Hamburg. Jäger beklagen die „nicht zu akzeptierende Praxis“ beim Töten von Wildtieren. Wie die Umweltbehörde das Vorgehen rechtfertigt.
- Tierquälerei in Hamburgs Naturschutzgebiet Duvensteder Brook?
- Jäger beklagen die „nicht zu akzeptierende Praxis“ beim Töten von Wildtieren.
- Umweltbehörde rechtfertigt das Vorgehen.
Von einem „Unding“, einer nicht zu „akzeptierenden Praxis“ und auch von einem „Politikum“ sprechen Insider, wenn es um das aktuelle Geschehen im Duvenstedter Brook geht. Das Naturschutzgebiet, das Tausende Hamburger zum Erholen nutzen, welches sie vom herbstlichen Brunftspektakel der Hirsche kennen und wo sie die Umweltstation besuchen, ist offenbar Schauplatz von Tierquälerei.
Wildschweine werden in dem Naturschutzgebiet im Hamburger Nordosten regelmäßig in Fallen gefangen und erschossen. Das Thema bewegt die Jägerschaft und war aktuell bereits mehrmals Anlass für emotional geführte Debatten in Sitzungen der Verantwortlichen.
Hamburg: „Tierquälerische Methoden“ der Behörde empören Experten
„Es kann nicht sein, dass hier solche Methoden angewendet werden, die tierquälerisch sind“, empört sich Dierk Mühle von der Kreisjägerschaft Stormarn, deren Gebiet unmittelbar an das betroffene Areal angrenzt. Die Leidenszeit für die Wildschweine verlängere sich in der Falle unnötig.
Joachim Weinlig-Hagenbeck schließt sich der Kritik an. Der Präsident des Landesjagdverbands Hamburg spricht im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Försterei ebenfalls von einer „Methode, die unter Tierschutzaspekten absolut nicht akzeptabel ist“. Schließlich lebten Sauen in Rotten, die mit den Drahtkäfigen auseinandergerissen würden.
Duvenstedter Brook: Tierquälerei in beliebtem Naturschutzgebiet
Zahlreiche Videos auf YouTube belegen den massiven Stress, unter den die Fanggeräte Sauen und Frischlinge setzen, bevor sie erschossen werden.
„Es kann nicht sein, dass der Effektivität wegen intelligenten Wildtieren Leid zugefügt wird“, argumentiert auch Dierk Mühle mit Blick auf die nicht einfach zu bejagenden Schweine. Diese würden hier „wie der Staatsfeind Nummer eins bekämpft – und das in einem Naturschutzgebiet“.
Kritik an Hamburger Behörde: Jagdbeirat wurde nicht informiert
Es besteht in Hamburg aus Sicht der Jäger aktuell keine Notwendigkeit, Fallen aufzustellen. „Nur wenn die Afrikanische Schweinepest direkt vor der Tür steht“, so Weinlig-Hagenbeck. Dann werde diese Methode eingesetzt. Schon vor längerer Zeit sei die Krankheit im Raum Parchim ausgebrochen, habe dieses Gebiet aber bisher nicht verlassen.
Die Praxis der sogenannten Saufänge sei wegen der Seuche bisher in Mecklenburg und Brandenburg verfolgt worden, „aber nicht, wenn die Schweinepest 150 Kilometer weit weg ist“, sagt Weinlig-Hagenbeck. Der Mitgesellschafter und ehemalige Geschäftsführer des Tierparks Hagenbeck ergänzt, dass der Landesjagdverband die Behörde dafür kritisiert, den Jagdbeirat nicht über die Anwendung der Fallen informiert zu haben.
Hamburger Behörde spricht von anerkannter Jagdmethode
Die zuständige Behörde in Hamburg weist die Vorwürfe zurück: „Der Einsatz von Fallen zur Bejagung von Wildschweinen ist eine zugelassene und anerkannte Jagdmethode, die besonders für Reviere geeignet ist, in denen das Schwarzwild durch Einzel- oder (revierübergreifende) Drückjagden nicht oder nur mit einem hohen Aufwand zu bejagen ist“, heißt es von der Pressestelle der Umweltbehörde. In vielen Bundesländern werde sie erfolgreich erprobt und eingesetzt.
Das sieht Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung anders: „Die Methode ist eine absolute Ausnahme.“ Sie sei bis vor ein paar Jahren noch komplett verboten gewesen, ein Umdenken habe erst mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP) eingesetzt, die bei Landwirten, aber auch Jägern, berechtigterweise für große Angst sorge.
