Reinbek. Eigentümerstreit um Asbestsanierung gipfelt in Versteigerung: Angebauter Saal an Victor-Gollancz-Haus ist aber gesperrt.

Vorne hui und hinten pfui: So lässt sich der Zustand des Victor-Gollancz-Hauses an der Goetheallee wohl am treffendsten beschreiben. Am 23. Mai soll der angebaute Saal hinter der historischen, denkmalgeschützten Villa am Amtsgericht Reinbek versteigert werden.

Das ursprüngliche Herrenhaus wurde nach Einschätzung von Gisela Manzel, Vorsitzende des Geschichts- und Museumsvereins Reinbek, gegen 1890 erbaut und wurde als Privatkinderheim „Halleur“ genutzt. Um 1923 wurde es für Carl Joachim Heinrich Dobbertin umgebaut und fortan „Villa Dobbertin“ genannt. Das Haus wurde im Art-Deco-Stil hergerichtet, erhielt repräsentative Innenräume.

Versteigerung des Saals ist für den 23. Mai angesetzt

„Dobbertin war sehr mit Arthur Goldschmidt befreundet und half ihm während des Regimes der Nationalsozialisten“, berichtet Gisela Manzel. Arthur Goldschmidt war ein Opfer der Judenverfolgung und Überlebender des Konzentrationslagers Theresienstadt. Die Freunde waren Gründer der Reinbeker CDU und der Volkshochschule.

1957 kaufte die Hansestadt Hamburg das Gebäude des Salz- und Stahlhändlers Carl Dobbertin (1888-1960) als Seminarhaus für die Jugendarbeit. Den heutigen Namen erhielt es einige Jahre später zur Erinnerung an den persönlichen Einsatz des britischen Verlegers Victor Gollancz’ (1893-1967) nach Kriegsende gegen Hunger und Not, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. 2006 wurde die Villa von der Hansestadt an eine private Eigentümergemeinschaft verkauft

Das Saalgebäude hat eine Nutzfläche von 480 Quadratmetern

Jetzt kommt der Saal, vermutlich in den 1950er- oder 1960er-Jahren angebaut, der später von der Volkshochschule genutzt wurde, am Montag, 23. Mai, ab 9.30 Uhr unter den Hammer. Wie das Amtsgericht bestätigt, wurde die Teilversteigerung des eingeschossigen, unterkellerten Anbaus mit Flachdach samt 28 Parkplätzen von einer der beiden Eigentümerparteien beantragt.

Die Villa steht unter Denkmalschutz, das Saalgebäude somit im Ausstrahlungsbereich des Denkmalschutzes. Die Nutzfläche von 480 Quadratmetern verteilt sich auf Keller- und Erdgeschoss. Laut der vorliegenden Pläne gibt es im Untergeschoss einen Flur mit diversen Werk- und Sanitärräumen, im Erdgeschoss ein Foyer, ein barrierefreies WC, einen Abstellraum, einen Flur, eine Teeküche, ein Büro sowie den Saal.

Im privaten Victor-Gollancz-Haus wurde 2018 Asbest entdeckt

Eine Begutachtung des Saalgebäudes war im Juni 2021 allerdings nicht möglich, weil das Gebäude von den Behörden abgesperrt worden ist. Denn während der Asbestkrise um das Schulzentrum Mühlenredder 2018 hatte man im September auch Asbest im privaten Victor-Gollancz-Haus entdeckt. Nachdem die Eigentümer die Stadt darüber informiert hatten, dass der Saal möglicherweise belastet ist, hatte diese alle 25 Volkshochschul-Kurse abgesagt.

Es folgte ein Streit über Zuständigkeiten und Raumluftmessungen zwischen Vermieter und Stadt. Teilweise zankte man sich über die Medien: Fünf Jahre alter Asbeststaub habe laut einem Bericht des Fernsehmagazins Panorama noch an Fassade und Fenstern des Victor-Gollancz-Hauses geklebt. Das NDR-Magazin warf der Stadt Versäumnisse in der Gefahrenabwehr vor, verschwieg aber, dass diese nicht Eigentümerin der Immobilie ist. Laut Stadt Reinbek soll es dort keine Gefährdung der Öffentlichkeit gegeben haben. Zur Zuständigkeit der Gefahrenabwehr sagte Stormarns Landrat Dr. Henning Görtz schließlich: „Für die Abwehr von Gefahren, die von einer Immobilie oder ihrer Nutzung ausgehen, ist zunächst der Eigentümer – auch als Vermieter -- verantwortlich.“ Es obliege den Eigentümern, die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen.

Der Gutachter musste sich von außen einen Eindruck verschaffen

Seither sind die Räume gesperrt. Für die Ermittlung des Verkehrswertes von 153.000 Euro musste der Gutachter sich daher von außen einen Eindruck verschaffen. Außerdem griff er auf Baupläne und Vergleichswerte zurück.

Am 25. Juli 2020 gab es jedoch eine Begehung zur Probenentnahme für die Überprüfung auf Asbestbelastung. Der Asbestsachverständige teilte mit, dass im Saal im Erdgeschoss Holzdielen liegen, dass es in der Küche jedoch asbestverdächtige Flexplatten mit schwarzem asbestverdächtigem Kleber gebe. Die Decke sei erheblich durchfeuchtet, besonders im Vorraum und in der Teeküche. Auf dem Dach hätten sich Blasen gebildet und die Sanitärräume seien noch im Stil der 1970er-Jahre eingerichtet.

Nach Informationen unserer Zeitung sollen die beiden Eigentümer sich über eine Dachsanierung gestritten haben. Weil der eine den Auftrag immer wieder verzögert habe, habe der andere eine Teilungsversteigerung beantragt, um die andere Hälfte des Saals zu erwerben und dort endlich das Dach reparieren zu lassen.