Reinbek. Behindertenbeirat zeigt Probleme für Sehbehinderte im Straßenverkehr auf. Auch alte Menschen sind betroffen. Wo es hapert.
Wie viele sehbehinderte Menschen es in Reinbek genau gibt, ist nicht bekannt, die Zahlen werden nicht erhoben. „Fest steht aber, dass es immer mehr werden“, sagt Volker Müller (74), zweiter Vorsitzender des Behindertenbeirats der Stadt. „Allein durch die weit verbreitete Makula-Degeneration, eine Augenerkrankung, die vor allem Ältere trifft.“ Und die Bevölkerungsentwicklung, die immer ältere Reinbekerinnen und Reinbeker hervorbringt. „Sie tauchen zwar im Stadtbild nur selten auf, aber das liegt daran, dass sie sich häufig zurückziehen“, erklärt Antoinette Wagschal (53), Vorsitzende des Behindertenbeirats. Und das sei zumindest zum Teil darauf zurückzuführen, dass sie sich in Reinbeks Straßenverkehr unsicher fühlen.
Antoinette Wagschal, Volker Müller und ihre Mitstreiter wollen dies ändern und den Straßenverkehr in Reinbek sicherer gestalten. Sie hat nur noch 30 Prozent Sehfähigkeit, bewegt sich in Reinbek noch ohne weißen Stock. „Außer auf dem Täby-Platz, denn dort besteht Lebensgefahr“, sagt sie. „Die Autos fahren und parken dort kreuz und quer. Und ebenso wie am Bille-Center gibt es keine eigenen Gehwege für Fußgänger.“ Volker Müller ist blind und mittlerweile nur noch mit dem weißen Stock unterwegs – und das sehr aktiv. Er geht häufig von Neuschönningstedt nach Alt-Reinbek, nutzt dafür auch Feldwege. Denn dort fahren keine Autos.
Umbauten im Straßenverkehr nicht immer praxistauglich
Vieles sei in Reinbeks Straßenverkehr zwar auf einem guten Weg, aber die Mitglieder des Behindertenbeirates überprüfen die barrierefreien Umbauten stets auf ihre Praxistauglichkeit. So stand Volker Müller vor Kurzem plötzlich auf der Kreuzung Haidkrugchaussee/Möllner Landstraße mitten auf der Fahrbahn, wo die neuen Leitstreifen ihn hingeführt hatten. „Ein Auto hielt und dessen Beifahrerin war so nett, mich auf den Fußweg zu begleiten“, erzählt er. „Da hatte ich dann schon Herzklopfen.“
Doch zusammen mit dem neuen Leiter des Tiefbauamtes, Uwe Eckstein, hat der Behindertenbeirat die Probleme bereits besichtigt. „Dort wird in vier Wochen alles wieder umgebaut“, sagt Wagschal. Die Leitstreifen werden erneuert und die Signaltöne der Ampel, die der Orientierung dienen, sollen noch lauter werden. An der Ampel am Heideweg sei jetzt hingegen alles in Ordnung. Auch an der Möllner Landstraße nahe der Tankstelle sei auf der bereits umgebauten Seite alles okay. Gegenüber sollen noch Leitstreifen und Noppen eingebaut werden.
Klopftöne an Ampeln sind zu leise, Leitstreifen sind verwirrend
Auch die Ampel am Ebereschenweg wird nachgebessert: Der Mast der Signalanlage wird vom Bordstein weggerückt. „Denn Schulkinder, die dort mit dem Fahrrad die Straße queren wollen, stehen mit dem Vorderrad auf der Straße, wenn sie an der Ampel drücken“, erläutert Antoinette Wagschal. Die Änderung sei schon beauftragt. An der neuen Ampel vor dem Schulzentrum Mühlenredder hingegen gibt es noch Bedarf: „Dort ist der Klopfton zu leise und die Leitstreifen sind verwirrend“, berichtet die Gremiumsvorsitzende. „Außerdem fehlen die Leitstreifen zum Haltestellen-Unterstand.“ Die neuen Bushaltestellen an der Schulstraße wollen die beiden noch dem Praxistest unterziehen.
Aber sie haben noch andere Fußgängerüberwege zu beanstanden, an denen dringend etwas geändert werden müsse: Vor allem der Überweg über die Sachsenwaldstraße sei verbesserungsbedürftig. Er hat im Mai 2014 traurige Bekanntheit erlangt, als dort ein Lkw-Fahrer den Ampelmast rammte, an dem ein zehnjähriges Mädchen stand. Die Grundschülerin wurde so schwer verletzt, dass sie starb. „Damals hat man die Ampel nach hinten versetzt“, sagt Wagschal.
Überweg über die Sachsenwaldstraße noch immer nicht optimal
Doch heute noch stehen Fußgänger an dieser Ampel quasi wie auf einem Präsentierteller. Denn der Straßenverlauf führt, wenn man die Ortseinfahrt passiert hat und Richtung Westen fährt, auf der Kreuzung nach links. Wer geradeaus fährt, droht in die Bankette zu rutschen und könnte geradeaus auf den Ampelmast zusausen. „Es gibt hier kein Gitter, nichts“, stellt Müller fest. Kommt er von Norden aus dem schattigen Weg, wird er zuerst von der Sonne geblendet. „Den Ampelmast nehme ich dann nicht wahr“, erläutert er. „Er verschwindet im Licht.“ Außerdem gebe es weder einen Bordstein noch eine Markierung, die ihm signalisiert, wo der Gehweg aufhört und wo die Fahrbahn beginnt. „Hier stehe ich plötzlich auf der Fahrbahn. Das ist sehr gefährlich, an dieser Ampel fehlen jegliche Leitlinien und akustische Signale zur Orientierung“, stellt der 74-Jährige fest.
Weiter südlich an der Ecke Wohltorfer Straße/Schönningstedter Straße gibt es gleich zwei Überwege, die Volker Müller nicht allein nutzen könnte: „Auf dem Wohltorfer Weg kann ich überhaupt nicht erkennen, wann ich grünes Licht habe“, sagt er. Die Frage sei tatsächlich, ob er den Ampelmast allein finden könne, weil er von einem Laternenpfahl nicht zu unterscheiden sei. Hier fehlen nicht nur die Leitlinien und Orientierungstöne, sondern sogar der Anforderungstaster.