Steinburg. Joachim Stapelfeldt spricht im Abendblatt-Interview über Konflikt zwischen Sportverein und Gemeinde. Es geht um einen neuen Vertrag.
Das mögliche Aus des SV Eichede hat weit über die Kreisgrenzen hinaus für Schlagzeilen und Staunen gesorgt. Der Konflikt des Fußballvereins mit der Gemeinde Steinburg über einen neuen Nutzungsvertrag für die Sportanlage dauert an, die Fronten scheinen verhärtet – und viele Beobachter fragen sich nach wie vor, worum es überhaupt geht. Zeit, jemanden zu fragen, der beide Seiten kennt und dessen Wort Gewicht hat in der Gemeinde. Joachim Stapelfeldt wohnt fast sein ganzes Leben in Mollhagen, er war von 1982 an 21 Jahre lang Bürgermeister der Gemeinde und blickt auf eine stets konstruktive Zusammenarbeit mit dem SVE zurück. Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn sprach mit dem 73-Jährigen über die Historie der Nutzungsverträge und die Argumente der Gemeindevertreter.
Herr Stapelfeldt, der Konflikt zwischen dem SV Eichede und der Gemeinde Steinburg lässt viele ratlos zurück. Wie denkt jemand darüber, der Ehrenbürgermeister und Mitbegründer der Gemeinde ist und gleichzeitig Vereinsmitglied beim SVE und auch beim benachbarten TSV Mollhagen?
Joachim Stapelfeldt Was da momentan abläuft, kann man vielleicht nur vor dem Hintergrund der Entwicklung verstehen, wie sie sich in der Gemeindevertretung über Jahre und Jahrzehnte ergeben hat.
Das hört man immer wieder, von beiden Seiten übrigens. Bitte erzählen Sie.
Beim Start der Gemeinde 1978, also dem Zusammenschluss von Eichede, Mollhagen und Sprenge, gab es eine Bedingung: Bereits beschlossene Projekte sind zu erfüllen. Ein Projekt war der Bau der Eicheder Sportanlage, denn bislang spielte sich das Vereinsleben auf einer besseren Wiese ab, zudem gab es erheblichen Streit mit dem Pächter. Deshalb hat Eichede die Flächen der Gemeinde für den Stadionbau genutzt.
Als sie 1982 Bürgermeister wurden, ging es in der konstituierenden Sitzung gleich um eine Beregnungsanlage und ein Mähgerät, weil der Platz nicht grün wurde. Der Gemeinderat stimmte zu, vier Monate später war der HSV zu Gast. Doch es fehlten Umkleidekabinen.
Die Kabinen und später das Gemeinschaftshaus hat der Verein damals ganz überwiegend in Eigenleistung gebaut. Natürlich wurde schon damals über den Nutzungsvertrag verhandelt. Das lief während meiner Amtszeit immer problemlos ab. Während der Amtszeit meines Nachfolgers Heino Doose wurde der SVE immer größer. 2007 wurde die Errichtung eines großen Trainingsgeländes beschlossen, 2008 ein Darlehensvertrag abgeschlossen. Es gab einen Zuschuss und ein Darlehen von jeweils 50.000 Euro, das meiste hat der Verein aus Eigenmitteln eingebracht. Daraufhin musste ein neuer Nutzungsvertrag geschlossen werden, was nach fast zwei Jahren Verhandlung gelang. Der Vertrag von 2012 beinhaltete, dass der Verein jährlich 30.000 Euro für die Bewirtschaftung der gesamten Anlage bekommt und Unterstützung durch einen Gemeindemitarbeiter.
2013 wurde Doose durch Heidi Hack abgelöst...
... und wenige Jahre später kam die Einführung der Doppik, also der doppelten Buchführung. Daraufhin rechnete die Finanzausschussvorsitzende, die vehement gegen die finanzielle Unterstützung für den Verein war, der Gemeindevertretung vor, dass Steinburg völlig pleite sei. Das haben die anderen geglaubt und beschlossen, den Nutzungsvertrag mit dem SVE sofort zu kündigen.
Im Juni 2016 wurde die Kündigung zum Ende 2016 ausgesprochen, aber später zurückgezogen. Der Vertrag wurde dann zu 2020 gekündigt mit dem Zusatz, dass über eine Folgevereinbarung rechtzeitig zu verhandeln sei.
Dazu kam es bis 2018 nicht. Dann kam mit Wolfgang Meyer ein neuer Bürgermeister. Von 17 Gemeindevertretern sind zwölf völlig neu, also praktisch Auszubildende. Die glauben offenbar alles, was ihnen der Finanzausschuss vorrechnet. Angeblich kostet der SVE der Gemeinde mehr als 100.000 Euro im Jahr, wobei der Verein das sehr gut widerlegen kann. Das wirkt seitens des Finanzausschusses wie ein Versuch, die Niederlage von 2012 auszumerzen. Absurd daran ist auch die Tatsache, dass der Gemeinde als neuer ländlicher Zentralort jedes Jahr zusätzlich 420.000 Euro zur Verfügung stehen. Da hätte ich gedacht, dass es kein Problem mehr geben dürfte.
