„Grün – Das Buch zur Farbe“ versammelt Wissenswertes und kuriose Fakten. Die Buchkritik vom Abendblatt.

Man muss nicht mal die politische Farbenlehre bemühen oder in diesem Februar an den (Vor-)Frühling denken – Grün gilt für viele noch immer als die Hoffnung. Die Farbe steht für Natur, für deren stete Erneuerung, für Fruchtbarkeit und für Wachstum. Gleichzeitig wirkt die Mischung aus vorwärtsdrängendem Gelb und dezentem Blau für die meisten entspannend.

Ein neues Werk aus dem Dudenverlag beschreibt, wie und wo die Farbe Grün Einzug gehalten hat. Auch deshalb hat Autor Hermann Josef Roth „Grün – Das Buch zur Farbe“ gleich in 15 verschiedene Kategorien unterteilt. Entstanden ist ein ungewöhnliches Sammelsurium mit teils überraschenden Fakten und kuriosen Geschichten aus Literatur, Kunst und Kultur, aus Religion und weiteren Disziplinen. Auch Redensarten und Sprichwörter fehlen nicht.

Roth, Jahrgang 1929, emeritierter Professor für Pharmazie und später als bildender Künstler tätig, kann seinen naturwissenschaftlichen Hintergrund nicht verleugnen. Das macht die ersten, detailreichen Kapitel des Buches etwas mühsam zu lesen. Jedoch wird Roths Ziel, die Trennung von Wissenschaft und Kunst zu überwinden, im Fortgang deutlich. Und bei „seinem“ Thema Medizin und Pharmazie wird es anschaulich, wenn Roth vom „Grünen Türken“ über den „Roten Libanesen“, „Schwarzen Afghanen“ und „Gelben Marokkaner“ zurück zur Farbe Grün kommt: Vom „Grünen Gold“ spreche man, wenn es um die Vermarkung jener Cannabis-Produkte gehe. Darüber, weshalb Ärztinnen und OP-Pfleger im Operationssaal statt wie früher weiße heute grüne Kittel tragen, klärt er ebenso auf – die Farbe habe auch bei angespannten Chirurgen eine beruhigende und ausgleichende Wirkung.

Viele Kategorien sind angereichert mit (grünen) Farbfotografien und Bildern. Und Roth hat ein Faible für Listen: Bei Kunst und Kultur weist er nach, dass Maler August Macke beim Spiel mit den Komplementärfarben Rot und Grün letztere mehrmals in Titeln seiner Gemälde festhielt: Seine „Dame in grüner Jacke“ entstand übrigens wie Ernst Ludwig Kirchners „Frau in grüner Jacke“ im Jahr 1913. Und bei der Musik steigt Roth vom „Grünen Hügel“ des Bayreuther Opernhauses über Pop und Rap bis zur Volksmusik hinab („Grün ist die Heide“).

Die Literatur macht das längste Kapitel aus. Hier führt Roth 45 Dichter und Denker aus 350 Jahren mit Zitaten auf. Dass Grün nicht bloß für Hoffnung auf ein erfülltes Leben steht, zeige Gottfried Kellers autobiografischer Roman „Der grüne Heinrich“, analysiert er. Die grüne Kleidung des Protagonisten stehe auch für Unreife und Unerfahrenheit in Sachen Liebe. Doch wie schrieb schon der im Buch gleichfalls zitierte Heimatdichter Hermann Löns: „Ja grün ist die Heide / Die Heide ist grün / Aber rot sind die Rosen /Wenn sie da blühn.“ Darauf müssen wir noch einige Monate warten. Grün allein reicht eben nicht - es braucht auch eine Komplementärfarbe.

Hermann Josef Roth: „Grün – Das Buch zur Farbe“, 208 S., Preis: 22,-, Dudenverlag