Elephant Island/Antarktis. Ein schillernder Hamburger Biologe als Expeditionsleiter: Hans-Joachim Spitzenberger verrät die Geheimnisse seines Jobs.
Bevor die Gäste der „MS Bremen“ in kleinen Gruppen am Strand mit der Königspinguin-Kolonie eintreffen, ist der Hamburger Expeditionsleiter Hans-Joachim „Ha-Jo“ Spitzenberger längst da. Mit seinem Team hat er auf der subantarktischen Insel Südgeorgien den Strand von Salisbury Plain inspiziert und Markierungen für den Weg absteckt. Schließlich sollen Pinguine, Pelzrobben und andere polaren Tiere von den Kreuzfahrern nicht gestört werden.
Dann trifft das erste Zodiac-Boot ein. Die Passagiere tragen rote Polar-Jacken, Schwimmwesten und Gummistiefel, es wird eine nasse Anladung im südlichen Atlantik. Spitzenberger steht im Wasser der Brandung. Er trägt seinen typischen Lederhut, nimmt die Gäste in Empfang und sagt ihnen, wie lange sie an Land bleiben und was genau sie hier erleben können. Ein paar Stunden später steht Expeditionsleiter Spitzenberger am Pult auf Deck 7. In der Panorama-Lounge erklärt er die Ziele des nächsten Tages.
Biologe, Naturschützer, Expeditionsleiter
Es ist ein ebenso abwechslungsreicher wie verantwortungsvoller Job, den der Hamburger Biologe und ehemalige Geschäftsführer des Naturschutzbundes Hamburg (Nabu) am anderen Ende der Welt ausübt. Er ist es, der die Schlauchboot-Anlandungen der MS Bremen auf dem kältesten, windigsten und trockensten Kontinent der Erde plant – gemeinsam mit Kapitän Jörn Gottschalk und Kreuzfahrtdirektorin Nadine Armbrust. „Ich“, sagt er, „bin für das Draußen verantwortlich.“
Dass der 69-Jährige gern an der frischen Luft und in freier Natur arbeitet, hängt mit seinem Beruf zusammen. In Recklinghausen geboren, hat er in Hamburg Biologie studiert, als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni gearbeitet und über „Lebenszyklen von Tümpelbewohnern“ promoviert. Immerhin 17 Jahre lang – bis 1996 – führte Hans-Joachim Spitzenberger die Geschäfte des Hamburger Naturschutzbundes.
Eine rätselhafte Infektion...
In den 1990er Jahren bekam der Wissenschaftler, der inzwischen im niedersächsischen Hittfeld wohnt, eine Infektion. Sie ist bis heute nicht überwunden. „Ich habe das Polarvirus bekommen“, sagt er schmunzelnd im Club auf Deck 5, als das Expeditionsschiff gerade an den ersten Tafeleisbergen vorbei fährt. Seit seinem Forschungsaufenthalt auf Spitzbergen ist Spitzenberger vom ewigen Eis so sehr begeistert, dass er andere Menschen gern mit dieser Freude anstecken will.
Also heuerte er 1996 beim Unternehmen Windrose an und begleitete eine Schiffsreise nach Alaska. Seit 2004 geht er regelmäßig für die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd Cruises als Expeditionsleiter an Bord. Inzwischen ist er gut 70-mal in die Antarktis gefahren – eines der letzten großen Abenteuer unserer Zeit.
Katabatische Winde direkt vom Gletscher
Spitzenberger hat Stürme erlebt und katabatische Winde, die plötzlich und mit aller Wucht von den Gletschern wehen. Als Expeditionsleiter ist der unter anderem dafür verantwortlich, dass die Passagiere nicht gegen die strengen Umweltschutzauflagen bei ihren Reisen in das größte Naturschutzgebiet der Erde verstoßen. Dazu gehört, dass die Gummistiefel vor und nach dem Landgang desinfiziert und gereinigt werden müssen. Außerdem dürfen keine Pflanzenteile oder Samen eingeschleppt werden.
„Ganz besonders wichtig ist mir auch, dass keiner der Passagiere zu Schaden kommt.“ Manche Gäste, berichtet er, sind von der atemberaubenden Schönheit des eisigen Kontinents so stark überwältigt, dass sie zu weinen beginnen. „Erst recht beim Abschied von Bord, am Ende der Reise. Auch mich berührt eine Antarktis-Expedition jedes Mal aufs Neue.“
"In Zoos gehe ich nicht mehr"
Anfang März geht für den Expeditionsleiter die Antarktis-Saison zu Ende. Spätestens im April hat der polare Winter die Region mit klirrender Kälte und schweren Stürmen fest im Griff. Dann lässt sich die Sonne wochenlang nicht blicken. Kreuzfahrer haben dann dort nichts mehr zu suchen.
Bis er im Frühsommer mit der "MS Bremen" zu einer weiteren Nord-Ost-Passage an Sibirien vorbei startet, genießt Ha-Jo Spitzenberger erst mal sein Zuhause in der Nordheide. Er mag die Moränenlandschaft und die Nähe zur Metropole Hamburg. Im Mai, so der Plan, werde er gemeinsam mit seiner Frau Urlaub machen. Auf einem Schiff? Nein, sagt er. „Ich will mich beim Wandern im Bayerischen Wald entspannen.“
In seiner Freizeit will er Krimis und Fachliteratur lesen. Außerdem betreibt der Biologe in Hittfeld ein Büro für Landschaftsplanung – das Kontrastprogramm für den Job im Südpolarmeer. Weil Spitzenbergers Lebensmotto lautet „Immer nach vorn schauen und aus der Vergangenheit lernen“ bereitet er sich bereits in Hittfeld auf seine neuen Expeditionsreisen vor.
Eigentlich liegt es nahe, dass ein Polarexperte wie er sich vom „Eismeer“ in Hagenbecks Tierpark inspirieren lässt. So attraktiv das geworden ist – von einem Besuch hält er selbst nicht viel. „Ich sehe mir lieber das Original an. In Zoos gehe ich nicht mehr.“
Die Reise erfolgt mit Unterstützung von Hapag-Lloyd Cruises