Wegen Sturmtief “Carmen“ begab sich das größte jemals in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff drei Stunden später auf die Ems Richtung Nordsee.
Papenburg/Emden. Das größte jemals in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff ist am Freitagabend zu seiner ersten Reise aufgebrochen. Drei Stunden später als geplant legte die „Disney Dream“ vom Ausrüstungspier der Papenburger Meyer-Werft ab. Grund für die Verspätung seien starker Wind und zu viel Wasser in der Ems gewesen, sagte Werftchef Bernard Meyer. „Das Emssperrwerk musste diesmal geschlossen werden, nicht um das Wasser zu halten, sondern um es zu stoppen“, so Meyer weiter.
Das 340 Meter lange Kreuzfahrtschiff sollte ursprünglich am Freitagnachmittag um 16.30 Uhr den Werfthafen verlassen und mit dem Heck voraus die 42 Kilometer lange Strecke bis ins niederländische Eemshaven zurücklegen.
Dort wird das Schiff am Sonnabend gegen 9 Uhr erwartet. Dem ersten Zeitplan zufolge soll das Schiff am Freitag um 23 Uhr die Jann-Berghaus-Brücke in Leer und am Sonnabend um 4 Uhr das Emssperrwerk bei Gandersum passieren.
Acht Meter Tiefgang hat der neueste Stolz der Meyer Werft aus Papenburg, die „Disney Dream“. 8,50 Meter ist die Wasserhöhe der Ems, wenn der Gigant mit 340 Metern Länge die Dockschleuse an der Werft verlässt und langsam in den Fluss geschleppt wird. Auf der 32 Kilometer langen Reise ist zwischen dem Kiel des Schiffes und dem Grund des Flusses nur 40 bis maximal 50 Zentimeter Platz. „Das ist völlig ausreichend“, sagt Günther Rohe, stellvertretender Leiter des Wasser- und Schifffahrtamtes (WSA) Emden. Seine Behörde ist aufs Engste in die Vorbereitungen einer solchen Überführung eingebunden.
„Die Ems-Überführung ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Fertigstellung der 'Disney Dream'“, sagte der Präsident der auftraggebenden Reederei Disney Cruise Line, Karl Holz, am Freitag in Papenburg. Das Kreuzfahrtschiff war vor elf Tagen ausgedockt worden. Die „Disney Dream“ ist das erste von zwei Schiffen, die die Werft für die Disney-Reederei mit Sitz in Orlando im US-Bundesstaat Florida baut. An Bord finden rund 4.000 Passagiere in 1.250 Kabinen sowie 1.400 Besatzungsmitglieder Platz.
Das Kreuzfahrtschiff fährt nicht selbst, sondern wird geschleppt, und zwar sehr langsam. Das Tempo und alle anderen Details der Überführung sind etwa zwei Wochen zuvor geübt worden, in einem Simulator, der im niederländischen Wageningen steht. Immer und immer wieder spielt das Brückenteam die Überführung durch. „Im Simulator sehen sie dasselbe, was sie auf der Brücke sehen – jedes Haus, jeden Baum“, erzählt Norbert Radke von der Lotsenbrüderschaft Emden.
Die Lotsenbrüder fahren seit gut dreißig Jahren die Schiffe der Meyer Werft von Papenburg in die Nordsee. Aus den Ergebnissen der Simulation ergibt sich die Wasserhöhe des Flusses. „Das Maß ist so, dass das Schiff noch so gerade eben sicher zu manövrieren ist. Mehr braucht man nicht“, sagt Rohe. Danach bestimmt sich, wie stark der Fluss letztlich ausgebaggert und wie hoch er aufgestaut werden muss. Denn kurz vor Emden steht seit einigen Jahren das Emssperrwerk bei Gandersum. Es dient nicht nur dem Hochwasserschutz, sondern auch dazu, den Wasserstand der Ems für die Schifffahrt zu regulieren.
Eigentlich warten die Nautiker der Werft, des WSA und der Sperrwerkbetreiber, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) stets auf die perfekte Welle. Denn die insgesamt 4000 Tonnen wiegenden sieben Tore des 476 Meter langen Bauwerks werden genau dann geschlossen, wenn die Gezeitenflut ihren höchsten Stand hat. „Wir fangen die Welle ein“, sagt NLWKN-Sprecher Achim Stolz.
Der so erzielte Wasserstand reicht aber selten aus, um die gewünschte Tiefe zu bekommen. In der Regel muss nachgepumpt werden. Wie viel, das berechnen Hydrologen und berücksichtigen das nachströmende Wasser aus der Ems. Weil die Meteorologen dieses Mal einen Sturm erwarten, reicht es, erst zwei Stunden vor der Abfahrt in Papenburg die Schleuse zu schließen. Während der Schiffsüberführung ist die Unterems für den restlichen Schiffsverkehr gesperrt.
Und nicht nur Schiffe müssen warten. Beim Örtchen Weener muss eine Eisenbahnbrücke hochgeklappt und ein Ersatzverkehr mit Bussen organisiert werden, erläutert Werftsprecher Günther Kolbe. Wegen der massiven Eingriffe in das natürliche Flussbett der Ems sind die Schiffsüberführungen nicht unumstritten. Der Stau des Flusses auf eine Tiefe von 8,50 Meter ist aus ökologischen Gründen nur vom 16. September bis zum 14. März erlaubt. Die Landkreise und die Werft wollen aus Wettbewerbsgründen eine flexiblere Regelung, was auf erbitterten Widerstand von Umweltschützern stößt.
Auch an den Baggerarbeiten der Schifffahrtsverwaltung stören sich Kritiker. Rohe weist die Kritik aber zurück. Die Kosten dafür will er nicht nennen. „Wir müssten auch ohne die Kreuzfahrtschiffe baggern, wenn auch nicht unbedingt in dem Maße wie jetzt.“ Von Ende Juli bis Anfang November holten die Baggerschiffe 700.000 Kubikmeter Schlick aus dem Fluss. Die Unterems sei eine Seeschifffahrtsstraße, und für die Schiffsüberführungen gebe es einen rechtlichen Rahmen, betont er.
Direkt nach der Ankunft der "Disney Dream" in Eemshaven steht eine erste Testfahrt in der Deutschen Bucht auf dem Programm. Anschließend beginnt die Endausrüstung. Nach einer Abschlussdockung in Hamburg soll das Schiff in Bremerhaven an die US-amerikanische Reederei „Disney Cruise Line“ übergeben werden. Am 19. Dezember folgt die Fahrt über den Atlantik nach Florida und am 26. Januar die Jungfernfahrt auf der Bahamas-Route.