Wildtier Stiftung: Kriterien im Duvenstedter Brook nicht erfüllt
„Wir lehnen die Saufänge nicht kategorisch ab, sehen diese für die Tiere mit sehr viel Stress verbundene Praxis aber nur für geboten, wenn eine extreme Dichte und Gefahr in Verzug durch die ASP aufeinandertreffen“, sagte Kinser. Diese Kriterien seien aber im Duvenstedter Brook nicht erfüllt.
Im Übrigen verbreite sich die Afrikanische Schweinepest vorwiegend über weggeworfene Wurstbrote, sagte Kinser. Der Erreger in der Wurst werde von den Wildschweinen aufgenommen.
Rund 60 Wildschweine wurden in Fallen gefangen und erschossen
In den Sitzungen der vergangenen Tage war auch diskutiert worden, ob die Saufänge in Hamburg ebenfalls nur erprobt oder aber bereits regelmäßig angewendet werden. Von einem Test kann offenbar nicht die Rede sein: Nach Angaben der Jäger ist davon auszugehen, dass allein in den vergangenen Monaten Dutzende Wildschweine hier in die Fallen geraten und erschossen worden sind, angenommen wird eine Zahl von 60 Tieren allein im zurückliegenden Jagdjahr.
Und es sei auch geplant, diese Praxis weiterzuverfolgen, hieß es auf den aktuellen Zusammenkünften der Wildtierexperten in Hamburg, dieses Vorhaben sei offen ausgesprochen worden.
Fallen seien in Hamburg noch in der Erprobung
Die Behörde spricht dennoch beschwichtigend von einem Testlauf: „In Hamburg wird im Rahmen eines Pilotprojektes in einem Schwerpunktbereich des Schwarzwildvorkommens im Nordosten Hamburgs der Einsatz von verschiedenen Fallentypen erprobt“, heißt es von der Umweltbehörde.
Ziel des Pilotprojektes sei es, „entsprechende Erfahrungen mit den unterschiedlichen Fallensystemen zu sammeln und die Übertragbarkeit von Erfahrungen aus anderen Bundesländern mit den eigenen Ergebnissen zu vergleichen“.
Hamburger Behörde: „Präventive Maßnahme“ gegen Schweinepest
Die Bilanz sei positiv: „Die vorläufigen Erfahrungen bestätigen Ergebnisse aus den anderen Bundesländern. Durch erfahrene und professionell tätige Jägerinnen und Jäger ist eine effiziente Schwarzwildreduktion möglich, die gerade in Naturschutzgebieten mit den Fallen störungsarm durchgeführt werden kann“, teilte die Behörde weiter mit.
Sie verweist zudem noch einmal auf die Schweinepest: „Als präventive Maßnahme ist eine flächendeckende Reduktion der teilweise sehr hohen Schwarzwildbestände in Deutschland dringend erforderlich, da nur so diese Kontaktseuche in ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit begrenzt werden kann.“
Jäger beklagen mangelnde Argumentation der Umweltbehörde
Für die Jäger ist diese Argumentation nicht stichhaltig: „Die Bestände sind zurückgegangen“, sagt Dierk Mühle, der auch Mitglied der länderübergreifend tätigen Hochwildhegegemeinschaft Bargteheide/Duvenstedter Brook ist. Das Schwarzwild sei zuletzt immer effektiver bejagt worden, etwa mit dem zunehmenden Einsatz von Nachtsichttechnik und Wärmebildgeräten.
Die Zahl der Tiere scheint sich in der Hansestadt jedenfalls nicht erhöht zu haben: Wurden im Jagdjahr 2017/2018 in Hamburg 272 Sauen geschossen, waren es 2022/2023 insgesamt 270 Wildschweine.
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Wildschweine im Duvenstedter Brook: Jäger stellen Vermutung auf
Eine Vermutung in Sachen Saufänge sprechen die Jäger nur hinter vorgehaltener Hand aus – sie bezieht sich auf wirtschaftliche Interessen. Zwar gebe es in Hamburg keine nennenswerte Schweinehaltung, die von der Seuche bedroht sein könnte, doch zahlreiche Tiertransporte führen durch das Stadtgebiet, etwa durch den Elbtunnel oder die Autobahn 1.
Breite sich die Afrikanische Schweinepest in Hamburg aus, würden diese Verkehrswege für die Lkw mit den Schweinen ausscheiden.