Reinbek. Helferinnen im St. Adolf-Stift Reinbek haben ein ganz besonderes Ehrenamt. Doch zurzeit stoßen sie an ihre Grenzen.

In der Eingangshalle des St. Adolf-Stift Reinbek herrscht geschäftiges Treiben. Patienten treffen zu Untersuchungen ein, Mitarbeiter laufen durch die Empfangshalle, ein Wäschewagen wird durch die Gänge geschoben. Kirstin Lübbers erkennt man sofort, nicht nur an ihrem grünen Kittel, sondern auch an ihrem zugewandten Blick. Sie ist eine der sogenannten Grünen Damen.

Die Grünen Damen bringen den Patienten das, woran es im Alltag der Kliniken meist mangelt: Zeit für Gespräche und zum Zuhören. Sie leisten ehrenamtlich Besuchsdienste auf den Stationen. Diese Besuche sorgen für Abwechslung im Alltag der Patienten. Die Idee der Grünen Damen ist in den USA entstanden. Volunteer Service hieß es dort. 1969 hat die Ehefrau des früheren Außenministers Gerhard Schröder eine vergleichbare Organisation in Deutschland gegründet. Seit 39 Jahren gibt es dieses Angebot bereits im Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift.

Grüne Damen bieten, woran es in Kliniken meist mangelt

Jeweils sieben Freiwillige kommen dienstags und donnerstags auf die Stationen und spenden Zeit. Bei 351 Betten, über die das Krankenhaus verfügt und nahezu 19.000 stationären Patienten ist es jedoch nicht möglich, alle kranken Menschen zu besuchen. Darum suchen die Damen dringend Nachwuchs

Kirstin Lübbers erzählt, was sie bewogen hat, dieses Ehrenamt zu übernehmen. Vor rund 20 Jahren war sie selbst Patientin eines Hamburger Krankenhauses und bekam Besuch von den Grünen Damen. „Das war so schön, dass ich spontan dachte, wenn ich einmal Zeit dafür habe, mache ich das auch“, sagt die 61-Jährige.

Grüne Damen sind dienstags und donnerstags im Einsatz

Lübbers hat zwei erwachsene Kinder (23 und 26) und ist Geschäftsführerin eines großen Handwerksbetriebs. Demnächst wird sie Oma, ihre Augen leuchten, wenn sie darüber spricht. Familie bedeutet ihr viel, genauso wie deren Unterstützung, auf die sie vertrauen kann. Die Zeit für das Engagement nimmt sie sich trotz eines anspruchsvollen Berufs und eigener Hobbys wie dem Garten oder Reisen. Jeden Donnerstagmorgen ist sie mit sechs weiteren Freiwilligen am Start. Genauso viele sind dienstags im Einsatz.

Doch aktuell sind sie krankheitsbedingt und durch persönliche Gründe in beiden Gruppen nicht komplett und suchen Nachwuchs. Die Frauen treffen sich in ihrem „Dienstzimmer“. Vier sind heute dabei: Beate Käselau (64) geht auf die Station der Chirurgie, Stefanie Leukel (79) auf die Station der Orthopädie, Petra Obernolte-Eckert (67) ebenso auf die Chirurgie und Kirstin Lübbers, auf die Kardiologie. „Wir haben alle ein Helfersyndrom“, sagt Petra Obernolte-Eckert scherzhaft. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Was sie auszeichnet: Sie können zuhören – das, was die Patienten am meisten brauchen.

Grüne Damen: Der Kittel verleiht Anerkennung

Noch ein paar fachliche Hinweise unter den Ehrenamtlichen, dann geht es los. Sie alle streifen ihre hellgrünen Kittel über, auf die sie stolz sind. Denn der Kittel verleiht ihnen Anerkennung und ihren Namen. Um 9.30 Uhr sind sie auf den Stationen angekommen. Kirstin Lübbers meldet sich im Stationszimmer. Sie fragt nach, ob es Besonderheiten gibt. Heute gibt es keine.

