Kiel/München. Schleswig-holsteinischer Ministerpräsident greift bayerischen Amtskollegen und Unions-Freund scharf an: Schwerer strategischer Fehler.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) legt im Richtungsstreit mit CSU-Chef Markus Söder nach und greift den bayerischen Regierungschef direkt an. Söders kategorisches Nein zu einer Koalition mit den Grünen sei ein „schwerer strategischer Fehler“, sagte Günther in einem Podcast des TV-Senders Phoenix. Damit kette sich die Union mangels Alternativen an die schwächelnde SPD. Stattdessen müsse sie bereit sein, mit allen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten. „Das stärkt die eigene Handlungsfähigkeit“, so Günther.
Ganz am Ende reduziert sich der vordergründige Streit um eine mögliche oder unmögliche Koalition der Union mit den Grünen auf eine Frage: Merz oder Söder? Führt der Mann aus dem Sauerland die Union in den Bundestagswahlkampf – oder wird es der Mann aus Franken sein? Denn trotz aller Treueschwüre: In Teilen der CDU glauben sie nicht an das Loyalitätsversprechen des CSU-Politikers. Vielmehr gilt Söders Ehrgeiz in eigener Sache als ungebremst. Vor diesem Hintergrund ist der öffentliche Streit zwischen dem Bayern und dem Schleswig-Holsteiner zu sehen, der jetzt einen neuen Höhepunkt erreicht hat.
Daniel Günther: Lob für Robert Habeck, Häme für Markus Söder
Günther, obwohl keiner von Merz’ Best Buddys, steht fest an dessen Seite. Und so arbeiten sich der Norddeutsche und der Süddeutsche direkt aneinander ab, wenngleich mit Söders Kritik immer auch Merz gemeint ist. Das geht seit Wochen so. Das Abendblatt zeichnet den Konflikt nach: In einem Interview mit dem Deutschlandfunk lobt Günther Klimaschutz, verweist auf schwarz-grüne Erfolge in Kiel und warnt davor, ein Bündnis mit der Ökopartei auszuschließen. Adressat der Kritik ist Markus Söder, ohne dass Günther den Namen des Bayern nennt.
Dessen Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Der „Daniel“ und der „Hendrik“ (NRW-Ministerpräsident Wüst) sähen sich und ihr Projekt Schwarz-Grün, aber nicht das Große und Ganze. Was Söder als Großes und Ganzes versteht, folgt zugleich: Demnach lande die Union bei der Bundestagswahl deutlich unter 30 Prozent, sofern sie eine Koalition mit den „linksideologischen Grünen“ nicht kategorisch ausschließe. „Seien wir ehrlich: Schwarz-Grün ist ein toter Gaul“, sagt der Bayer dem Sender „Welt-TV“.
Nein zu Koalition mit Grünen ein „schwerer strategischer Fehler“
Jetzt kontert Günther via Phoenix. Klar, direkt und unter Nennung dessen Namens. Es sei Söder-typisch, mit Unterstellungen zu arbeiten, um die eigene Position zu stärken, so Günther. Voller Häme sagt der Politiker aus Eckernförde, Söder sei „frei von Egoismen“. Der Bayer mache Politik ausschließlich auf sich schauend, ironisiert Günther den Wankelmut und Populismus, der Söder unterstellt wird.
Dessen Nein zu einer Koalition mit den Grünen sei ein „schwerer strategischer Fehler“ und zudem unglaubwürdig, sagt Günther im Podcast „unter 3“ des TV-Senders Phoenix. „Das nimmt uns doch kein Mensch ab, wenn wir gleichzeitig in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit ihnen koalieren.“
Schwarz-Grün im Norden funktioniert geräuschlos
Was Daniel Günther nicht explizit sagt, aber meint, ist: geräuschlos und vertrauensvoll mit den Grünen zu koalieren. Das genau macht der Schleswig-Holsteiner seit knapp zweieinhalb Jahren. Trotz massiver Sparzwänge wartet die Opposition bislang vergebens auf Zerwürfnisse oder Soll-Bruchstellen in der schwarz-grünen Küsten-Koalition. „Ich kann Ihnen aus dem täglichen Geschäft sagen: Thematisch trennen CDU und Grüne auch in Schleswig-Holstein oft Welten“, so Günther in dem Gespräch. „Aber wir arbeiten vertrauensvoll zusammen.“ Auch, weil es zwischen den handelnden Personen passe, das sei die Voraussetzung.
