Am 11. September jährt sich der Anschlag auf das World Trade Center zum zehnten Mal. Ground Zero zieht das ganze Jahr über viele Besucher an.
New York. Es gibt wenig Plätze auf der Welt, die so fassungslos machen wie der Ground Zero in New York. 2749 Menschen hat der Anschlag der Terrororganisation Al-Kaida auf die Zwillingstürme des World Trade Centers (WTC) das Leben gekostet. Im September jährt sich das Attentat, dessen Datum sich als 9/11 ins Gedächtnis der Menschen eingebrannt hat, zum zehnten Mal. In New York werden daher in diesen Tagen die Hotelzimmer rar – nicht nur die New Yorker wollen den Tag direkt am Ort des furchtbaren Geschehens begehen.
Was aber ist auf dem Platz im Südwesten Manhattans derzeit überhaupt zu sehen? Immerhin waren die Aufräumarbeiten auf dem Grundstück, das den Hafenbehörden von New York und New Jersey gehört, bereits im Mai 2002 offiziell für beendet erklärt worden. Jahre der Diskussion waren gefolgt, ob der Platz ein Ort des Gedenkens oder wieder bebaut werden soll. Die Entscheidung fiel zugunsten neuer Hochhäuser, eines Museums und einer Gedenkstätte. Und so ist der Ground Zero in diesen Tagen eine Großbaustelle.
Der Besucher kann um den gesamten, knapp 6,5 Hektar großen Komplex herumlaufen. Ständig öffnen sich die Tore im Bauzaun, um Betonmischer und Bauarbeiter hinein- oder herauszulassen. Das erlaubt gute Einblicke. Einmal schnell raufhuschen auf die Baustelle geht nicht - die Polizisten, die das Gelände bewachen, beobachten die Touristen scharf und rügen schon mal zu eifrige Fotografen: „Why do you take pictures of the Main Gate?“ Warum man das Haupttor so gründlich fotografiert? Eigentlich wirklich nur auf der Suche nach dem besten Motiv.
Dabei ist das Fotografieren des Ground Zero grundsätzlich erlaubt, kurz vor dem Jahrestag ist wohl nur die Achtsamkeit größer. Eine Ecke weiter wirft sich das nächste Paar Polizisten in den blauen Uniformen des New York Police Departments sogar bereitwillig und lächelnd in Positur. Eine Gruppe Japaner lichtet sich gegenseitig vor der Bronzegedenktafel für die 343 bei den Rettungsarbeiten ums Leben gekommenen Feuerwehrleute ab, Gedenkfahnen werden geknipst, und Andenkenbilder, die immer noch rund um das Gelände zu finden sind.
+++Erschütterung der Welt, Erschütterung der Kunst+++
+++Geplante Moschee neben Ground Zero sorgt für Diskussionen+++
Viele der Fotos von Vermissten und Opfern, die einst an den Absperrungen rund um den Ground Zero hingen, sind inzwischen im Tribute WTC Visitor Center zu sehen. Die von Angehörigen der Opfer initiierte Ausstellung ist nur eine von mehreren rund um 9/11, aber dafür direkt am Ground Zero. Wer sie durchschritten hat, versteht auf einmal den amerikanischen Patriotismus, den der Anschlag noch verstärkt hat. Die Bilder der Opfer machen fassungslos, so viele sind es – vielleicht gerade deswegen.
Letzte Andenken wie Baseballbälle, Ehrenschleifen oder Notizzettel, die Angehörige gestiftet haben, berühren tief. „Ma, ich liebe Dich und heute Abend wasche ich auch sicher das Geschirr ab.“ Abends aber lag weißer Staub über Manhattan – und niemand kam zum Abwasch. Gezeigt werden außerdem Gegenstände, die aus den Trümmern des WTC gezogen worden sind: ein vier Meter hoher verbogener Stahlträger, verstaubte Schuhe, eine verbeulte Aktentasche, Mitarbeiterausweise, ein verkohlter Feuerwehrhelm. Vorsorglich haben Museumsmitarbeiter in den Räumen Boxen mit Papiertaschentüchern bereitgestellt. Sehr still verlässt man das Gebäude wieder.
