Lauenburg. Alle sollen einzahlen, damit eine Versicherung gegen Elementarschäden auch in Risikogebieten bezahlbar wird. Doch es gibt Haken.
Starkregen, Überschwemmungen, Jahrhunderthochwasser – entsprechende Schlagzeilen sind seit der Jahrtausendwende keine Seltenheit mehr. Der Klimawandel fordert seinen Tribut. Zügige und unbürokratische Hilfe versprechen Politiker in solchen Fällen schnell, doch das kommt den Steuerzahler teuer zu stehen. Allein in Lauenburg und den angrenzenden Gemeinden entstanden bei dem Hochwasser von 2013 Schäden in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro. Wer soll bei der nächsten Katastrophe dafür zahlen?
Der Bundesrat verabschiedete Mitte vergangenen Monats einen Entschließungsantrag, in dem er auf die jüngsten Extremwetterereignisse und Großschadenslagen durch Hochwasser verweist. Die Länderkammer unterstrich die dringende Notwendigkeit, „schnellstmöglich eine flächendeckende Elementarschadenpflichtversicherung einzuführen“. Sonst würden bei der Einrichtung von Hilfsfonds alle in die Pflicht genommen werden, so die Begründung. Doch der Vorstoß ist umstritten.
Hochwasser: Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ist umstritten
In der Lauenburger Altstadt haben längst nicht alle Eigentümer eine Versicherung gegen Hochwasserschäden abgeschlossen. „Lange Zeit fand sich kaum ein Versicherer überhaupt bereit, dieses Risiko in die Police aufzunehmen“, weiß Jörg Sönksen von der Betroffenengemeinschaft Hochwasser. Und wenn doch, dann in der Regel zu Preisen, die kaum für die Mehrzahl der Bewohner zu bezahlen sind. Kein Wunder: Die Lauenburger Altstadt liegt beim Hochwasser in der sogenannten Gefährdungsklasse 3, also der zweithöchsten überhaupt.
Guido Landmann von der Provinzial Versicherung in Lauenburg rechnet es anhand eines fiktiven Beispiels vor. Angenommen wird die Versicherung für ein denkmalgeschütztes Altstadthaus mit 135 Quadratmetern Wohnfläche an der Wasserseite. „Für eine Gebäudeversicherung gegen die üblichen Risiken würde der Eigentümer bei uns etwa 625 Euro im Jahr zahlen. Wünscht er zusätzlich gegen Hochwasserschäden abgesichert zu sein, müsste er etwa 2000 Euro mehr zahlen“, sagt er. Und das bei einem Eigenanteil von 500 Euro. „Eine Menge Geld“, gibt er zu.
Wenn aber alle Wohneigentümer nach dem Solidarprinzip diese Pflichtversicherung abschließen müssen, dürften aus seiner Sicht einzelne Verträge deutlich günstiger werden. Auch dem Argument, im Katastrophenfall die Allgemeinheit und damit die Steuerzahler zu entlasten, könne er folgen. Allerdings sehe seine Branche den Vorstoß für eine solche Pflichtversicherung durchaus auch kritisch.
„In Lauenburg wird seit über zehn Jahren über Hochwasserschutz diskutiert. Wenn sich das Land jetzt für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden starkmacht, darf das nicht bedeuten, dass noch weniger Elan in den Hochwasserschutz gesteckt wird. So nach dem Motto, die Versicherungen kommen im Ernstfall ja für die Schäden auf“, sagt Landsmann.
Präventive Maßnahmen, damit Prämien bezahlbar bleiben
Das deckt sich mit einer Stellungnahme durch den Gesamtverband Deutschen Versicherungswirtschaft. „Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssten präventive Maßnahmen getroffen werden, damit Prämien bezahlbar und Naturgefahren versicherbar bleiben“, heißt es darin.
Auch beim Haus- und Grundeigentümerverein Lauenburg sorgt die diskutierte Pflichtversicherung für Elementarschäden für Wirbel. „Wir betrachten das Thema kritisch. Es besteht die Gefahr, dass sich der Staat dadurch seiner Pflicht zur Gefahrenabwehr entziehen könnte“, sagt der Vorsitzende Gerhard Pehmöller. Außerdem dürften die Eigentümer nicht finanziell überfordert werden. „Das gilt übrigens auch für Mieter, die die Kosten ja über die Nebenkosten ihrer Wohnung zu tragen hätten“, so der Vereinschef.
Betroffenengemeinschaft: Erst Hochwasserschutz, dann Pflichtversicherung
Bei der Lauenburger Betroffenengemeinschaft Hochwasser überwiegen die Zweifel, ob eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden für die Altstadtbewohner wirklich Vorteile bringen würde. „So lange es keinen wirksamen Hochwasserschutz gibt, werden die Versicherer weiterhin ein sehr hohes Gefährdungsrisiko für diesen Bereich feststellen. Das wirkt sich natürlich auf die Höhe der Beiträge aus. Eine Pflichtversicherung würde unter diesen Umständen dazu führen, dass sich viele Bewohner ein Leben in der Altstadt nicht mehr leisten können“, sagt Jörg Sönksen.
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Endgültig entschieden ist in Sachen Pflichtversicherung gegen Elementarschäden noch nichts. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni haben Bund und Länder keinen Beschluss dazu gefasst. Die Bundesländer, auch Schleswig-Holstein, machen Druck.
Bundesjustizminister: „Wir vertreiben Menschen aus ihrem Elternhaus“
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich dagegen klar gegen eine solche Pflichtversicherung ausgesprochen. So gebe es Regionen in Deutschland, wo die Versicherungsprämien so hoch seien, „dass wir Menschen aus ihrem Elternhaus vertreiben, die sich die Versicherungsprämie nicht leisten können“. Lauenburg könnte dazugehören.