Bad Oldesloe. Premiere in Bad Oldesloe mit Gesangssolisten der Musikhochschule Lübeck. Warum Regisseur Dominik Wilgenbus Operetten-Fan ist.

Einen so unterhaltsamen wie abwechslungsreichen Abend können Freunde des klassischen Gesangs bei zwei musikalischen Komödien in Bad Oldesloe erleben. Ein junges Ensemble, bestehend aus Gesangssolisten der Musikhochschule Lübeck (MHL), bringt Franz von Suppés Operette „Die schöne Galathée“ und die komische Oper „Mavra“ von Igor Strawinsky auf die Bühne des Kultur- und Bildungszentrums (KuB). Die Doppelpremiere ist auf Freitag, 17. Februar (20 Uhr), angesetzt.

Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Robert Roche, Professor für Korrepetition. Regie führt Dominik Wilgenbus, der seit 1991 als Theaterregisseur, Autor, Übersetzer, Darsteller und Dozent tätig ist. Es ist bereits seine dritte Produktion für die MHL. Wilgenbus hat die Werke nach bestimmten Kriterien ausgewählt. Er sagt: „Wir hatten plötzlich keine tiefen Männerstimmen zur Verfügung und beide Werke kommen glücklicherweise ohne aus. Sie sind anspruchsvoll, aber nicht komplett überzogen.“

Operetten stellen viele Anforderungen an Sänger

Für Regisseur Dominik Wilgenbus ist die Arbeit mit dem jungen Ensemble „ein bisschen wie ein Jungbrunnen“.
Für Regisseur Dominik Wilgenbus ist die Arbeit mit dem jungen Ensemble „ein bisschen wie ein Jungbrunnen“. © picture alliance | Steffi Adam

Er freue sich, „wenn sich Hochschulen an Operetten wagen“, so der Regisseur. „Da lernt man das Meiste. Zusätzlich zur sängerischen Leistung muss man Dialoge sprechen, schauspielern und sich auf der Bühne bewegen. Ich wüsste kaum, wo man mehr lernen kann.“ Doch es gebe viele Vorurteile gegen Operetten, die oft als vermeintlich allzu leichte Unterhaltung missverstanden würden. Zutreffender sei die Definition des österreichischen Schriftstellers Karl Kraus, nach der die ideale Operette durch „vorsätzlichen Schwachsinn mit erzieherischem Effekt“ gekennzeichnet sei.

Strawinskys „Mavra“ sei keine Operette, sondern eine Opera buffa, die andere Anforderungen stelle. „Sie erfordert eine starke Stilisierung, fast eine Art Choreografie.“ Daran könnten sich die jungen Sängerinnen und Sänger schulen. „Man muss in jeder Sekunde wissen, was der kleine Finger macht.“ Das höre sich zwar anstrengend an, sei aber erforderlich. Bei Strawinsky müsse alles Überflüssige weg. „Die Darsteller machen solche überflüssigen Dinge, weil sie es gar nicht wissen. Daran können sie ihr Bewusstsein schärfen.“

Regisseur hat Sängern gegenüber Fürsorgepflicht

Einerseits ist für Wilgenbus die Arbeit mit den jungen Künstlern „ein bisschen wie ein Jungbrunnen“. Er lerne seinen Beruf auch von dieser Seite neu. Andererseits sei die Arbeit unter Hochschulbedingungen immer ein Kampf. „Die Studierenden haben so viel im Kopf wie anstehende Prüfungen und andere Projekte. Dass sie unter diesen Umständen drei zusätzliche Stunden am Tag sich auf Abläufe, Kritik und Korrekturen fokussieren und mit Begeisterung dabei sind, das bewundere ich.“

Ein guter Regisseur müsse bei seiner Arbeit mit Nachwuchssängern das richtige Maß finden. „Jetzt zum Beispiel muss ich ihnen sagen, die Energie, die ihr braucht, um das gut zu singen, muss ausreichen, um das auch gut zu spielen.“ Es dürfe nicht sein, dass die Darstellung zulasten des Singens gehe. „Sie müssen lernen, die Endkräfte für Proben und Aufführungen zu sparen und sich nicht auszubeuten.“ Die individuelle Belastungsgrenze hänge davon ab, wie robust die Stimme sei. Drei Tenöre, zwei Sopranistinnen und zwei Mezzosopranistinnen stehen auf der Bühne. „Und von der Stimme hängt zuallererst ihre Zukunft ab.“ Zu seinen Aufgaben zählten daher nicht nur die Inszenierung des Stücks und die Vermittlung darstellerischer Grundlagen, „sondern da spielt alles hinein“.

