Lauenburg. Einmal hatte die Awo Pflege die Frist verlängert, aber zum Jahresende müssen alle Bewohner der Seniorenwohnungen raus. Nur wohin?

Die Nachricht kam Mitte Februar und ohne Vorwarnung: Das Walter-Gerling-Haus wird geschlossen. Die Awo Pflege als Betreiberin hatte dem Awo-Landesverband die Schließung des Pflegeheims empfohlen. Bis zum 30. Juni sollten alle Bewohner raus. Das galt auch für die Mieter der 16 angrenzenden Seniorenwohnungen.

Insbesondere die fühlten sich mit der Suche nach einer neuen Wohnung in Lauenburg und Umgebung allein gelassen. Nach massiver öffentlicher Kritik lenkte die Awo ein. Bis zum Jahresende, so hieß es dann, wird die Frist verlängert. Doch dann müssen die Wohnungen geräumt werden. Bei den Bewohnern führt das zu schlaflosen Nächten.

Walter-Gerling-Haus Lauenburg: Mieter in Angst vor Obdachlosigkeit

Das Walter-Gerling-Haus an der Berliner Straße wurde Anfang der 1970er-Jahre gebaut. Welche baulichen Mängel es mittlerweile gibt, wird aus einem internen Papier vom November vergangenen Jahres deutlich. Der Betrieb des Walter-Gerling-Hauses hätte 2023 ein Defizit von 700.000 Euro ergeben, heißt darin. Grund seien bauliche Mängel und damit verbundene hohe Instandhaltungskosten. 

Ihre Kündigung zum 31. Dezember haben alle Mieter des Hauses erhalten. Jetzt geht die Angst um. „Wir haben uns wirklich schon alle um eine neue Wohnung bemüht und sind bei allen Versuchen gescheitert“, sagt Angelika Horstmann-Glüsing.

Frustrierende Wohnungssuche ohne Erfolg

Etwa 500 Euro warm zahlt sie derzeit für ihre Einzimmerwohnung. „Ich weiß, dass das vergleichsweise günstig ist. Da ich Wohngeld beziehe, bin ich aber an Grenzen gebunden in Bezug auf Mietpreis und Größe der neuen Wohnung“, sagt sie. Auf vier Wohnungsangebote habe sie sich beworben, für zwei einen Besichtigungstermin erhalten und beide Male eine Absage kassiert.

Ähnliche Erfahrungen haben ihre anderen, gesundheitlich meist angeschlagenen Nachbarn auch gemacht. Fast alle bekommen wegen einer schmalen Rente staatliche Unterstützung. „Auf jede kleine, bezahlbare Wohnung in Lauenburg und Umgebung kommen bis zu 50 Bewerber. Da hat man kaum eine Chance“, hat Bewohner Karl-Heinz Gönnecke festgestellt. „Für die meisten von uns kommen nur Erdgeschosswohnungen oder solche mit Fahrstuhl infrage“, sagt Ottmar Dräger.

Das Pflegeheim Walter-Gerling-Haus der Awo wird zum 31. Dezember 2024 geschlossen. Das betrifft auch die angrenzende Betreute Wohnanlage.
Das Pflegeheim Walter-Gerling-Haus der Awo wird zum 31. Dezember 2024 geschlossen. Das betrifft auch die angrenzende Betreute Wohnanlage. © Gabriele Kasdorff | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Mieter fühlen sich nicht ernst genommen

Die Awo hatte zugesagt, die Bewohner bei der Suche nach einer neuen Wohnung zu unterstützen. Tatsächlich habe eines Morgens eine Liste am schwarzen Brett im Hausflur gehangen, auf der einige Wohnungen mit entsprechenden Kontaktdaten aufgelistet worden seien, erzählen die Mieter. Dies sei eine reine Alibi-Aktion gewesen, sind sie sich einig.

„Wir sind die Liste durchgegangen. Zwei Wohnungen waren fast 90 Quadratmeter groß und kosteten über 1200 Euro kalt. Eine Dachgeschosswohnung, ohne Fahrstuhl, war auch dabei. Andere Wohnungen waren längst vergeben“, sagt Renate Lagerin. Gelacht hätten sie aber auch: Auf der Liste mit den angeblich freien Wohnungen hätte eine aus ihrem Haus gestanden.

Ehrenamtlicher Awo-Ortsverein bietet Mietern Hilfe an

„So geht das auch nicht“, sagt Jörg Sönksen. Der Vorsitzende des Awo-Ortsvereins war von den Mietern zu einer Zusammenkunft vor der Haustür eingeladen worden. Schon kurz nach Bekanntwerden der bevorstehenden Schließung des Walter-Gerling-Hauses hatte er den Bewohnern Hilfe zugesagt. Der ehrenamtliche Ortsverein hatte bis dahin von den Plänen des Awo-Landesverbandes nichts gewusst.

„Ich werde mich für regelmäßige Sprechstunden im Haupthaus einsetzen. Dort sollten dann realistische Anforderungen an die neue Wohnung besprochen werden und eventuelle Vorschläge gemacht werden“, schlägt er vor. Einige ehrenamtliche Mitglieder des Ortsvereines hätten sich zudem bereit erklärt, beim Umzug in die neue Wohnung zu helfen.

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„Wenn wir nur schon so weit wären. Im Moment sehe ich schwarz, eine bezahlbare kleine Wohnung für mich zu finden. Wir haben alle schlaflose Nächte“, sagt Angelika Horstmann-Glüsing. Die Angst, auf der Straße zu landen, hat die teils betagten Mieter des Hauses zusammengeschweißt. „Wir lassen uns nicht vertreiben!“, sind sie entschlossen. Eine Mieterin hat bereits einen Anwalt eingeschaltet, der wegen „unzumutbarer Härte“ gegen die Kündigung seiner chronisch kranken Mandantin vorgehen will.

Beim Awo-Landesverband und der Awo Pflege ist man sich wohl darüber im Klaren, dass ein konsequentes Durchsetzen der Kündigung zum 31. Dezember nicht mit den humanen Grundsätzen der Arbeiterwohlfahrt vereinbar wäre. „Auch wenn wir aus formalen Gründen zum 31. Dezember 2024 gekündigt haben, möchten wir im Austausch mit den Mietern flexibel bleiben. Wer früher eine Wohnung gefunden hat, kann früher aus dem Vertrag gehen. Wer länger braucht, kann auch länger in der Wohnung bleiben. Wir setzen keinen Mieter auf die Straße“, versichert der Awo-Vorstandsvorsitzende Michael Selck.  „Eine endgültige Lösung wäre uns lieber. Wir möchten wieder mal ruhig schlafen“, sagt Angelika Horstmann-Glüsing