Rellingen. Biologin Sina Hanke (32) kümmert sich mit ihrem Verein Animal Care um notleidende Tiere auf der kanarischen Urlaubsinsel.
Unliebsame Ereignisse finden meist im Verborgenen statt: Fast zwei Millionen deutsche Streunerkatzen suchen zwischen Mülltonnen nach Futter, leben in Gewerbegebieten oder auf Bauernhöfen und vermehren sich rasant. Auch in Schleswig-Holstein. Dort wird nicht selten an der Gewohnheit festgehalten, ungewollten Nachwuchs zu ertränken. Und Hunde, die keiner mehr haben will, werden ausgesetzt, in Deutschland und überall in Europa. Auf der spanischen Kanareninsel Fuerteventura sogar mit ihren Welpen.
Es grenzt an ein Wunder, dass eine solche Hündin mitsamt ihrer neun Welpen dank zweier beherzter junger Frauen gerettet worden ist: Sina Hanke aus Rellingen und Stephanie Schön aus Baden-Württemberg sind seit 2012 über ihren damals gegründeten Verein Animal Care aktiv. Sie waren vor Kurzem wieder auf der kanarischen Insel unterwegs, um für streunende Tiere zu sorgen.
Verein hat knapp 140 Mitglieder
Immer mehr Menschen fördern den kleinen Verein: Knapp 140 Mitglieder zahlen regelmäßig Beiträge, um Betriebs- und Inventarkosten und die wichtige Öffentlichkeitsarbeit von Animal Care zu finanzieren. Die Einnahmen lagen im Jahr 2019 bei 57.000 Euro – ein Rekordergebnis.
Sina Hanke (32) ist studierte Biologin und arbeitet in Vollzeit beim Hamburger Tierschutzverein als Tierschutzberaterin. Mit dem Hamburger Tierschutzverein hat sie jüngst auch die Haltungsbedingungen auf dem Gnadenhof in Seevetal (Landkreis Harburg) angeprangert.
Sie und ihre Animal Care-Vereinspartnerin, die Betriebswirtin Stephanie Schön (33), wurden vom Veterinäramt sachkundegeprüft – eine amtliche Legitimation, um zum Beispiel Tiere aus dem Ausland nach Deutschland zu holen: „Wir müssen jedes Tier, das wir nach Deutschland bringen, beim Veterinäramt anmelden. Da steckt ganz viel Bürokratie dahinter“, erklärt Sina Hanke.
Ehrenamtliche Partner auf den Kanaren helfen mit
Ums Geldverdienen geht es bei ihrem Engagement also überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: „Wir machen im Tierschutz immer ein fettes Minus. Diese Arbeit ist niemals kostendeckend. Unsere Reisen bezahlen wir komplett aus eigener Tasche, und vor Ort haben wir ehrenamtliche Partner gefunden, zum Beispiel ein Ehepaar, das seine Finca für eine Welpenstation zur Verfügung stellt“, sagt die Biologin.
Es ist also das Mitgefühl mit den vielen leidenden Tieren, das die beiden jungen Frauen antreibt, seit sie 2009 zum ersten Mal mitbekommen haben, wie es wirklich aussieht hinter den sauber geräumten Straßenzügen auf Fuerteventura oder in den Scheunen deutscher Landwirte. „Mir gibt diese Arbeit ganz viel“, sagt Sina Hanke, „und irgendjemand muss es ja machen. Augen zu – das hilft keinem.“
Im Laufe der Jahre habe sich viel getan, immerhin würden auf der Ferieninsel Tiere aus den Auffangstationen nicht mehr automatisch nach 21 Tagen eingeschläfert, wie es das Gesetz eigentlich vorschreibe. „Das passiert erst, wenn die Stationen voll sind. Damit es nicht dazu kommt, werden die Vereine, Tierschützer und Tierärzte vor Ort und auch wir aktiv“, sagt die Rellinger Tierschützerin. Primäres Ziel ist, die Situation für die Straßentiere vor Ort zu verbessern, sie medizinisch zu versorgen, zu füttern und ihre Vermehrung einzudämmen.
Neues Zuhause in Deutschland für rund 30 Hunde pro Jahr
Mit viel Glück kommen einige wenige der auf Fuerteventura unerwünschten Tiere nach Deutschland und finden hier ein gutes Zuhause, rund 30 Hunde holen die Frauen pro Jahr hierher, je nach finanzieller Situation des Vereins. Den Katzen geht es nicht besser. Oft sind sie krank, hungern, vermehren sich rasant und verteilen ihre Krankheiten weiter – ein Teufelskreis.
Sina Hanke ist gerade aus Fuerteventura zurückgekehrt, wo sie eine große Aktion organisiert hat, um knapp 100 Katzen kastrieren zu lassen. 200 weitere warten noch, sagt sie. Die Tierärzte, die das erledigen, verlangen meist nur die Materialkosten, anders sei das gar nicht machbar: „Die kastrierten Katzen setzen wir dann wieder dort aus, wo wir sie eingefangen haben.“
Streunende Katzen sind ein großes Problem
Eine Handvoll ehrenamtlicher Mitglieder vor Ort, die mittlerweile gute Freunde geworden seien, pflegten Futterplätze für die Streuner. Manchmal sind das 50 und mehr Katzen. Finanziert wird das alles durch Spenden – 32.000 Euro im Jahr 2019. Die Corona-Pandemie hat die Situation der streunenden Tiere verschlimmert. Durch ausbleibende Touristen und geschlossene Hotelanlagen sind unzählige Straßenkatzen sich selbst überlassen. „Mehrmals wöchentlich erreichen uns Hilferufe mit Hinweisen auf unversorgte Katzenkolonien auf der Kanareninsel“, berichten Sina Hanke, Stephanie Schön und ihre Mitstreiterinnen. Pro Woche fangen sie mindestens zehn Streuner ein, lassen sie kastrieren und medizinisch versorgen und bringen sie anschließend an ihre Stammplätze zurück. Viel Arbeit, vor allem für die Tierschützer vor Ort.
Aber so hatte das große Projekt auch angefangen, das mittlerweile zusätzlich die Insel Mauritius umfasst, wo Stephanie Schön während ihrer Flitterwochen das Leid der dortigen Straßenhunde entdeckte. Nach dem Abitur hatten die beiden Gründerinnen sich auf Fuerteventura kennengelernt, wo sie in einer Tier-Auffangstation über Monate hinweg 150 Straßenhunde aufpäppelten.
Selbst im Kreis Pinneberg, wo es nur scheinbar besser aussieht, ist Animal Care aktiv und hat vor einiger Zeit ein Kastrationsprogramm für Katzen entwickelt. Damit sind die Tierschützerinnen inzwischen so bekannt, dass die Landwirte auf den Verein zukommen, „auf Vereinskosten werden die Katzen kastriert“, sagt Sina Hanke. „Unser einziger Anspruch ist dann, dass die Landwirte unsere Arbeit bekannter machen. Inzwischen können wir uns um zwei landwirtschaftliche Betriebe im Jahr kümmern, die Kontakt mit uns aufnehmen.“
Mehr Infos:www.animalcare-tierschutz.com