Reinbek. Reinbeker Nikolaus Kern leitet Clipper, das Jugendwerk zur See. Was Mitreisende auf den Traditionsseglern erleben und lernen können.

Gerade ist Nikolaus Kern von einem Segeltörn auf der Ostsee zurück – als Kapitän mit 26 jungen Menschen auf der Johann Smidt ging es vom Hafen Wismar an Fehmarn vorbei nach Dänemark und zurück bis Eckernförde. „Das Gleiten unter dem Wind auf den Wellen ist ein wunderbares Gefühl“, schwärmt der 70 Jahre alte Reinbeker vom Segeln. Ein Gefühl, das Nikolaus Kern unbedingt an die nächsten Generationen weitergeben will.

Deshalb engagiert sich der Diplom-Kaufmann – den viele als Fraktionsvorsitzenden der SPD Reinbek kennen – seit 1985 ehrenamtlich im Verein „Clipper – Deutsches Jugendwerk zur See“, seit 1991 auch als Vereinsvorsitzender. Vier Großsegler sind im Besitz des Vereins: die „Amphitrite“, Baujahr 1887, die „Seute Deern“ von 1939, die „Albatros“ (1942) und das Stahlschiff „Johann Smidt“ (1974).

Nikolaus Kern, Vorsitzender des Vereins Clipper, mit der Original Schiffsglocke des Fischdampfers „Heinrich Ihde
Nikolaus Kern, Vorsitzender des Vereins Clipper, mit der Original Schiffsglocke des Fischdampfers „Heinrich Ihde", auf dem sein Großvater zur See gefahren war. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Traditionelle Seemannschaft auf Großseglern jetzt Immaterielles Kulturerbe

„Das Sailtraining, das Segeln auf traditionellen Großseglern ist gerade im März zum immateriellen Kulturerbe der deutschen UNESCO erklärt worden“, berichtet Nikolaus Kern nicht ohne Stolz. „Ich liebe ja diese großen Schiffe. Das ist die echte Seefahrt unter Segeln. Die hat mich gepackt.“ Das Segeln sei zudem die ökologische Reise in ihrer reinsten Form, denn: „An Bord lernt man schnell, dass man gegen die Natur nichts ausrichten kann, man muss mit ihr reisen.“

Er selbst habe bereits im Alter von „minus neun Monaten“ mit dem Segeln begonnen, erzählt er schmunzelnd. Mit seiner Leidenschaft für das Segeln auf den historischen Großseglern hat er auch schon seinen Sohn Henry Kern infiziert: „Er ist da mit hineingewachsen“, erzählt der Familienvater. Der Senior freut sich schon auf einen bevorstehenden einwöchigen Törn mit seinem Sohn auf einer gecharterten Yacht.

Segeln gehört bei den Kerns zur Familientradition

Diese Vater-Sohn-Touren gehören quasi zur Familientradition. Denn auch Nikolaus Kern hat Segeltörns mit seinem Vater in guter Erinnerung. Sein Vater war „Mr. Hafen“, Helmuth Kern. Von 1966 bis 1976 war dieser Hamburgs Wirtschaftssenator, in dessen Amtszeit Großprojekte wie der Ausbau des Hamburger Hafens, der Bau der Köhlbrandbrücke und des neuen Elbtunnels fielen.

Henry Kern in Aktion: Nikolaus Kerns Sohn hilft bei einem Anlegemanöver mit einem Traditionssegler.
Henry Kern in Aktion: Nikolaus Kerns Sohn hilft bei einem Anlegemanöver mit einem Traditionssegler. © Nikolaus Kern | Privat

Wie förderlich das Segeln in einer Crew für die Bildung eines Teams oder einer Beziehung sein kann, hat der 70-Jährige also schon in der Familie selbst erfahren. Gleiches gilt aber auch für das „Socializing“ von jungen Menschen, erläutert er: „So manche Mutter, so mancher Vater waren glücklich darüber, was ihr Kind bei uns an Bord gelernt hat: ob Ordnung halten, Kartoffeln schälen oder sich einfach in die Gemeinschaft integrieren.“

