Reinbek. Reinbek. Wegen fahrlässiger Tötung der kleinen Sarah (10) wurde ein Lkw-Fahrer zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ein emotionaler Prozess.

Nur 2,6 Sekunden haben am 14. Mai vergangenen Jahres das Leben von Familie Mäckel aus Reinbek für immer verändert. So lange dauerte es, als ein Lkw-Fahrer (53) aus Buchholz gegen 13 Uhr von der Sachsenwaldstraße abkam, auf einen Grünstreifen geriet und dann mit voller Wucht in einen Ampelmast raste, neben dem die Schülerin Sarah Mäckel stand. Die Zehnjährige war auf dem Weg zu ihrer Oma, kam dort nie an.

Der Tag begann fröhlich, endete auf der Intensivstation

Mit zitternder Stimme erklärte Mutter Maren Mäckel gestern vor dem Amtsgericht Reinbek, wie sie und ihre Familie diesen Schicksalstag erlebt haben. Die Eltern der kleinen Reinbekerin waren Nebenkläger in dem Prozess, der allen an die Nieren ging. Am Ende ihrer Ausführungen hatten nicht nur sie und ihr Mann Tränen in den Augen.

„Unsere Kinder haben an diesem Tag gegen 7.45 Uhr fröhlich das Haus verlassen. Sie trugen einen Helm, gut sichtbare Kleidung und hatten voll funktionstüchtige Fahrräder“, erklärte die Mutter. Als sie gegen Mittag Martinshorn und Hubschrauber hörte, habe sie nicht mal geahnt, dass Ärzte, Feuerwehr und Sanitäter gekommen waren, um das Leben ihrer eigenen Tochter zu retten. Als plötzlich Polizei, Nachbarn und ihre Schwiegermutter vor der nur rund 50 Meter entfernten Wohnungstür standen, habe ein Albtraum begonnen, der bis heute nicht zu Ende sei.

„Wenig später saßen wir am Bett unserer Tochter auf der Intensivstation. Ab da begann das Hoffen, Beten und Bangen. 3000 lange Minuten, insgesamt 50 Stunden.“ Mit gebrochenem Herzen musste sie zwei Tage später erleben, wie sich Tochter Anna-Sophia von ihrer Zwillingsschwester verabschiedete – für immer.

Als die Richterin gestern Teile des Obduktionsberichtes vorlas, setzte sich das junge Mädchen (11) Kopfhörer auf, um nichts hören zu müssen. Ihr Vater verließ weinend den Gerichtssaal. Fest steht: Selbst die beste medizinische Versorgung hat Sarah nicht mehr helfen können. Das Mädchen war am Unfallort bereits hirntod.

„Unsere Trauer ist grenzenlos. Noch heute laufen wir jeden Tag an einer geschlossenen Kinderzimmertür vorbei und trauen uns nicht, hinein zu gehen. Aber irgendwann werden wir das tun müssen.“

Emotionale Ausführungen, die im Gegensatz zum einstündigen und sachlichen Vortrag eines Geesthachter Dekra-Gutachters standen.

Technischer Defekt kann ausgeschlossen werden

Es ging um Geschwindigkeiten, Bremswege und die Fahrtüchtigkeit des 7,5-Tonners. Das Ergebnis: Ein technischer Defekt kann ausgeschlossen werden. Der Fahrer, der seinen Beruf nicht mehr ausüben kann und seit dem Unfall in psychologischer Behandlung ist, kam von der Straße ab, weil er zu schnell und abgelenkt war.

Nachdem er rund 400 Meter hinter dem Ortseingangsschild mit Tempo 76 bis 82 von der Straße abgekommen war, prallte er mit 60 bis 70 km/h in den Ampelmast. Wäre er vorschriftsmäßig 50 km/h gefahren, wäre der Lkw bei gleichem Unfallhergang zehn bis zwölf Meter vor der Ampel zum Stehen oder Liegen gekommen.

Nicht geklärt werden konnte, wie der Fahrer reagiert hat, als sein Lkw von der Fahrbahn abkam. Bremsungen ließen sich nicht eindeutig nachweisen. Auch die vom Fahrer ausgesagte Gegenlenkung bestätigte ein Zeuge nicht. Er widersprach auch der Aussage des 53-Jährigen, im Verkehr mitgerollt und genauso schnell wie alle anderen gefahren zu sein: „Da waren keine Fahrzeuge vor ihm.“

Besondere Aufmerksamkeit widmete der Staatsanwalt der Frage, ob der Buchholzer, der die Unglücksstrecke zuvor schon mehr als 50-mal gefahren war, telefoniert hatte. Zwei Mobiltelefone hatte die Polizei am Unfallort sichergestellt. Telefonate konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Unter anderem, weil das Landeskriminalamt bei den Telefonanbietern 14 Tage später Verbindungsdaten anforderte, diese aber nur sieben Tage gespeichert werden.

Die schwere Frage nach der Schuld und dem Strafmaß

Am Ende blieb die Frage, mit welchem Strafmaß man ein Unglück bemisst, das nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde, sondern Folge einer Unaufmerksamkeit ist, die Sekundenbruchteile dauerte. Die Richterin schloss sich dem Plädoyer des Staatsanwalts an, der ein Jahr und drei Monate auf Bewährung gefordert hatte. Zudem verhängte sie 150 soziale Arbeitsstunden. Allen schien bewusst: Sowohl Familie Mäckel, als auch der Angeklagte haben lebenslänglich bekommen – in der Trauer und mit der Schuld.