Verwinkelte Fachwerkstädte und ursprünglichste Natur: Bei einer Schiffstour die Elbe hoch gibt es reizvolle Gegensätze zu entdecken.
Pünktlich um zwei Uhr nachmittags legt die MS "Hilde" in Lauenburg ab. Der Blick fällt auf die hoch aufragende Maria-Magdalenen-Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Umsäumt von den historischen Fachwerkhäusern der Altstadt erhebt sich im Hintergrund der Schlossberg, auf dem die Überreste des Lauenburger Schlosses, bis zum 15. Jahrhundert die Lauenburg, stehen. Die einst imposante Anlage - sie gab dem Herzogtum Lauenburg seinen Namen - wurde 1616 durch einen Brand weitgehend zerstört. Nur zwei Gebäude haben das Feuer überstanden, die heute das Amtsgericht und die Stadtverwaltung beherbergen. In der Mitte des Schlossbergs erhebt sich der mächtige Geschützturm aus dem Jahre 1477. Gleich unterhalb der Schlossmauern hat man einen wunderschönen Blick über die Elbe bis nach Niedersachsen hinein.
Unten am Elbufer sendet der "Rufer" - die Bronzefigur ist das Wahrzeichen der Schifferstadt - einen letzten Gruß an die auslaufende MS "Hilde". Auf Höhe des Elbe-Lübeck-Kanals ziehen schon bald weiße Strände, grüne Auen und bewaldete Höhen rechts und links am Ufer vorbei. Fischer werfen ihre Angeln aus, Schafe weiden auf den Deichen. Knapp 50 Kilometer sind es bis Hitzacker. Bei einem gemütlichen Tempo von zwölf Kilometern pro Stunde wird die MS "Hilde" vier Stunden dafür brauchen.
Bereits im dritten Jahr schippert das knapp 24 Meter lange Schiff von Lauenburg über Hitzacker bis in die Festungsstadt Dömitz und zurück. Mit ihren nur 70 Zentimetern Tiefgang kann "Hilde" ziemlich nahe am Ufer fahren, sodass man einen guten Ausblick auf die abwechslungsreiche Flora und Fauna der Küstenzone hat.
Darüber hinaus sorgt Kapitän Andreas Heckert für eine informative und unterhaltsame Fahrt. Er kennt die Geschichte und Natur der Region so gut wie seine Kommandobrücke. Und ein bisschen Seemannsgarn muss auch sein. Heckerts Anekdoten finden regen Anklang bei den Passagieren. Bei Sonnenschein bietet sich das offene Deck an, vor Regen und Kälte schützt die beheizte Kajüte mit Panoramafenstern. Mitgebrachte Speisen und Getränke dürfen an Bord leider nicht verzehrt werden, aber mit hausgebackenen Kuchen, Suppen und Getränken zu moderaten Preisen ist für das leibliche Wohl gesorgt.
Es ist eine einmalige Landschaft, durch die Heckert sein Schiff mit ruhiger Hand steuert. Trotz Buhnen- und Deichbaus und jahrhundertlangen Wirtschaftens der Menschen ist hier immer noch viel natürliche Stromlandschaft zu entdecken. Mehr als 150 Brutvogelarten sind in den Flussschleifen beheimatet. Die ausgedehnten Überflutungsflächen bieten zahlreichen Tieren reichlich Nahrung. Zwischen knorrigen Eichen und Weiden nisten Wildgänse, Wachtelkönige und Brandenten. Immer wieder sind mächtige Storchennester auf den Giebeln der alten Höfe zu sehen. Seeadler kreisen hoch am Himmel und mit etwas Glück zeigt sich sogar der scheue Biber oder seltene Kranich.
Zum Schutz dieses einzigartigen Naturreichtums hat die Unesco den größten Teil der Elbtalaue 1997 zum Biosphärenreservat "Flusslandschaft Elbe" geschlagen. Dieses Schutzgebiet umfasst 343 000 Hektar und erstreckt sich in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
Wer mehr über das Biosphärenreservat erfahren möchte, sollte in Bleckede von Bord gehen und das Elbschloss besuchen, in dem sich ein Informationszentrum samt Ausstellung und Umweltwerkstatt befindet. Aufgrund der vielen gut erhaltenen Fachwerkhäuser ist Bleckede Teil der mehr als 2000 Kilometer langen Deutschen Fachwerkstraße, die 1990 ins Leben gerufen wurde. Durch den Ort führt auch der knapp 1000 Kilometer lange Elberadweg.
Am frühen Abend erreicht die "Hilde" die nächste Fachwerkstadt: Hitzacker mit seinen verwinkelten Gassen und geschichtsträchtigen Bauten. Von hier aus kann man mit dem Zug oder dem Bus zurück nach Hamburg fahren. In den zahlreichen Gasthäusern bieten sich aber auch gemütliche Übernachtungsmöglichkeiten an. Wer länger in dem anerkannten Luftkurort bleibt, sollte unbedingt dem Museum im Alten Zollhaus mit Ausstellungen zur Stadtgeschichte und zur Elbe einen Besuch abstatten. Das Alte Zollhaus ist außerdem Startpunkt für Abenteuerlustige, die zu einem Rundgang mit dem Nachtwächter aufbrechen wollen. Mit einer Fackel in der Hand geht es immer am letzten Freitag im Monat um 22 Uhr zu den "Gebeinen unterm Sofa" und dorthin, wo ganz Hitzacker an die "große Liebe" glaubt.
Eine weitere Besonderheit befindet sich am südlichen Rand der Stadt. Dort machte man 1969 erste Funde aus der jüngeren Steinzeit. Bei Bauarbeiten am Hitzacker See kamen bei Grabungen Keramikscherben und Hausgrundrisse zum Vorschein. Ein Beleg dafür, dass schon um 3000 v. Chr. Menschen am Hitzackersee siedelten. Und auf dem Weinberg neben der heutigen Altstadt bauten Slawen im achten Jahrhundert eine Burg. Wo man die Steinzeitfunde ausgegraben hat, steht heute das Archäologische Zentrum (Tel. 05862/67 94). Das Freilichtmuseum bietet dem Besucher die Möglichkeit sich aktiv davon eine Vorstellung zu machen, wie das Leben in Stein- und Bronzezeit gewesen sein könnte. Aus der Bronzezeit konnten hier drei Langhäuser, ein Grubenhaus und ein Totenhaus wiederaufgebaut werden.
Morgen lesen Sie: Die Lauenburgische Seenplatte - Ein bisschen fühlt es sich hier an wie am Ende der Welt - aber das ist wunderschön! Durch die Seenplatte zwischen Ratzeburg und Zarrentin ging früher der Todesstreifen. Heute erstreckt sich hier eine grün-blaue Traumlandschaft.