So ist das Binnenverhältnis im Kabinett trotz des Rücktritts der Günther-Vertrauten Monika Heinold als grüne Finanzministerin im Sommer stabil und gut, auch die Fraktionschefs arbeiten eng zusammen. Ein freundschaftliches Verhältnis pflegt Günther mit Robert Habeck. Zu Beginn von Günthers erster Amtszeit als Regierungschef (2017 bis 2022) war der heutige Bundeswirtschaftsminister stellvertretender Ministerpräsident im Kieler „Jamaika-Kabinett“.
Günther: In der „Ampel“ haben Grüne viel für eigene Klientel gemacht
Habeck mache im Moment viel richtig, lobt Günther im Podcast. Durch dessen pragmatische Politik würden die Grünen für breite Teile der Gesellschaft wieder wählbar. Die Union nehme „viel positive Bewegung bei den Grünen“ wahr, so Günther in Richtung Söder. Dieser „Pragmatismus“ und die „positive Bewegung“ ist aus Günthers Sicht dringend nötig, um die Grünen für die Union koalitionsfähig auf Bundesebene zu machen. Denn nach der grünen Euphorie vor einigen Jahren sei die Partei selbst verschuldet und massiv in der Wählergunst abgesackt.
Der Erfolg vergangener Jahre habe auch daran gelegen, dass die Grünen ihre Mitglieder und deren Forderungen „vor der Öffentlichkeit versteckt“ hätten, so Günther. „In der Ampel-Koalition hat die Partei dann sehr viel für die eigene Klientel gemacht. Stichwort Heizungsgesetz. Aber sie haben nicht gesehen, was das mit der Gesellschaft anrichtet.“ Habecks Weg, die Grünen in großen Teilen der Gesellschaft wieder wählbar zu machen, könne erfolgreich sein.“
Daniel Günther: „Bevormundungspolitik geht den Menschen auf den Zeiger“
Noch aber gehe die grüne Bevormundungspolitik „den Menschen auf den Zeiger“, so Günther. Die Leute im Land sehnten sich nach der Freiheit, möglichst viele Dinge ohne allzu viel Bürokratie selbst zu regeln. Deshalb unterstütze er „voll die Linie“ von Friedrich Merz: Eine Koalition mit den Bundes-Grünen der vergangenen drei Jahre könne es nicht geben, sagen Günther und Merz. Was sie nicht explizit sagen: mit anderen, pragmatischen Grünen allerdings schon. Siehe: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Siehe: Robert Habeck und dessen Versuch, die Partei in der Mitte der Gesellschaft neu zu verorten.
Günther eint mit Habeck die Überzeugung, Klimaschutz voranzutreiben und die deutsche Wirtschaft transformieren zu müssen. Wie ein Mantra bedient er den Spruch vom „ersten klimaneutralen Industrieland“, zu dem er Schleswig-Holstein machen wolle. Dass sich die anderen Parteien beim Klimaschutz bewegt hätten, sei ein grüner Erfolg, lobt der CDU-Politiker.
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Kein „gutes Haar“ lässt Günther an der Bundesregierung von SPD, FDP und Grünen. So sei die Zusammenarbeit der Bundesländer mit dieser Koalition so „schlecht wie nie zuvor und wenig vertrauensvoll“, sagte Günther im Phoenix-Podcast. Die Bundesregierung ziehe nicht an einem Strang, es fehle an einer gemeinsamen Linie zwischen den drei Partnern. „Das spürt man in den gemeinsamen Sitzungen mit der Ministerpräsidentenkonferenz fast schon körperlich“. Günther sieht die demokratischen Parteien in der Pflicht, wieder zu einem besseren Miteinander zu kommen. „Wir müssen zu gemeinsamen Lösungen kommen und das Signal geben, dass wir an einem Strang ziehen.“