Für Kirstin Lübbers (v. l.), Beate Käselau, Stefanie Leukel und Petra Obernolte-Eckert ist das Ehrenamt als Grüne Damen eine Herzensangelegenheit.
Für Kirstin Lübbers (v. l.), Beate Käselau, Stefanie Leukel und Petra Obernolte-Eckert ist das Ehrenamt als Grüne Damen eine Herzensangelegenheit. © Imke Kuhlmann | Imke Kuhlmann

Schnurstracks steuert die Ehrenamtlerin auf das erste Zimmer zu. Die beiden Patienten sind erst seit Kurzem dort, eingeliefert als Notfall. Sie kommt sofort mit den beiden Herren ins Gespräch und spart nicht mit ernst gemeinten Komplimenten. „Früher haben wir auch mal Zeitschriften besorgt, doch aktuell gibt es keinen Kiosk im Haus“, bedauert Kirstin Lübbers.

Grüne Damen: Offene Art schafft schnell Vertrauen

Im nächsten Zimmer. Der Patient wird heute entlassen. „Es gibt mir ein gutes Gefühl, weil er von seiner Familie erzählt hat und ich den Eindruck habe, dass er gut aufgehoben ist“, sagt die Grüne Dame. Weiter geht es ins Zimmer nebenan. Lübbers wird weder der Gespräche müde, noch hat sie einen Hauch von Schwierigkeit, ins Gespräch zu kommen. Ihre offene, freundliche, aber auch natürliche Art schafft Vertrauen. „Besonders schön ist es, Menschen aus der Traurigkeit zu holen“, berichtet sie und erinnert sich an einen zurückhaltenden Patienten, der ein Foto seines Hundes auf dem Nachtisch hatte. Sie ging darauf ein, und schon war der Bann gebrochen.

Im nächsten Zimmer trifft sie eine 91-Jährige, die bereits seit mehr als acht Wochen hier ist. Kirstin Lübbers kennt sie bereits und lobt sie für ihre Geduld. Ein Lächeln der Patientin ist der Dank dafür. Ein Zimmer weiter liegt wieder eine Bekannte. Helga Trenner (82), sie ist ebenfalls bereits seit mehreren Wochen im Krankenhaus und freut sich über den Besuch. „Man kann mal reden, die Schwestern haben wenig Zeit dafür“, sagt sie verständnisvoll. Für Kirstin Lübbers ist dies eine besondere Begegnung. „Frau Trenner ist so positiv, das ist schön zu erleben“, sagt sie.

Grüne Damen sind selten nicht willkommen

Die Grünen Damen erfahren viel Offenheit. „Es ist selten, dass jemand unseren Besuch nicht möchte“, berichtet Stefanie Leukel. Die Frauen sind sich einig, durch ihre Arbeit relativieren sich die eigenen Sorgen. Doch nicht nur das gibt ihnen Energie. Das Miteinander im Ehrenamt sei besonders. „Wir treffen uns auch privat“, so Lübbers. „Geld gibt es nicht, aber wir können kostenlos parken und in der Kantine zu Mittag essen.“

Wichtig sei es, eine Portion Empathie mitzubringen und Offenheit gegenüber den erkrankten Menschen. Nachwuchs wird dringend gebraucht. Um die Arbeit des Freiwilligen Krankenhausdienstes zu professionalisieren, gibt es eine monatliche Supervision, in der besondere Erfahrungen beispielhaft besprochen werden. Nach außen unterliegen die Ehrenamtlichen der Schweigepflicht. Hinzu kommen regelmäßige Fortbildungen, für die das Krankenhaus die Kosten übernimmt.

Wer Zeit und Interesse hat mitzumachen, kann sich telefonisch oder per E-Mail melden. Interessierte aus Reinbek und Umgebung wenden sich telefonisch an Christiane Schröder: 040/720 85 79, (Montag– Freitag von 12 bis 14 und 18 bis 20 Uhr) oder per E-Mail an Kirstin Lübbers: kirstin.luebbers@bernhardluebbers.de.