Hamburg. Ein Sylter Fotograf und ein Oldenburger Wissenschaftsjournalist laden mit ihrem Buch zu einer Reise durch das Wattenmeer ein.

Aus der Ferne dringt ein Rauschen. Hinter dem Deich muss es sein, das Meer mit seinem Versprechen von Freiheit, Freude – und Respekt. In der ewigen Monotonie von Ebbe und Flut, von Stille und Sturm, ist die Nordsee eine Metapher für das Leben selbst: Ständig ändert sich alles im Spiel von Wind, Wellen und Wolken und im Glanz von Sonne und Mond.

Ein prächtiger, neuer Bildband hat diese wechselvollen Stimmungen, Konturen und Farben eingefangen: „Wunderwelt Wattenmeer. Das Weltnaturerbe neu entdecken“, erschienen bei Delius Klasing in Bielefeld. Der Band ist eine Entdeckungsreise in das weltweit größte zusammenhängende System aus Sand- und Schlickwatten. Seit 2009 gehört das deutsch-niederländische Wattenmeer zum Weltnaturerbe der Unesco.

Wattenmeer-Bilder vom Sylter Fotografen

Zwar gleicht an den Gestaden des Meeres oder auf hoher See kein Augenblick dem anderen. Aber eigentlich ändert sich im Watt – Welterbe hin oder her – seit Millionen von Jahren gar nichts. „So war es immer schon“, dichtete Theodor Storm (1817–1888), der Schriftsteller aus Husum, der „Grauen Stadt am Meer“, in „Meeresstrand“.

Die brillanten Fotos mit Spuren der Ewigkeit stammen vom Sylter Fotografen Martin Stock, die Texte vom Oldenburger Wissenschaftsjournalisten Tim Schröder. „Immer wieder bin ich begeistert vom Gezeitenwechsel des Wattenmeeres: Mal ist es graugrün schimmerndes Meer, mal eine riesige, von Prielen durchzogene Wattlandschaft“, sagt Martin Stock, der in Rantum lebt. „Mit jeder Tide zeichnen Wellen und Gezeiten magische Formen und dynamische Strukturen in den Meeresboden. Eine Landschaft von atemberaubender Schönheit.“

Mit jeder Tide zeichnen Wellen und Gezeiten neue Formen und dynamische Strukturen in den Meeresboden.
Mit jeder Tide zeichnen Wellen und Gezeiten neue Formen und dynamische Strukturen in den Meeresboden. © Unbekannt | Martin Stock

Wellen und Wogen, Priele und Muscheln – und ein Fuchs

Der Fotograf hat sie einfangen mit Bildern, die begeistern oder den Betrachter staunend still werden lassen. Da sind Wellen und Wogen, Priele und Muscheln, und da ist der kecke Austernfischer, eine der fünf häufigsten Vogelarten im Wattenmeer. Der schwarz-weiß gemusterte Vogel mit dem quietsch-orangenen Schnabel zieht die Blicke auf sich. Vor allem wegen seiner durchdringenden Stimme, schreibt Tim Schröder. Wenn er vorbeifliegt, ist sein helles „Kliep-kliep“ weithin zu hören.

Und da ist das Foto eines Fuchses, der in den Salzwiesen auf Jagd geht, selbst wenn er dabei einmal nass werden sollte. Weil es immer mehr von ihm gibt, haben sich viele Vögel aus den Brutgebieten am Festland zurückgezogen. So ist das Wattenmeer der Lebensraum von Jägern und Gejagten und nicht nur ein geschütztes Weltnaturerbe.

Wattenmeer ist Zuhause zahlreicher Tier- und Pflanzenarten

Das Wattenmeer bietet viele verschiedene Lebensräume und damit ein Zuhause für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die andernorts selten sind. Rund 10.000 Arten von einzelligen Organismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren wie Würmer und Muscheln, Fische, Vögel und Säugetiere leben hier. Jedes Jahr legen rund 10 bis 12 Millionen Vögel auf ihrer Durchreise von den Brutgebieten in Sibirien, Skandinavien oder Kanada zu ihren Überwinterungsgebieten in Westeuropa und Afrika oder zurück eine kurze oder längere Rast im Wattenmeer ein.

Eine kleine Robbe sonnt sich auf einer Sandbank.
Eine kleine Robbe sonnt sich auf einer Sandbank. © Unbekannt | Martin Stock

Das Buch setzt markant mit „Stimmungen im Watt“ ein, um in 13 weiteren Rubriken die gestaltenden Kräfte von Ebbe und Flut und die verborgene, geheimnisvolle Vielfalt zu thematisieren. Vögel und Robben, Muscheln und Würmer, ja sogar die Blütenpflanzen unter Wasser rücken in den Fokus von Fotograf und Textautor.

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Emotionale Beziehung zum Meer wird in Bildband deutlich

Man bedarf einer besonderen emotionalen und intellektuellen Beziehung zum Meer und seinen Geschöpfen, um so kundig zu schreiben und voll Empathie zu fotografieren. Martin Stock hat Biologie studiert und arbeitet heute als Biologe und Fotograf im Nationalpark schleswig-holsteinisches Wattenmeer. Tim Schröder hat neben Biologie auch Meeresphysik studiert.

Martin Stock/Tim Schröder: „Wunderwelt Wattenmeer – Das Weltnaturerbe neu entdecken“, 160 Seiten,
Preis: 19,90 Euro
Martin Stock/Tim Schröder: „Wunderwelt Wattenmeer – Das Weltnaturerbe neu entdecken“, 160 Seiten, Preis: 19,90 Euro © Unbekannt | delius klasing verlag

Wie alle Schönheit auf Erden ist auch das Wattenmeer bedroht. Schadstoffeinträge gefährden es ebenso wie der Klimawandel mit dem Artensterben. Von den Gefahren für diesen fragilen Lebensraum, dem Schatten, der über diesem Paradies schwebt, handelt das Buch gleichermaßen.

Schutz des Wattenmeers ist "Geschenk an die Menschheit"

„Dass das Wattenmeer in ganzer Größe unter Schutz steht, ist letztlich nicht nur für Pflanzen und Tiere von Bedeutung, sondern – ganz im Sinne des Naturerbe-Gedankens – tatsächlich auch ein Geschenk an die Menschheit“, heißt es in dem Bildband.

Mit so vielen Bildern und Informationen lädt das Buch dazu ein, endlich mal wieder das Wattenmeer zu besuchen. Ob Corona oder nicht: Zu jeder Jahreszeit eröffnet es neue Horizonte, macht den Kopf frei, spricht alle Sinne an. Das Meer berührt die Seele. Und der neue Bildband ebenfalls.