Galathée und Parascha sind selbstbewusste Frauen

Die Besetzung von „Mavra“ (v. l.): Iryna Kibartaite (Nachbarin), Wonjun Kim (Husar/Mavra), Johanna Thomsen (Mutter) und Pauline Kringel (Parascha).
Die Besetzung von „Mavra“ (v. l.): Iryna Kibartaite (Nachbarin), Wonjun Kim (Husar/Mavra), Johanna Thomsen (Mutter) und Pauline Kringel (Parascha). © Musikhochschule Lübeck | Dominik Wilgenbus

„Die schöne Galathée“ spiele im Original im antiken Griechenland. Wilgenbus hat den Text neu gedichtet. „Ich musste Pointen suchen und finden, die heute funktionieren.“ Die Handlung verlegte er in die Entstehungszeit des Werkes. Sie spielt in der Werkstatt des Pariser Künstlers Pylargon um 1860. Der südkoreanische Tenor Wonjun Kim verkörpert die Rolle. Als einziger der sieben Darsteller spielt er sowohl in der Operette als auch der Oper mit. Wilgenbus sagt, warum: „Lyrische Tenöre wären mit der Tenorrolle bei Strawinsky überfordert. Wonjun Kim ist stimmlich sehr weit, auch rein phonetisch.“

Pylargon wird damit konfrontiert, dass die schöne Frauenstatue, die er erschaffen und mit Leidenschaft zum Leben erweckt hat, einen schwierigen Charakter offenbart. Galathée (Flavia Striquer-Lima) ist zu seinem Missfallen auch an Midou (Yuto Todoroki) und Gérard (David Heimbucher) interessiert. „Einer ist stinkreich und denkt, mit Geld kann ich alles kaufen, der Zweite verlässt sich auf sein gutes Aussehen und der Dritte ist der Künstler, bei dem sie die Leidenschaft spürt“, beschreibt Wilgenbus die männlichen Charaktere. Galathée sei ebenfalls eine leidenschaftliche Figur. „Sie will sie alle drei und hat gar kein Problem damit.“ Geltende Moralvorstellungen und Konventionen wirft sie über Bord. „In der Begegnung mit Galathée offenbart sich, wie kleingeistig diese Männer sind und dass sie mit einer starken, selbstbewussten Frau nicht umgehen können.“

Strawinsky litt beim Komponieren unter Heimweh

Strawinskys „Mavra“ sei eine schöne Entdeckung, da er die Oper vorher nicht gekannt habe. An Strawinsky schätzt Wilgenbus „die wahnsinnige Offenheit, er hat immer wieder was Neues ausprobiert und sich im hohen Alter mit Zwölftonmusik beschäftigt“.

Das Werk habe der russische Komponist zu einer Zeit verfasst, in der er davon ausgegangen sei, sein Heimatland nie wiederzusehen. „Trotz aller Melancholie, die er empfunden haben muss, hat er ein so krass witziges Stück geschrieben und sich darin mit seiner musikalischen Heimat beschäftigt. Es könnte sein, dass er das mit dieser grellen Farce kompensiert hat. Das merkt man dem Werk allerdings nicht an“, erläutert Wilgenbus, der es inhaltlich mit einer schönen Seifenblase vergleicht, die platzt und als Anlass für die ganze perfektionistische Musikalität dient.

Tochter schmuggelt Freund in elterlichen Haushalt

In dem Einakter, angesiedelt in einem russischen Dorf Mitte des 19. Jahrhunderts, führen Parascha (Pauline Kringel) und Wassili (Wonjun Kim) eine heimliche Liebesbeziehung. Ihre Stunde schlägt, als Paraschas Mutter (Johanna Thomsen) nach einer neuen Dienstmagd sucht. Der verkleidete Wassili stellt sich daraufhin als Magd Mavra vor. Doch die Täuschung bleibt nicht unentdeckt.

Der Regisseur hat bei den Proben beobachtet, dass „sich die Arbeit in Form von Lust und Spaß bezahlt macht“. Diese Begeisterung sei für das Publikum spürbar und mache es glücklich. „Der größte Blödsinn ist nicht albern, sondern heiliger Unsinn. Das ist ein körperlich befreiendes wahnsinnig schönes Gefühl.“ Wenn die Zuschauer nach der Vorstellung einen Funken Lust verspürten, sich so einen heiligen Unsinn wieder anzuschauen, „dann haben wir viel erreicht“.

Junges Musiktheater Fr 17.2. und Sa 18.2., 20.00, So 19.2., 17.00, KuB, Beer-Yaacov-Weg 1, Karte 18,50/12,50 (erm.) im Vvk. unter kub-badoldesloe.de und in der Stadtinfo im KuB, Bestellung: Tel. 04531/504-199, an der AK 20,50/14,50 (erm.)