Reinbek. Trotz Sehbehinderung hat sich der 74-Jährige für die Reinbeker Belange eingesetzt. Warum dem SPD-Ortsverein Frauen fehlen.

Der Kniefall Willy Brandts im Dezember 1970 in Warschau war nicht nur der Beginn einer neuen Entspannungspolitik zwischen den Blöcken, sondern auch Auslöser für den Reinbeker Volker Müller, sich selbst politisch zu engagieren. „Ich mochte, wie Willy Brandt Politik machte“, sagt der 74-Jährige. Mit 24 Jahren trat Müller deshalb wie damals Tausende in die SPD ein und hält ihr bis heute die Treue.

Besonders findet er das nicht. Im Gegenteil: eher selbstverständlich. „Wenn ich mich für etwas entscheide, dann bleibe ich dabei“, sagt Müller. Den Wunsch, die Partei zu wechseln oder auszutreten, hatte er nie. „Die SPD ist die Partei der kleinen Leute. Dafür schlägt auch mein Herz.“

Ruhig und besonnen Jahrzehnte Kommunalpolitik gemacht

Tatsächlich ist die Loyalität der Reinbeker Genossen ihrer Partei gegenüber groß, sind 50 Jahre Parteimitgliedschaft keine Seltenheit. „Wir haben auch Mitglieder, die seit 60 oder 70 Jahren dabei sind“, sagt Ortsvorsitzender Gerd Prüfer. Eine Seltenheit aber ist, dass sich Volker Müller trotz seiner Sehbehinderung – er ist nahezu blind – Jahrzehnte für die Belange seiner Heimatstadt eingesetzt hat und 25 Jahre lang die Fraktion leitete.

„Ich ziehe den Hut vor seiner Arbeit, die sich durch seine ruhige und besonnene Art auszeichnet“, sagt Prüfer. Nicht nur dafür erhielt Volker Müller die Willy-Brandt-Medaille, eine besondere Auszeichnung für verdiente Genossen.

Anfang 2021 zog sich Müller aus der aktiven Politik zurück und gab den Fraktionsvorsitz an Nikolaus Kern ab. „Ich wollte Platz machen für die jüngere Generation“, sagt Müller. Unpolitisch ist er deswegen nicht. Aus der Ferne beobachtet der pensionierte Erzieher mit großem Interesse, was in Reinbek entschieden wird. „Ich hoffe sehr, dass die Genossen auch nach der Kommunalwahl im Mai weiter im Stadtparlament vertreten sind – am liebsten wieder als zweitstärkste Fraktion“, sagt Müller. Den Platz hatten die Grünen der SPD bei der letzten Kommunalwahl streitig gemacht.

SPD: Von 16 Wahlkreisen können maximal drei mit Frauen besetzen werden

Gerd Prüfer ist aktuell dabei, Kandidaten aufzustellen. Müller wird sich nicht mehr zur Wahl stellen. „Leicht ist es nicht, vor allem fehlt es an engagierten Frauen“, gibt er unumwunden zu. Davon gibt es zu wenig im Ortsverband. Wenn es gut läuft, kann er von 16 Wahlkreisen maximal drei mit Frauen besetzen. „Eine gute Durchmischung sieht anders aus“, sagt Prüfer.

Frauen wägen noch mehr ab als Männer, sei seine Erfahrung. Generell sei es schwierig, Neulinge für eine Mitarbeit in der Kommunalpolitik zu begeistern. Der Reinbeker SPD-Ortsverein ist zwar im Süden Stormarns mit 123 Mitgliedern der größte, „dennoch brauchen wir dringend Nachwuchs“, sagt Prüfer. Der heute 65-Jährige stieß vor elf Jahren zur SPD, übernahm vier Jahre später den Ortsvorsitz, ist aktuell Vorsitzender des Kultur-und Sozialausschusses und hat jede Menge Freude daran, sich im Kreistag und im Stadtparlament für soziale Themen einzusetzen.

Das will er auch nach der Kommunalwahl weiter tun. Zu tun gebe es genug: „Reinbek braucht unbedingt mehr bezahlbaren Wohnraum. Bei der Digitalisierung der Schulen hinken wir hinterher, und die Armut ist nach wie vor hoch“, sagt Prüfer.