Wir sind jetzt im Jahr 2020 angelangt. Es gab diverse Verhandlungsrunden zum neuen Nutzungsvertrag.
Bis auf zwei Paragrafen war alles ausverhandelt, eine Einigung stand bevor. Aber dann wurde dem Verein plötzlich ein Entwurf vorgelegt, der in ganz vielen Punkten deutlich von den Ergebnissen der Gespräche abwich. Da stand zum Beispiel plötzlich drin, dass der Verein alle Haftungsverpflichtungen trägt. Das sind unglaubliche Vorstellungen. Dazu soll es statt 30.000 Euro 15.000 geben und später theoretisch gar nichts, weil die Gemeinde den Betrag jedes Jahr neu ansetzen dürfte. Seit 2016 verstärkt sich die Neigung, den Verein materiell kurzzuhalten. Das kann man notfalls ja noch verstehen, aber nun ist daraus eine Vorlage geworden, die ein ehrenamtlicher Vorstand eines gemeinnützigen Vereins definitiv nicht unterschreiben kann. Er würde mit seinem Privatvermögen haften.
Zurück zu den Finanzen: Bürgermeister Meyer sagte unserer Redaktion: „Man muss die Frage stellen: Inwieweit kann und darf eine kleine Gemeinde einen Sportverein, der hochklassig spielt, finanziell unterstützen? Wo nützt das Steuergeld der Gemeinde am meisten? Daran müssen wir uns entlanghangeln.“
Das kann er nur sagen, weil er von kommunaler Selbstverwaltung wahrscheinlich nur wenig gehört und erfahren hat. Was er sagt, ist nur insofern richtig, als dass eine Gemeinde nichts oder wenig für den Sportbetrieb eines Vereins ausgeben darf. Ich frage mich aber, ob er bedacht hat, dass diese Sportanlage mit jedem Nagel und jeder Schraube der Gemeinde gehört. Dem SV Eichede ist sie nur zur Nutzung überlassen. Jeder Eigentümer hat doch die Verpflichtung, zum Erhalt des Gebäudes beizutragen. Und wenn alle Bürgermeister akzeptiert haben, dass der Verein jährlich eine bestimmte Summe bekommt, kann ich doch nicht 2018 ins Amt kommen und alles streichen. Oder waren wir anderen alle Deppen? Wir haben auf die Entwicklung der Sportanlage reagiert. Eine Gemeinde darf Geld für eine Sportanlage ausgeben.
Doch wie wichtig ist der SVE tatsächlich für die Gemeinde und ihre Bewohner? Einige Gemeindevertreter weisen darauf hin, dass viele Vereinsmitglieder von außerhalb kommen.
Das ist ein dünnes Argument. Wenn da nur Steinburger spielen dürften, hätte es den Verein nie gegeben. Auch der TSV Mollhagen und der Schützenverein Sprenge, der ja sogar „Schützenverein von Sprenge und Umgegend“ heißt, existieren dadurch, dass sie Mitglieder aus dem ganzen Umland haben. Außerdem sind wir nicht mehr das kleine Dorf, sondern ländlicher Zentralort und somit sogar verpflichtet, auch für die Menschen aus dem Umkreis etwas zu machen. Es ist sehr ärgerlich, dass mit abstrusen Scheinargumenten alles in Abrede gestellt wird, anstatt die Leistungen anzuerkennen.
Herr Stapelfeldt, am 21. Dezember steht die letzte Gemeindevertretersitzung dieses Jahres an. Welches Ergebnis erwarten Sie im Konflikt zwischen der Gemeinde und dem SV Eichede?
So wie ich momentan die Mehrheit in der Gemeindevertretung einschätze, hat man den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen. Ich fürchte, dass die Gemeinde ab 1. Januar für alle Zeiten eine Sportanlage ohne Nutzung und ein Gemeinschaftshaus ohne Gastronomie hat; dass aus wenig rationalen, sondern aus emotionalen Gründen dieser Verein aus der sportlichen und kulturellen Landschaft der Gemeinde verschwindet. Das wäre extrem schade. Da denke ich an 250 Jugendliche, die beim Fußball soziale Kompetenzen fürs Leben lernen. Und es ist ein schrecklicher Gedanke, wenn nun die Handicap-Mannschaft, die seit zehn Jahren etwas Einmaliges in Schleswig-Holstein ist, gar nichts mehr hätte. Verantwortungsloser könnte man sich als Gemeindevertreter nicht verhalten.