Reinbek. Schuh Eggers schließt die Filiale zum Jahresende. Immer mehr kleine Geschäfte verschwinden – auch in anderen Städten.
Vier Immobilienmakler (und der Schaukasten einer Immobilienfirma), drei Hörgeräteakustiker, zwei Sparkassen, zwei Banken und zwei Bestattungsunternehmen: In Reinbeks Innenstadt rund um die Bahnhofstraße gibt es zwar nicht viel Leerstand, doch immer mehr Geschäfte verschwinden sang- und klanglos und werden durch Büros und Agenturen ersetzt, die nicht gerade zum Bummeln einladen.
Zum Ende des Jahres schließt nach 23 Jahren jetzt Schuh Eggers, wie Geschäftsführer Jan Eggers unserer Redaktion bestätigte. „In Reinbek gibt es einfach zu wenig Kundenfrequenz, das rechnet sich dort nicht“, begründet er diesen Schritt.
Ladensterben auch in Reinbek - Schuh Eggers schließt Filiale
Zwei seiner drei Mitarbeiterinnen behalten ihre Stellen und werden in anderen Filialen eingesetzt. Eine Verkäuferin geht in Rente. Die anderen Niederlassungen, darunter die in Glinde an der Mühlenstraße, seien nicht betroffen, betont Eggers. Laut der Unternehmenshomepage ist die Eggers-Gruppe eigentlich eher auf Expansionskurs, im Jahr 2000 kaufte man die Kette Armbruster mit fünf Filialen in Hamburg auf. Mit 94 Filialen nennt sich Schuh Eggers größter Schuh-Einzelhändler Norddeutschlands.
„Das ist aber ein Jammer“, stellte gestern Gabriele Schiweck aus Glinde fest. Sie wartete gerade auf ihren Arzttermin und vertrieb sich die Zeit an der Bahnhofstraße. Die Schilder, die einen Räumungsverkauf mit 20 Prozent Rabatt ankündigen, waren ihr noch nicht aufgefallen. „Ich habe hier sogar schon Schuhe gekauft, mehr aber noch in der Filiale bei uns in Glinde“, erzählt sie. „Das ist dann wieder ein Laden weniger. Aber in Glinde ist es noch viel schlimmer mit den Leerständen. Die Leute kaufen eben lieber im Internet, das ist ärgerlich.“
"Vor 30 Jahren hatten wir einmal 40 Geschäfte an der Bahnhofstraße"
Die Reinbekerin Karin Niemann , Anwohnerin der Bahnhofstraße, ist bei Schuh Eggers noch fündig geworden. „Es ist schade um das Geschäft“, sagt sie. „Aber ich fürchte, wir können es nicht ändern, wenn wir dort nicht einkaufen.“ Sie habe jetzt noch einmal zugeschlagen und ein bequemes Paar Schuhe erwischt.
Heinrich Rathmann, Inhaber des gleichnamigen, 1871 gegründeten Feinkostgeschäftes an der Bahnhofstraße, bedauert es ebenfalls, dass Schuh Eggers die Reinbeker Filiale aufgibt. „Vor 30 Jahren hatten wir einmal 40 Geschäfte an der Bahnhofstraße. Dort brauchen wir jetzt etwas anderes als eine Psychotherapie-Praxis“, stellt er fest. „Wir brauchen ein Geschäft, das Frequenz bringt. So etwas wie Tchibo. Die sind ein echter Magnet.“ Seine Frau Brigitte Rathmann stimmt ihm zu: „Eine Kundin klagte neulich, dass sie in Reinbek nicht einmal mehr einen Schlübber bekommt. Wir brauchen ein Textilgeschäft für den täglichen Bedarf mit ein paar Kurzwaren. So etwas fehlt hier.“
Kunden beachten nicht, wer Steuern zahlt und Arbeitsplätze schafft
Heinrich Rathmann sieht die Ursache nicht allein in Reinbek. „Das Ladensterben gibt es auch in Bergedorf“, sagt er. „Das liegt nicht daran, dass die Menschen zu wenig Geld haben. Die Kunden werden bequemer. Sie fahren lieber mit dem Auto zum Supermarkt und kaufen dort alles ein, statt verschiedene Produkte in Fachgeschäften zu kaufen.“ Er bedauert es, dass es die Corona-Pandemie den Geschäftsleuten zurzeit erschwere, auf sich aufmerksam zu machen. „Wenn ich an das Lichterfest der vergangenen Jahre denke – das hat immer viele Kunden in die Innenstadt gezogen.“
Auch Nico Ellermann, Inhaber des Hausrat- und Eisenwarenhandels von 1872 an der Bergstraße, würde in dem Schuhgeschäft lieber einen inhabergeführten Laden als einen weiteres Maklerbüro sehen. „Aber ich fürchte, diese Entwicklung lässt sich nicht mehr umkehren“, sagt er. „Die Leute kaufen bei Zalando im Internet. Besonder im Lockdown haben sie bemerkt, wie bequem das ist. Sie sehen nicht, dass wir der Stadt Gewerbesteuern zahlen und unsere Mitarbeiter anständig vergüten. Würde ich das nicht tun, könnte ich doch mit den Preisen im Internet locker mithalten.“ Das Ergebnis sei eine Verarmung aller deutschen Städte.
Diese beklagt auch eine ironisch gefärbte Diskussion auf Facebook. Als einziges Gegenmittel hilft wohl nur, vor Ort einzukaufen.