Reinbek. Marinemusikkorps Kiel gibt Konzert in Reinbek. Warum Musicalexpertin Inga Hilsberg sich bei Bundeswehr als Dirigentin beworben hat.
Das Marinemusikkorps Kiel konzertiert auf Einladung des Lions Clubs Hamburg-Billetal am Donnerstag, 16. März, im Sachsenwald-Forum in Reinbek. Bemerkenswert ist, dass an seiner Spitze mit Kapitänleutnant Inga Hilsberg erstmals eine Frau steht. Das ist bislang nur bei einem weiteren Militärmusikkorps der Fall. Noch erstaunlicher ist, dass die Dirigentin bis vor Kurzem keinerlei Berührungspunkte mit der Bundeswehr hatte.
Statt dessen umfasste ihre berufliche Tätigkeit die faszinierende Glitzerwelt der Musicals, Opern, Operetten, Ballettmusik und klassischen Konzerte. Bis sie auf eine Stellenausschreibung der Bundeswehr stieß, die wie auf sie zugeschnitten schien. Scheu, die Abendrobe gegen die blaue Militäruniform zu tauschen, hatte Hilsberg nicht. Sie sagt: „27 Jahre lang habe ich alles gemacht, was mich erfüllt hat. Ich bin aber auch ein Freund davon, etwas Spannendes abseits traditioneller Wege zu wagen.“
Dirigentin durchlief eine militärische Grundausbildung
Spannend wurde es vor allem, nachdem sich Hilsberg im Bewerbungsverfahren gegen eine zweistellige Anzahl Konkurrenten durchgesetzt hatte. Denn wie jeder andere bei der Bundeswehr musste sie die Grundausbildung absolvieren – mit fast 50 Jahren. „Ich bin alt genug, ich wusste, was auf mich zukommt“, sagt sie.
Sie eignete sich soldatische Fähigkeiten an, lernte schießen, stellte ihre körperliche Belastbarkeit bei Märschen mit schwerem Gepäck und beim Kleiderschwimmen unter Beweis und durchlief die Ausbildung zur Ersthelferin. Ihr Dienstgrad sei gleichzusetzen mit dem des Hauptmanns im Heer. „Im Landes- und Bündnisfall würden wir als Sanitätssoldaten eingesetzt“, sagt sie. Auf dem Schlachtfeld frage keiner nach ihrem eigentlichen Beruf.
Militärorchester kämpfen noch immer mit Vorurteilen
Die Entscheidung, ein Militärorchester zu leiten, ist Hilsberg nicht schwergefallen. Denn so groß, wie viele meinten, sei der Unterschied nicht. „Ich komme aus dem klassischem Bereich. Die Besetzung eines Sinfonieorchesters ist zwar eine andere als bei einem großen sinfonischen Blasorchester. Rein fachlich ist es jedoch nichts anderes als das, was ich vorher gemacht habe. Die musikalische Arbeit ist dieselbe“, erläutert sie. Außerdem hätten Militärorchester „mit dem gemeinem Umtata nichts zu tun“. Das sei ein Vorurteil, mit dem sie leider immer noch zu kämpfen hätten.
Das Marinemusikkorps bestehe aus 50 hochprofessionellen, studierten Musikern, betont die Dirigentin. Und sei personell besser aufgestellt als die Orchester vieler Musicalhäuser, deren Besetzung immer weiter reduziert werde. „Da sind keine mehr am Start mit 27 Orchesterleuten. Diese Entwicklung will ich nicht mittragen, auch unter künstlerischen Gesichtspunkten nicht.“ Das Marinemusikkorps sei ein grandioses Orchester. „Da stehe ich dahinter, kann unglaublich viel gestalten.“
Programm beweist, wie vielfältig das Repertoire ist
Für das Konzert hat Hilsberg das Motto „Wind – Wellen – Abenteuer“ vorgegeben. Der dramaturgische Rahmen stelle die Musikstücke in einen thematischen Zusammenhang, was auch moderationstechnisch von Vorteil sei. „Es hat alles mit Marine zu tun“, sagt die Leiterin.
