Kiel. Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im schleswig-holsteinischen Haushalt klafft immer weiter. FDP hält Etat für verfassungswidrig.
Trotz der im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse und trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur rechtswidrigen Haushaltspolitik des Bundes macht das Land Schleswig-Holstein im laufenden Jahr 1,65 Milliarden Euro neue Schulden. Das kündigte Finanzministerin Monika Heinold von den Grünen am Dienstag in Kiel an. Zuvor hatte die schwarz-grüne Landesregierung Heinolds Finanzplanung genehmigt. Die sieht Ausgaben von fast 18 Milliarden Euro bei Einnahmen von nur gut 16 Milliarden vor. Um die Lücke zu schließen, verschuldet sich Schwarz-Grün nicht nur neu, sondern bedient sich für die laufenden Ausgaben auch noch an Rücklagen.
Damit das rechtskonform zugeht, hatte der Landtag zunächst auch für 2024 eine Notlage erklärt, die aus laufenden Mitteln nicht finanziert werden könne. So begründet das Land die neuen Schulden.
Schleswig-Holstein nimmt 2024 nicht nur einen, sondern gleich drei Notkredite über 1,5 Milliarden Euro auf. Einen über 573 Millionen Euro begründet Heinold mit dem Blick auf die Corona-Folgewirkungen. Mit dem Geld will sie vor allem Krankenhäuser sanieren und ausbauen, finanziert werden aber auch Investitionen in Schulen und die Ganztagsbetreuung.
FDP hält Etatentwurf für verfassungswidrig
Mit dem Notkredit Nummer zwei über knapp 800 Millionen Euro gibt das Land an, auf Putins Krieg in der Ukraine zu reagieren. Aus diesem „Topf“ werden unter anderem die Ansiedlung von Northvolt (137 Millionen Euro) subventioniert und die Folgekosten für Flucht und Vertreibung sowie Ausgabensteigerungen bei Wohngeld oder Baumaßnahmen finanziert.
Mit dem dritten Notkredit über 154 Millionen Euro plant das Land, die Schäden der Sturmflut an der Ostsee zu beseitigen und die Deiche wieder aufzubauen. Zusätzlich zu den Notkrediten will sich Heinold im Rahmen der „ohnehin zulässigen Verschuldung“ weitere 133 Millionen Euro von Banken leihen, sodass die Neuverschuldung auf 1,65 Milliarden Euro steigt.
Die FDP hält den Haushaltsentwurf für verfassungswidrig. „Die Landesregierung hat jedes Maß verloren. Wer mittlerweile Notkredite in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, das ist fast jeder zehnte Euro des gesamten Landeshaushaltes, in Anspruch nimmt, hat sich endgültig von der verfassungsrechtlich gebotenen Schuldenbremse verabschiedet“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Annabell Krämer. Die Landesregierung müsse endlich Prioritäten setzen. „Bildung, Infrastruktur, Innere Sicherheit und Digitalisierung sind Kernaufgaben des Landes und müssen aus ordentlichen Haushaltsmitteln bezahlt werden“, so Krämer.
Die SPD nennt die Haushaltslage des Landes im siebten Jahr unter Ministerpräsident Daniel Günther „katastrophal“. Sie hält die schwarz-grüne Finanzpolitik für nicht solide und nicht ehrlich. „Die CDU-geführte Koalition ist politisch wie finanziell orientierungslos“, sagte Partei- und Fraktionschefin Serpil Midyatli. Beate Raudies, Finanzexpertin der SPD-Fraktion, fehlen Investitionen in Schulen, in Verkehrsinfrastruktur, Pflege- und Gesundheitsinfrastruktur, Digitalisierung und den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft.
Landeshaushalt: Kiel schafft 545 neue Stellen trotz Schulden
Schleswig-Holstein stellt trotz Milliardenschulden weiter ein. 2024 sind 545 neue Stellen durchfinanziert, darunter 419 für zusätzliche Lehrer, 48 im Bereich der Justiz und 33 bei der Landespolizei. Mit Blick auf den Zustrom von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine schafft Schleswig-Holstein 70 neue –befristete – Stellen in den Landesunterkünften und 76 Jobs für Lehrkräfte im Fach Deutsch als Zweitsprache. Mit 14 neuen Stellen zur Stärkung des Küstenschutzes und für den Wiederaufbau reagiert das Land auf die schwere Herbststurmflut an der Ostsee. Insgesamt machen die Personalausgaben in Schleswig-Holstein rund 5,637 Milliarden Euro aus. Das heißt: Rund ein Drittel aller Ausgaben kassieren die knapp 54.500 Beschäftigten des Landes.
Das sieht der Landesrechnungshof kritisch. Dessen Präsidentin Gaby Schäfer kritisiert, dass die Ausgaben die Einnahmen um fast zwei Milliarden Euro überstiegen. „Es sind dringend Einsparungen erforderlich. Tatsächlich finden sie sich im Haushalt an keiner Stelle.“ Das Bundesverfassungsgericht habe einer solchen Finanzpolitik sehr deutlich einen Riegel vorgeschoben und hohe Anforderungen an die Zulässigkeit von Notkrediten formuliert. „Danach sind Zweifel berechtigt, ob der Haushaltsentwurf 2024 diesen Anforderungen standhält.“
Im Haushalt von 2025 klafft eine Lücke von fast 600 Millionen Euro
Die grüne Finanzministerin begründet die neuen Kredite mit den „außerordentlich herausfordernden Zeiten“. Die Folgen der Corona-Pandemie, die hohen Kosten infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die Sturmflut an der Ostseeküste seien über den regulären Haushalt nicht finanzierbar, so Heinold. „Die Landesregierung ist sich sehr bewusst, dass die Krisen im Ergebnis dazu führen, dass sich die Einnahme- und Ausgabesituation auch in Schleswig-Holstein grundlegend verändert hat. Demzufolge sind im Haushalt 2024 erste Einsparungen enthalten, weitere werden mit dem Haushalt 2025 folgen müssen“, sagte Heinold.
Die sind auch nöltig, denn im kommenden Jahr erwartet das mit rund 32 Milliarden Euro hochverschuldete Land noch deutlich schlechtere Zahlen. Aktuell klafft in Heinolds und Günthers Finanzplanung für 2025 noch ein Loch in Höhe von beinahe 600 Millionen Euro. Vor dem Hintergrund wirbt die grüne Finanzministerin für eine Reform der Schuldenbremse. Nur: Damit dringt sie beim Regierungspartner nicht durch.
Heinold sieht in ihrem am Dienstag vorgestellten Haushaltsentwurf – der Landtag muss noch zustimmen – eine gute Grundlage, um das Land auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig zu halten. Zudem investieren wir auch weiterhin in Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur, Innere Sicherheit und Klimaschutz. Und wir nutzen die Chance, mit der Ansiedlung von Northvolt an der Westküste die Dynamik unseres Energiewendelandes weiter auszubauen.“
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Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte bei der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs im Landtag davon gesprochen, dass die „vielen gleichzeitigen Krisen und der beschleunigte Wandel den gesellschaftlichen Zusammenhalt strapazieren“. Um den Unsicherheiten und Ängsten der Menschen zu begegnen, hatte der CDU-Politiker „Sparen mit Bedacht und Augenmaß“ angekündigt. Das Land werde im laufenden Jahr vor allem in Bildung, soziale und innere Sicherheit, Klimaschutz, Digitalisierung und Mobilität investieren.