Ähnlich ergeht es dem Besucher eine Ecke weiter in der Kapelle St. Paul’s. Die kleine Kirche aus dem 18. Jahrhundert war wie durch ein Wunder nicht beschädigt worden durch die fallenden Trümmer des nahen WTC. In den Tagen und Wochen nach dem Anschlag wurde sie zur Zuflucht der Rettungskräfte. Dort fanden Feuerwehrleute und Freiwillige Nahrung und ein wenig Ruhe, bevor sie wieder hinaus gingen in das Chaos am Ground Zero. Eine der Pritschen mit einem Haufen Glücksbringer steht noch heute in der Kirche, aber auch viele Gedenktafeln sind dort aufgestellt.
Draußen holt einen mit Getöse die Baustelle in die Gegenwart zurück. Es ist schon viel geschafft, aber auch noch viel zu bauen. Die Hochhäuser sollen bis 2014 fertiggestellt werden. Architekt des Gesamtkomplexes ist Daniel Libeskind. Seine Entwürfe für das knapp 6,5 Hektar große Gelände sind aber inzwischen mehrfach überarbeitet worden.
Der Aushub für die Baustelle ist von der Stadt New York nicht einfach abgefahren worden. Als acht Monate nach dem Anschlag endlich kein Rauch mehr aus den Trümmern stieg, waren viele der Vermissten noch nicht gefunden. Zu groß war die Hitze des explodierenden Kerosins der beiden Flugzeuge gewesen, die in die beiden Zwillingstürme geflogen waren, und zu schwer die zusammenstürzenden Betonteile. So wurde der Aushub zum Großteil auf die Deponie Fresh Kills in Staten Island geschafft, wo die Suche nach Überresten der Leichen noch lange fortgesetzt wurde.
Zentrum der Neuanlage ist das World Trade Center 1 der Grundstücksgesellschaft des Immobilienmoguls Larry Silverstein, des ehemaligen Eigentümers der Twin Towers. Es soll mit 541 Metern das höchste Gebäude der USA werden. Das mit dunklem Glas verkleidete Hochhaus wurde vom US-amerikanischen Architekten David Childs entworfen. Der Großteil der 105 Stockwerke des einst als Freedom Tower geplanten, aber später umbenannten Gebäudes ragt schon empor.
Auf dem Gelände werden auch weitere Bürohäuser stehen – sie heißen alle Word Trade Center, jeweils mit Zahlen davor: Das World Trade Center 2 wurde vom britischen Architekten Norman Foster entworfen und wird mit 411 Metern Höhe das zweithöchste Gebäude von New York sein. Der Tower des Briten Richard Rogers wird 378 Meter hoch und das Welthandelszentrum 4 des Japaners Fumikiko Maki hat noch 297 Meter Höhe. Seit 2006 fertiggestellt ist das World Trade Center 7, es ist 228 Meter hoch und ebenfalls von Childs entworfen.
Mittelpunkt des Komplexes aber wird das World Trade Center Memorial mit einem Museum und einer Gedenkstätte, die in Teilen zum zehnten Jahrestag eröffnet werden soll. Wo einst Nord- und der Südturm standen, sind Bassins geplant, von deren Rand Wasser über eine kleine Stufe neun Meter tief in ein Untergeschoss fließen wird. Darum herum stehen 400 neu gepflanzte Eichen. Die Becken werden genau die ehemaligen Grundrisse der Twin Towers nachbilden. Unter ihnen befinden sich zwei Gedenkräume, in denen ein Museum eingerichtet wird und ein Raum mit einer sehr langen Liste: den Namen der Toten des 11. September 2001.