Kiel/Berlin. Schleswig-holsteinische Initiative erfolgreich: Bundesrat beschließt einstimmig, dass auch Pflegefamilien Elterngeld bekommen sollen.

Die Zahl der Kinder, die zu ihrem eigenen Schutz und zur besseren Entwicklung in Pflegefamilien in Schleswig-Holstein untergebracht werden, geht zurück. Waren es im Jahr 2015 noch 3389, so sank deren Zahl bis Ende 2022 um mehr als 200 auf 3157. Aktuellere Zahlen liegen den Jugendämtern im Norden nicht vor. Während die Zahl der Pflegefamilien sinkt, steigt der Betreuungsbedarf. Auf diese alarmierende Entwicklung hat das schleswig-holsteinische Sozialministerium mit einer Bundesratsinitiative reagiert. Und die war erfolgreich.

Demnach hat die Länderkammer jetzt beschlossen, dass Pflegeeltern zusätzlich zur bisherigen Pauschale für die Betreuung des Kindes auch Elterngeld bekommen sollen. Bislang erhalten nur leibliche und Adoptiv-Mütter/-Väter staatliches Elterngeld von bis zu 1800 Euro im Monat.

Familie: Zahl der Pflegeeltern sinkt – jetzt soll es mehr Geld geben

Als Nächstes muss sich die Bundesregierung mit dem Entschließungsantrag der Länderkammer befassen. „Das Elterngeld für Pflegeeltern ist längst überfällig. Jetzt ist es an der Bundesregierung, ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und das Elterngeld für Pflegeeltern zügig auf den Weg zu bringen.“ So kommentiert Sozialministerin Aminata Touré den Beschluss des Bundesrates.

Darum geht es: Bislang bekommen Schleswig-Holsteiner im Monat zwischen 1151 und 1445 Euro, wenn sie ein Pflegekind bei sich aufnehmen. Die Höhe ist gestaffelt und hängt vom Alter des Mädchens oder des Jungen ab. Für Null- bis Sechsjährige gibt es 1151 Euro, für bis Zwölfjährige 1284 und für Teenager 1445. Das klingt nach einer auskömmlichen Finanzierung – aber nur auf den ersten Blick. Denn die Jugendämter erwarten, dass zumindest ein Elternteil insbesondere im ersten Jahr des Pflegeverhältnisses Vollzeit für das Kind da ist – wegen der besonderen Fürsorge, die dann nötig sei. Das heißt für die meisten Pflegeeltern, auf ein Gehalt zu verzichten und sich eine Auszeit vom Job zu nehmen. Das muss man sich leisten können.

Weniger Pflegefamilien heißt: mehr Kinder in teuren Heimen

„Viele Familien und Alleinstehende müssen sich aus ökonomischen Gründen gegen ein Pflegekind entscheiden“, begründet das Kieler Sozialministerium den Antrag an den Bundesrat. Die Folge sei ein bundesweiter Rückgang an Pflegeeltern bei steigendem Bedarf.

„Weniger Pflegefamilien bedeuten auch, dass mehr Kinder und Jugendliche in kostenintensiven stationären Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden müssen“, sagt die grüne Sozialministerin. Aus ihrer Sicht ist Elterngeld für Pflegeeltern auch aus gleichstellungspolitischer Sicht „dringend notwendig“, so Touré: „Besonders Pflegemütter steigen häufig ganz oder zumindest teilweise aus ihrem Job aus, um sich um die Kinder zu kümmern, und verzichten damit auf ihr Einkommen. Das Elterngeld würde auch zu ihrer Absicherung beitragen.“

Familie: Mehr Kinder in staatlicher Obhut

Das Elterngeld ist eine Art Ersatzleistung des Bundes für das bisherige Einkommen. Nach Angaben der Bundesregierung steht Vätern und Müttern innerhalb der ersten 14 Lebensmonate des Kindes „Basiselterngeld“ zu. Die Eltern können die Monate frei untereinander aufteilen. Das „Basiselterngeld“ beträgt in der Regel 65 Prozent des durchschnittlichen Netto-Einkommens vor der Geburt, allerdings maximal 1800 Euro pro Monat, informiert die Bundesregierung. Auch wer vorher nichts verdient hat, bekommt mindestens 300 Euro Kindergeld pro Monat.

Während die Zahl der schleswig-holsteinischen Kinder, die bei Pflegefamilien leben, auf zuletzt 3157 gesunken ist, ist die der Mädchen und Jungen in staatlicher Obhut in den vergangenen fünf Jahren um 850 gestiegen. Noch mehr Kinder und Jugendliche waren nur in Folge der Flüchtlingskrise 2015/16 in der Betreuung der Jugendämter. Mit dem Rückgang der Pflegefamilien stieg die Zahl der Kinder in Schleswig-Holstein, die in Heimen oder „ähnlichen Wohnformen“ untergebracht werden mussten. Lag sie 2015 noch bei 2441, waren es Ende 2022 schon 600 mehr.

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Das Statistische Bundesamt meldete zuletzt (für 2022) 121.000 Kinder und Jugendliche, die bundesweit in einem Heim betreut wurden, und weitere 86.000, die in einer Pflegefamilie lebten. Gut jedes vierte betreute Kind (27 %) war keine zehn Jahre alt. „Während die jüngeren Kinder bis neun Jahre häufiger in Pflegefamilien betreut wurden, überwog ab dem zehnten Lebensjahr die Erziehung in einem Heim“, schreibt das Statistische Bundesamt. Im Schnitt blieben die Kinder 50 Monate in einer Pflegefamilie und 21 Monate in der Heimunterbringung.