Wie schreibt man eine Geschichte über ein Gebiet, das einem nicht wirklich vertraut ist? Abendblatt-Autorin Susanna Bloß erzählt von ihrer Entdeckungsreise, in eine der intaktesten Stromlandschaften Europas.
Die „Elbe zwischen Geesthacht und Hitzacker“ - mein Thema für die Ausflugsserie im Hamburger Abendblatt. Auch wenn ich seit acht Jahren in Hamburg lebe, muss ich zugeben: Anfangs wusste ich nicht viel über diese Region. Sicher, ich habe schon einige Fotos der schönen Fachwerkstadt Lauenburg gesehen, und weiß, dass das Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht zu finden ist. Aber schnell ist Schluss mit den Kenntnissen. Für einen guten Artikel reicht das natürlich nicht aus. Ich muss also mehr über die Gegend in Erfahrung bringen. Nachdem ich eingehend das Internet studiert habe und viele nützliche Informationen bereits online fand, ist es gerade bei Reisegeschichten wichtig, selbst einmal vor Ort gewesen zu sein. Und bei der Elbe als Themenvorgabe, da liegt es auf der Hand: Diesen Flussabschnitt möchte ich in Kombination mit einem Bootsausflug kennen lernen.
Als erstes rufe ich bei der Touristen-Information in Hitzacker an. Die freundliche Dame am Telefon ist fachkundig. Sie berät mich ausführlich, gibt mir wichtige Anregungen und Hinweise für die Gegend und weißt darauf hin, dass die Elbe nicht nur auf dem Wasserweg zu erkunden ist, sondern auch wunderbar zu Fuß oder mit dem Rad. Doch mein Entschluss steht fest, und ein Platz auf der „MS Hamburger Deern“ und der „MS Hilde“ schnell reserviert.
Und so kommt der erste Sonntag im Mai, an dem ich einen ganzen Tag stromaufwärts durch die Elbtalaue schippern werde. Seit Wochen sind die Temperaturen sommerlich warm, perfekt für einen Schiffsausflug. Doch ausgerechnet an diesem Tag bedecken graue Wolken den Himmel und es regnet in Strömen. Zum Glück hat sich das miese Wetter nicht auf die Stimmung an Bord übertragen.
Zu meinem Erstaunen ist die Tour fast ausgebucht. Einige wagen es in den kurzen Regenpausen, auf dem Freideck Platz zu nehmen, die anderen genießen die schöne Landschaft vom geschützten Unterdeck aus. Bei Kaffee, Kuchen und kleineren Snacks ziehen grüne Deiche, Auwälder, ausgedehnte Überflutungsflächen und kleine Dörfer an uns vorbei - immer wieder untermalt von Ude Donichts amüsanten und lehrreichen Erzählungen. Das Hamburger Original ist seit über 50 Jahren als Fremdenführer unterwegs und bringt seine Liebe zur Hansestadt und der Elbe in fast jedem Satz zum Ausdruck.
In Lauenburg wechseln wir das Schiff. Weiter geht es mit Kapitän Andreas Heckert auf der „MS Hilde“. Begleiteten uns vorher noch Binnenfrachter und private Sportboote wird es nun auf der Elbe immer ruhiger, bis wir schließlich mit der unberührten Natur alleine sind. Über unseren Köpfen kreisen Seeadler und Wildgänse, Störche und Reiher staksen durch das Flachwasser am Ufer. Sogar der seltene Kormoran ist zu sehen. Pünktlich um viertel nach sechs legt die „MS Hilde“ in Hitzacker an. Ein Teil der Gäste fährt noch zwei Stunden weiter bis Dömitz. Ich aber steige aus.
Sonntagabend in Hitzacker - viel ist nicht mehr los. Einige Besucher schlendern durch die malerische Altstadt, das sehenswerte archäologische Zentrum und das alte Zollhaus - das heute ein Museum ist - haben leider schon geschlossen. Ich werfe einen letzten Blick auf die Elbe. Einen schönen Abschluss zaubert die doch noch im Laufe des Tages erschienene Sonne. Sie taucht den Abendhimmel und den Fluss in ein leuchtendes Rot. Bevor es mit dem Bus zurück nach Hamburg geht, lasse ich diese Entdeckungsreise bei ofenfrischer Pizza und dem besten Latte Macchiato, den ich seit langem getrunken habe, ausklingen - eine Reise, in eine der „intaktesten Stromlandschaften Europas“, wie ich im Vorfeld immer wieder gelesen habe und mich nun selbst davon überzeugen konnte.