Reinbek. Die Rate Neugeborener im St.-Adolf-Stift ist um 15 Prozent zurückgegangen. Ein Grund sind vermutlich die strengen Corona-Regeln.
Sie heißen Elias oder Noah und Mila oder Lina und erblickten im vergangenen Jahr in Reinbek das Licht der Welt. 2021 wurden im Krankenhaus St.-Adolf-Stift 666 Babys geboren, darunter 312 Mädchen und 354 Jungen.
Im Jahr zuvor waren es noch 115 Neugeborene, insgesamt 781. Den Rückgang von 15 Prozent erklärt sich die leitende Hebamme Susann Paul so: „Aufgrund der hohen Inzidenz hatte das Krankenhaus Reinbek es Vätern in der zweiten und dritten Welle nicht erlaubt, nach der Geburt in unser Familienzimmer zu ziehen.“ Das erkläre einen Rückgang der Geburten in den ersten Monaten im vergangenen Jahr. Die werdenden Eltern sind wahrscheinlich auf Geburtskliniken in der Umgebung ausgewichen, die nicht so strenge Regeln hatten. „Seitdem wir im Frühsommer die Familienzimmer wieder geöffnet haben und Besuche der Väter unter strengen Auflagen wieder erlaubt sind, haben sich die Geburtenzahlen im St.-Adolf-Stift erholt“, sagt Paul.
Im St. Adolf Stift in Reinbek sind weniger Kinder auf die Welt gekommen
Das Abwandern auf andere Geburtenstationen ist das eine, die allgemeine Verunsicherung über den Ausgang der Pandemie und möglicherweise auch die Angst junger Frauen, in der Schwangerschaft an Covid-19 zu erkranken, das andere. „Eine Impfung für Schwangere gibt es ja erst seit Kurzem“, weiß Andrea Schulz-Colberg, Sprecherin des Krankenhauses.
Die Pandemie zumindest dürfte Paare insgesamt in ihrer Familiengründung gebremst haben. Im zweiten Jahr in Folge ist die Zahl der im Reinbeker Standesamt angemeldeten Geburten auf niedrigem Niveau: Im vergangenen Jahr wurden 659 Geburten gemeldet, 2020 waren es 773 und vor zwei Jahren noch eine mehr, 774.
Einwohnerzahl der Stadt Reinbek ist seit Jahren erstmals nicht weiter gewachsen
Nicht nur in der Neugeborenenstatistik hat Corona seine Spuren hinterlassen – auch bei der Zahl der Verstorbenen. „Mit 1079 Sterbefällen hatten wir 2021 einen erheblichen Anstieg“, sagt Standesbeamtin Sylvia Schiwy. Vor der Pandemie, in 2019, verstarben 847 Reinbeker, ein Jahr später, in 2020, war die Zahl der Sterbefälle bereits um 91 Personen auf 938 angestiegen.
Der Einbruch der Geburten und der enorme Anstieg der Sterbefälle hat dazu geführt, dass die Einwohnerzahl Reinbeks zum ersten Mal seit Jahren nicht weiter gewachsen ist, bei rund 28.200 Einwohnern stagniert. Zur Jahrtausendwende lag die Einwohnerzahl noch unter der 25.000 Marke. „Zu großes Wachstum ist nicht gut für die Infrastruktur einer Stadt“, sagt Bürgermeister Björn Warmer. Denn dann müsse viel Geld in neue Kitas und Schulen investiert werden. Negatives Wachstum aber, wie in manchen Regionen Ostdeutschlands, sorge ebenfalls dafür, dass viel Geld in den Rückbau von zu groß gewordener Infrastruktur investiert werden muss.
Programm der Elternschule im St.-Adolf-Stift in Reinbek ist momentan sehr ausgedünnt
Dieses Szenario werde es in Reinbek aber nicht geben. Die elf Hebammen, die zwei Hebammenstudentinnen und das Ärzteteam unter der Leitung von Professor Dr. Jörg Schwarz sind sehr zuversichtlich, dass die Lust am Kinderkriegen mit dem Ende der Pandemie zurückkehren wird und die Zahl der Geburten wieder ansteigt.
Bis dahin müssen werdende Eltern weiter mit den Einschränkungen der Corona-Zeit leben. „Das Programm unserer beliebten Elternschule mussten wir coronabedingt ziemlich ausdünnen, insbesondere die Sportkurse wurden gestrichen. Die Infoabende oder der Tag der offenen Tür sind weggefallen, das Mütter-Café ist seit zwei Jahren geschlossen. Das macht uns traurig“, sagt Krankenhaussprecherin Andrea Schulz-Colberg.
Einige Kurse werden online angeboten oder wurden nach außerhalb des Krankenhauses verlegt, wie der Geburtsvorbereitungskurs im Tanzsaal in Curslack, in dem Paare unter 3G-Regel von Hebamme Xenia Nosow an drei Terminen auf die Geburt und die erste Zeit als Eltern vorbereitet werden.
Unter strengen Auflagen können sich vorab die Kreißsäle angeschaut werden
Ab der 34. Schwangerschaftswoche können sich Schwangere im Krankenhaus für die Geburt anmelden – telefonisch oder auch persönlich unter strengen Auflagen, um schon einmal die Luft in einem der drei Kreißsäle zu schnuppern. Dann können die Schwangeren mit dem Personal der Geburtenstation Vorerkrankungen und den Schwangerschaftsverlauf besprechen oder offene Fragen klären und beruhigter die Geburt erwarten.
Sobald ab der 36. Schwangerschaftswoche die Wehen einsetzen oder die Fruchtblase platzt, sollten die Schwangeren nicht länger warten und sich mit ihrer Tasche auf den Weg ins Krankenhaus machen.
Familienangehörige können sich das Baby erst Zuhause angucken
„Zunächst kommt nur die werdende Mutter allein in den Kreißsaal, dort werden ein Schnelltest und PCR-Test gemacht. Ist die Frau im beginnenden Geburtsprozess, wird der Partner dazu geholt und erhält einen Schnelltest im hinteren Nasen-Rachenbereich“, sagt Hebamme Susann Paul. Dann sollte der werdende Vater alles dabei haben, denn danach darf er den Saal nicht mehr verlassen – auch nicht um das Auto umzuparken oder um eine beruhigende Zigarette zu rauchen.
Rund drei Tage bleiben die Frauen mit ihren Babys im Krankenhaus. Weitere Familienangehörige müssen Geduld aufbringen, können sich das Baby erst Zuhause angucken. „Für die Mütter und das Baby ist das ein Vorteil, sie haben dann Ruhe, um sich kennenzulernen“, sagt Andrea Schulz-Colberg.