Das Konzept: Mitanpacken auf den Großseglern

Der Verein Clipper bietet schon seit 50 Jahren Fahrten für Jugendliche, jung gebliebene Erwachsene und Schulklassen. Zurzeit überwiegend auf der Ostsee zwischen Rostock und Göteborg, Aalborg und Köge. Das Mindestalter ist 15 Jahre, Vorkenntnisse sind nicht nötig. Sechs erfahrene, ehrenamtliche Crew-Mitglieder zeigen ihren Mitreisenden alles, was sie wissen müssen, Learning by Doing ist angesagt. Je nach Schiff können 26 bis 32 Leute mitreisen.

„Im Unterschied von vielen holländischen Organisatoren ähnlicher Törns, müssen unsere Teilnehmenden alle mit anpacken – vom Toilettenputzen über die Aufgaben in der Kombüse bis zum Segelsetzen“, erklärt Nikolaus Kern. Eine Ausnahme gibt es allerdings: „Bei uns muss niemand in die Masten“, erläutert der Reinbeker.

Unvergessliche Erlebnisse bei Sonnenaufgang

Dies hänge von der Größenordnung der Schiffe ab. „Die Vereinsgründer haben sich schon 1973 Gedanken gemacht, wie sie Unfälle vermeiden können. Denn die Sicherheit steht immer an erster Stelle. Deshalb haben sie die Schoner bis 36 Meter Länge gewählt, die alle von unten bedient werden können. Aber man staunt, wie viele dort oben hinaufklettern wollen.“

Alle werden in Gruppenwachen eingeteilt, die zwischen 0 und 12 Uhr vier Stunden, von 13 bis 0 Uhr drei Stunden dauern. „Aber wer schon einmal auf der Ostsee einen Sonnenaufgang erlebt hat, vielleicht vor den weißen Kreidefelsen von Mön, der weiß, wie unvergesslich dieses Erlebnis sein kann“, sagt Nikolaus Kern.

Im Team lernt man, auch Konflikte zu lösen

Sich mit anderen zu arrangieren, Ordnung halten und sich um seine Sachen kümmern, seien ein Muss. „Denn sonst herrscht schnell Tohuwabohu unter Deck, die Jugendlichen schlafen teilweise in Kammern für bis zu zwölf Leute“, erzählt Kern. Gerade auf längeren Törns gelte es, auch Konflikte zu lösen. „Das lernt man auf so einem Schiff“, weiß der erfahrene Segler.

Spaß und Abenteuer aber kommen bei den Törns nicht zu kurz: „Auf dem jüngsten Törn wollten alle gern noch um eine Woche verlängern“, erzählt Kern. Auch für 2023 geplante Reisen gibt es noch einige freie Plätze, beispielsweise für eine Jugendreise von Eckernförde durch die schwedischen Schären nach Frederikshavn (22. Juli bis 5. August, ermäßigt: 890 Euro samt Verpflegung, Hafengebühren und Motorstunden) oder eine allen Altersgruppen offen stehende Reise von Göteborg nach Göteborg (29. Juli bis 5. August, 650 Euro, ermäßigt 420).

3000 Mitglieder, 400 Aktive zählt Clipper

Jeder, der mitfährt wird Vereinsmitglied, der Jahresbeitrag beträgt 95 Euro, Jugendliche zahlen 40 Euro. Um die 3000 Mitglieder zählt der Verein – bundesweit. Nikolaus Kern freut sich besonders, wenn Lehrer, die einst als Jugendliche mitgesegelt waren mit ihren Schulklassen wiederkommen und auf große Fahrt gehen. „Etwas Besseres für das Teambuilding gibt es eigentlich nicht als so eine Klassenfahrt“, weiß er. Etwa 400 Mitglieder zählen zu den Aktiven, die die Törns begleiten oder sich im Winter um die Pflege der Schiffe kümmern. Die müssen keine Fachleute sein – „Wir sind ein Spiegel der Gesellschaft“, stellt Nikolaus Kern fest. Sie alle eint die Leidenschaft für die alten Großsegler. www.clipper-djs.org