Kiel. Schleswig-Holsteins CDU-Chef sieht Verantwortung für das Scheitern bei allen drei Regierungsparteien und mahnt: „Keine taktischen Spielchen!“

Jeder gegen jeden – das ist nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Schleswig-Holstein das Motto nach dem Lindner-Rauswurf durch Bundeskanzler Olaf Scholz. Grüne gegen FPD, CDU gegen alle, FDP gegen Grüne und SPD, SPD gegen FDP. Es ist ein verbales Hauen und Stechen nach dem „Ampel-Aus“. So kritisiert CDU-Landeschef und Ministerpräsident Daniel Günther einen möglichen Wahltermin erst Mitte März. Das sei unverantwortlich. „Olaf Scholz muss die Vertrauensfrage so schnell wie möglich stellen“, so Günther, der sich für einen Urnengang im Januar starkmacht. Seine Begründung: „Die Ampel ist Geschichte.“

In den vergangenen Tagen sei ein Ende der zerstrittenen Koalition mit den Händen greifbar gewesen, so Günther. Wenn Olaf Scholz jetzt die Schuld einseitig auf Christian Lindner schiebe, mache er es sich zu einfach. Das Scheitern liege in der Gesamtverantwortung aller drei Ampel-Parteien. Er erwarte, dass der Bundeskanzler taktische Spielchen sein lasse und schnell für klare Verhältnisse sorge, sagte Günther. „Rot-Grün darf nicht monatelang vor sich hindümpeln. Wir brauchen schnell Neuwahlen – auch mit Blick auf das Wahlergebnis in den USA.“

Das sagt Daniel Günther zum „Ampel-Aus“ und eine mögliche Koalition mit den Grünen

Wie geht es nach einer Neuwahl weiter? Eine Neuauflage der „Großen Koalition“ von CDU und SPD wird als eine Option gehandelt, ein schwarz-grünes Bündnis nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins als die andere. Daniel Günther regiert seit zweieinhalb Jahren gemeinsam mit den Grünen. Und das weitgehend geräusch- und konfliktarm. Erst vor wenigen Tagen hatte der CDU-Politiker im Phoenix-Podcast „Unter 3“ seinen Unions-Freund Markus Söder scharf angegriffen. Dessen kategorisches Nein zu Koalitionen mit den Grünen sei ein „schwerer strategischer Fehler und unglaubwürdig“. Kritik für den CSU-Chef, Lob für den grünen Bundeswirtschaftsminister: Durch Robert Habecks pragmatische Politik würden die Grünen für breite Teile der Gesellschaft wieder wählbar, sagte Günther. Seine Partei nehme „viel positive Bewegung bei den Grünen“ wahr.

Noch am Mittwochnachmittag hatten führende Grüne in Schleswig-Holstein – bei aller Kritik am desaströsen Erscheinungsbild der „Ampel“ – gehofft, dass sich die drei Parteien noch einmal zusammenraufen können. Ein Scheitern sei „fatal“ und „verantwortungslos“, hieß es. Dann sei der Staat über Monate nicht handlungsfähig. Am Donnerstag kommentierte der grüne Fraktionschef im Kieler Landtag, Lasse Petersdotter, das Scheitern so: „Der gestrige Tag war ein politischer Fiebertraum. Es ist gut, endlich Klarheit zu haben. Mit der FDP war kein verantwortungsbewusster Haushalt zu machen.“ Aus Sicht des grünen Umweltministers Tobias Goldschmidt zerbrach die Koalition an der „ideologischen Halsstarrigkeit der FDP und am Ego ihres Vorsitzenden“. Jetzt gehe es darum, die Gesellschaft zusammenhalten, den Bürgern und der Wirtschaft Planungssicherheit zu geben.

FDP greift vor allem den Bundeskanzler an

Serpil Midyatli, die Partei- und Fraktionschefin der SPD, hält Bundeskanzler Scholz für den „Stabilitätsanker in der Regierung“. Die SPD sei bereit gewesen zu harten und ernsthaften Verhandlungen. Aber Christian Lindner habe „nicht nur den Bogen überspannt, sondern das Aus der Koalition mit viel Anlauf und Getöse provoziert“, sagt Midyatli. Der FDP-Vorsitzende habe seine Partei vor das Land gestellt und das Vertrauen des Kanzlers verspielt. „Dafür muss er zu Recht gehen.“ Wie bei allen anderen Parteien hat auch bei der SPD am Mittwochabend der Bundestagswahlkampf begonnen. Ihre Partei kämpfe für sichere Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und mehr Investitionen in Deutschland, sagte Midyatli.

Oliver Kumbartzky, der FDP-Landesvorsitzende im Norden, sieht die Schuld für das Platzen der Koalition in erster Linie beim Bundeskanzler. Die FDP habe seit Monaten eine Wirtschaftswende eingefordert und dafür konkrete Vorschläge gemacht. Kumbartzky verweist auf Ideen seiner Partei zum Abbau der Bürokratie, zu einer geringeren Steuerlast und stärkeren Kontrollen bei der Migration. „Der Bundeskanzler hingegen hat lange Zeit nicht wahrhaben wollen, wie es um unsere Wirtschaft steht.“ Stattdessen habe sich Olaf Scholz für den sofortigen Bruch der Koalition entschieden und Deutschland damit in eine Phase der Unsicherheit geführt. „Der Bundeskanzler muss jetzt zügig Neuwahlen auf den Weg bringen.“ Aus Sicht der FDP steht das Land vor einer Richtungsentscheidung. „Wir brauchen eine neue Ära von Wachstum, Innovation und Wohlstand.“

Unternehmer: Schuldenbremse lockern!

Aus Sicht von IHK-Präsident Hagen Goldbeck trifft die durch den Koalitionsbruch entstandene politische Unsicherheit die Wirtschaft zur Unzeit. Es brauche eine handlungsfähige Regierung, die die Energiekosten senke, eine investitionsfreundliche Steuerpolitik mache und Bürokratie abbaue. „Wir hoffen deshalb auf eine kurze Übergangsphase.“

Ken Blöcker vom Unternehmensverband Unterelbe-Westküste fordert die Aufweichung der Schuldenbremse und „möglicherweise unpopuläre Maßnahmen, um die Wirtschaft wieder auf Spur zu bringen. Das Aus der Ampel sei besser als politischer Stillstand. „Unternehmen brauchen Verlässlichkeit. Wir brauchen schnellstmöglich eine stabile Regierung.“, forderte Blöcker.

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Der CDU-Nachwuchs spricht von einem „unsäglichen Hin und Her der Ampelregierung“, das endlich ein Ende gefunden habe, sagte der Vorsitzende der Jungen Union in Schleswig-Holstein, Felix Siegmon. „Die schlechte Regierungsarbeit der Ampelkoalition hat für ein Erstarken der extremen Ränder gesorgt. Es ist nun wichtig, dieses Kapitel abzuschließen.“