Da darf „In The Navy“ von den Village People nicht fehlen, ebenso ein Auszug aus der Wagner-Oper „Der fliegende Holländer“ oder das Shanty „Soon May the Wellerman Come“, besser bekannt als „Wellerman“. Hinzu kommt Filmmusik aus „Fluch der Karibik“ und „Die Piratenbraut“, außerdem die Komposition „Atlantis“ von Hilsbergs Kollegen Alexander Reuber. Mit seinem Programm präsentiert das Orchester in Reinbek einen Querschnitt seiner Bandbreite. In die Moderation lasse sie wichtige Infos einfließen, „aber ich erzähle keine musikgeschichtlichen Abhandlungen“, so Hilsberg. Denn die Zuhörer wollten charmant unterhalten werden.
Dienst ist Dienst – ob im Regen oder Konzertsaal
Das Wetter am Veranstaltungstag dürfte die Orchesterleiterin kaum interessieren. Anders sieht es bei offiziellen Anlässen aus. „Wir müssen bei einem Truppenzeremoniell auch schon mal im Regen auf dem Platz stehen und Standards wie ,Gruß an Kiel‘ oder ,Des Großen Kurfürsten Reitermarsch‘ spielen.“ Doch das mache ihr nichts aus. „Das gehört dazu.“ Ob Truppenzeremoniell, internationale Auftritte oder Wohltätigkeitskonzerte: Über mangelnde Abwechslung kann sich Kapitänleutnant Hilsberg nicht beklagen.
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Veranstaltungen, für die das Marinemusikkorps angefordert werde, müssen laut Hilsberg einen karitativen Zweck erfüllen. Damit gebe die Bundeswehr, die aus Steuermitteln finanziert wird, der Bevölkerung etwas zurück. „Das ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.“ Auf der Bundeswehr-Website heißt es: „Musik eines sympathischen Orchesters bewegt, setzt Emotionen frei.“ Das trägt zu einem positiven Image bei.
Spenden unterstützen die Arbeit mit Behinderten
Der Lions Club Hamburg-Billetal unterstützt mit dem Reinerlös des Konzerts das Don Bosco-Haus in Mölln, eine heilpädagogische Therapie- und Fördereinrichtung für Menschen mit schwersten Mehrfachbehinderungen. Lions-Mitglied Hans-Jürgen Böckel sagt: „Nach der zweijährigen Corona-Pause warten viele Besucher auf das Konzert.“ Die Kooperation mit dem Marinemusikkorps bestehe seit mehr als 20 Jahren und sei bereits eine eingespielte Tradition.
„Alle denken, ein Marinemusikkorps macht nur Märsche, doch das stimmt nicht“, stellt Böckel fest. „Das ist keine Hauruckmusik.“ Er freue sich, dass die neue Dirigentin frischen Wind mitbringe und auch andere, modernere Musik im Programm habe. „Damit können wir jüngere Leute wie Musikschüler und Musiklehrer ansprechen“, hofft Böckel.
Bislang brachten Konzerte vierstellige Summe ein
Der Club trage die Kosten für Technik und Saalmiete. Deren Anstieg habe zu einer Erhöhung des Eintrittspreises von 15 auf 18 Euro geführt. „Wir haben uns schwergetan, die Gebühr zu erhöhen“, so Böckel. Er habe zehn Tickets gekauft, die er größtenteils verschenke. Nicht jedoch ohne die Beschenkten um eine kleine Unterstützung zu bitten. Dazu können Besucher die vor Ort aufgestellte Spendenbox nutzen.
Böckel hofft, wie bei den letzten Konzerten eine Spende im mittleren vierstelligen Bereich zu erwirtschaften. Er ist überzeugt, dass das Geld einem guten Zweck dient: „Ich war schon mehrmals im Don Bosco-Haus. Es ist eine ehrenvolle Aufgabe, was dort geleistet wird.“
Benefizkonzert Do 16.3., 19.00, Sachsenwald-Forum, Hamburger Straße 8, Karte 18,–, Vvk.-Stellen in Reinbek: Buchhandlung Erdmann (Bahnhofstraße 10), Sachsenwald-Apotheke (Hamburger Straße 2), Buchhandlung von Gellhorn (Am Ladenzentrum 5); Wentorf: Buchhandlung Bücherwurm (Casinopark, Zollstraße 7), Ratsapotheke (Hauptstraße 2), Friseursalon Fraschak (Hauptstraße 9); Glinde: Juwelier Gustke (Markt 15), Bücherkate (Dorfstraße 2); Oststeinbek: Mühlenapotheke (Möllner Landstraße 28); Trittau: Alte Apotheke (Kirchenstraße 44); Barsbüttel: Erlen-Apotheke (Barsbütteler Hof 2a)