist der Wache ausländerfeindlich und menschenverachtend geäußert haben soll und mutmaßlich auch nationalsozialistisch geprägtes Gedankengut verbreitete.

Wie Bernd Olbrich, Leiter der Polizeidirektion Ratzeburg, damals erklärte, hatte sich ein Kollege des Beschuldigten an die Rassismusbeauftragte der Polizei gewandt. In der Folge seien Zweifel an der Verfassungstreue des Beamten aufgekommen, wie Olbrich es umschrieb.

Beschuldigter der Möllner Polizeistation vom Dienst suspendiert

Bei einer Durchsuchung der Privaträume des Polizisten fanden die Ermittler Datenträger, die die Vorwürfe erhärteten. Außerdem fanden sie Hinweise auf Betrug, Indiskretion und Verstößen gegen den Datenschutz. Verbindungen zu verfassungsfeindlichen oder rechtsextremen Gruppen konnten dem Polizisten allerdings nicht nachgewiesen werden.

Ermittlungen in der Folge ergaben, dass Führungskräfte das Verhalten ihres Kollegen geduldet hatten und einmalig mitgemacht haben sollen. In Chat-Protokollen fanden sich Verdachtsmomente gegen sechs weitere Polizisten der Station Mölln, die sich jedoch als weniger schwerwiegend herausstellten.

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In der Folge wurde der Hauptbeschuldigte vom Polizeidienst suspendiert und drei Führungspersonen versetzt. Eine Anfrage unserer Redaktion beim Innenministerium in Kiel ergab, dass noch keine weitere Entscheidung über die Zukunft des hauptbeschuldigten Polizisten gefallen ist. Auch die Disziplinarverfahren gegen dessen Kollegen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Ähnliche Vorfälle aus anderen Polizeistationen im Kreisgebiet seien dem Ministerium nicht bekannt.