Kiel. Weil andere Bundesländer weniger Einwohner haben als gedacht, kassiert Schwarz-Grün rund 226 Millionen Euro mehr. Gespart wird trotzdem.
Es klingt auf den ersten Blick paradox: Weil in den anderen Bundesländern weniger Menschen leben als gedacht, kassiert Schleswig-Holstein deutlich mehr Steuern. Wie das zusammenhängt? Die Länder erhalten Steuerzuweisungen durch den Bund für Aufgaben, die sie übernehmen. Je mehr Einwohner, desto höher die Überweisungen.
Beim jüngsten Zensus kam heraus, dass die Einwohnerzahl in Schleswig-Holstein offensichtlich ganz gut geschätzt wurde, die anderer Länder aber deutlich überzogen war. Das heißt in Euro: Schleswig-Holstein kann in den nächsten Jahren mit insgesamt rund 226 Millionen Euro höheren Steuereinnahmen rechnen als zunächst erwartet. Das sagte Finanzministerin Silke Schneider am Dienstag, als sie die Herbst-Steuerschätzung vorstellte.
Schleswig-Holstein kassiert deutlich mehr Steuern als erwartet
„Ohne diese Korrektur der Einwohnerzahl würden die erwarteten Steuereinnahmen bis 2028 deutlich geringer ausfallen als noch im Mai geschätzt. Aber durch die Effekte des Zensus 2022 verbessern sich die Steuereinnahmen in Schleswig-Holstein spürbar“, sagte die Politikerin der Grünen. Allerdings stünden den Mehreinnahmen geplante Steuerentlastungen und erhebliche zusätzliche Ausgaben entgegen.
Aufgeschlüsselt auf die einzelnen Jahre, verteilen sich die 226 Millionen Mehreinnahmen so: Dieses Jahr gibt es 109 Millionen Euro mehr, 2025 rund 33 Millionen Euro, 2026 rund 52 Millionen, 2027 rund 28 Millionen Euro und 2028 rund vier Millionen Euro. Schneider erwartet, dass Schleswig-Holstein im Jahr 2029 rund 15,6 Milliarden Euro insgesamt einnehmen wird. Das ist angesichts der weiter steigenden Ausgaben nicht genug. Und so macht sich die Finanzministerin für neue Einnahmequellen stark.
Steuereinnahmen in Deutschland sind „ein kleiner werdender Kuchen“
Schneider warb in der Pressekonferenz für die Reformen von Schuldenbremse und Erbschaftssteuer. Alternativ könne auch die ruhende Vermögenssteuer reaktiviert werden. Nur fällt das in die Kompetenz des Bundes. Für die Reform der Schuldenbremse wäre auch die Zustimmung der Bundes-CDU nötig, die Friedrich Merz bislang kategorisch verweigert. „Wir müssen über neue Einnahmemöglichkeiten sprechen“, forderte Schneider angesichts nötiger Investitionen von vielen Milliarden Euro in die Stabilisierung der Wirtschaft und in die Sanierung der maroden Infrastruktur. „Die Bedarfe sind sehr hoch, wir müssten viel schneller und viel mehr investieren“, warb Schneider für eine „maßvolle Reform der Schuldenbremse“.
Auch wenn die jüngsten Zahlen ein ganz leichtes Plus beim Wachstum sehen – eine echte Erholung der Wirtschaft ist nicht in Sicht. Mit Blick auf die gesamten Steuereinnahmen in Deutschland sprach Schneider von einem „kleiner werdenden Kuchen für Bund und Länder“. Auch für Schleswig-Holstein, denn das Land laufe angesichts der 226 Millionen zusätzlicher Einnahmen nur auf den ersten Blick gegen diesen Trend. „Ohne den Zensuseffekt hätten wir bis 2028 Steuermindereinnahmen von 803 Millionen Euro“, so Schneider.
Finanzministerin Schleswig-Holsteins erteilt zusätzlichen Ausgaben eine Abfuhr
Zudem sei das Steuerplus in Teilen zweckgebunden, zum Beispiel für den Ausbau des Kita-Angebots oder die Finanzierung der öffentlichen Gesundheitsversorgung. „Wir können mit dem Plus nicht frei gestalten“, sagte Schneider. Sie verwies auch auf Steuerentlastungen, die der Bund für das kommende Jahr plant und die die Bundesländer finanziell treffen. So geht Schneider allein für das Jahr 2028 von 250 Millionen Euro Steuern aus, die weniger in Schleswig-Holstein landen.
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Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die bundesweit einbrechenden Gewerbesteuereinnahmen erteilte Schneider zusätzlichen Ausgaben durch die schwarz-grüne Landesregierung eine Abfuhr: „Die Konsolidierung des Haushalts ist daher unverändert oberstes Ziel.“
Massive Kritik an der Finanzpolitik des Landes kommt von der SPD und der FDP. Laut Sozialdemokratin Beate Raudies zeichne die jüngste Steuerschätzung „ein alarmierendes Bild für die Finanzlage des Landes. Die Entwicklungen zeigen, dass die Günther-Regierung die Herausforderungen nicht richtig eingeschätzt hat und schlecht vorbereitet ist.“ Für Annabell Krämer von der FDP ist die Entwicklung des Steueraufkommens der „vielleicht deutlichste Gradmesser für die Effektivität einer Wirtschaftspolitik. In Schleswig-Holstein zeigen Daniel Günther und seine Koalition mit den heute vorgestellten Zahlen, dass sie es nicht können.“