Ahrensburg/Reinbek. Innerhalb eines Jahres haben laut Arbeitsagentur rund 370 Beschäftigte die Branche verlassen. Auswirkungen auf Öffnungszeiten.

Nach monatelangem Lockdown können Hotels und Gaststätten im Kreis Stormarn unter Auflagen wieder öffnen. Das Problem: Häufig finden sie kein Personal, das die Gäste bedient. „Das Gastgewerbe blutet seit Beginn der Pandemie personell aus“, sagt Silke Kettner, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in der Region Hamburg-Elmshorn. „Dringend gebrauchte qualifizierte Kräfte sind in andere Bereiche abgewandert.“ Nach Angaben der Arbeitsagentur haben im Kreis Stormarn allein von Juni 2019 bis Juni 2020 rund 370 Beschäftigte das Gastgewerbe verlassen – das ist jeder neunte Arbeitnehmer (minus elf Prozent).

Restaurantchef aus Bargteheide sucht dringend Personal

Matthias Wullbrand, Inhaber des Restaurants Utspann in Bargteheide, sagt: „Wir sind auf der Suche nach Personal für die Küche und den Service. Die Belegschaft war in Kurzarbeit, und da haben sich einige Mitarbeiter des Betriebs einen anderen Job gesucht.“ Er hofft, bald geeignetes Personal zu finden. „Da wir im Restaurant nicht voll besetzt sind, haben wir zurzeit eingeschränkte Öffnungszeiten und einen Ruhetag mehr“, sagt er. „Mitarbeiter, die eine andere Stelle gefunden haben, sind schwer für die Gastronomie zurückzugewinnen.“

Heiko Bringezu (l.), hier mit Jeremy Gerstmeier, hat die Löhne in seinem Restaurant erhöht, um neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Heiko Bringezu (l.), hier mit Jeremy Gerstmeier, hat die Löhne in seinem Restaurant erhöht, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. © Pia Rabener | Pia Rabener

Im Restaurant Bringezu in Reinbek sieht es laut Inhaber Heiko Bringezu besser aus. „Sechs Aushilfen haben unseren Betrieb in den vergangenen Monaten aufgrund der Schließung verlassen, aber wir haben bereits neues Personal gefunden“, sagt er. „Jetzt sind wir seit Anfang Juni raus aus der Kurzarbeit.“ Um für neue Mitarbeiter einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten, hat Bringezu das Personalbudget und die Löhne erhöht sowie ein Marketingkonzept erstellt.

Er habe von anderen Gaststätten gehört, die noch geschlossen bleiben müssten, da Personal fehle. Während der Schließung hat das Reinbeker Restaurant einen Außer-Haus-Verkauf angeboten. „Das haben wir eher gemacht, um den Auszubildenden etwas beibringen zu können und die Mitarbeiter bei Laune zu halten“, sagt Bringezu. „Wirklich Geld haben wir damit nicht verdient.“ Er blickt optimistisch in die Zukunft und stellt deshalb auch weiter neues Personal ein. „Wir haben zwar in diesem Jahr noch keinen Umsatz gemacht, aber ich denke, dass sich die Situation in der Gastronomie jetzt positiv entwickelt“, sagt er.

Hotelchef aus Ahrensburg: Auslastung liegt bei 60 Prozent

Axel Strehl aus Ahrensburg, Landesvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), sagt: „Es war zu erwarten, dass sich die Beschäftigten im Gastgewerbe, wenn sie in Kurzarbeit sind, eine andere Arbeit suchen.“ Das Kurzarbeitergeld sei eine gute Sache. „Es dauert jetzt aber eine Weile, bis sich die angespannte Lage in Hotels und Gaststätten wieder entspannt. Unsere Branche war krisensicher und in den vergangenen zehn Jahren ging es bergauf. Die Personalsituation löst sich nicht von heute auf morgen.“

Im Hotel Am Schloss in Ahrensburg haben vier von 35 Mitarbeitern den Betrieb in den vergangenen Monaten aufgrund des Lockdowns verlassen. „Wir konnten sechs neue Mitarbeiter einstellen, davon zwei Auszubildende“, sagt Hoteldirektor Eugen Benz. „Bei uns sind sieben Angestellte noch vollständig zu Hause und die, die vor Ort sind, arbeiten oft beispielsweise sechs anstatt acht Stunden, da unser Hotel noch nicht wieder voll gebucht ist.“ Derzeit liege die Auslastung bei durchschnittlich 60 Prozent. Zum Vergleich: Während des ersten Lockdowns im Frühling des vergangenen Jahres war das Hotel zu maximal 20 Prozent ausgelastet. „Wir merken schon, dass viele Tagungsgäste auf Videokonferenzen umgestiegen sind und wir so weniger Geschäftsreisende bei uns im Hotel beherbergen“, sagt Benz.

Hotelinhaberin sucht Gespräch mit dem Bundespräsidenten

Birgitt Büchner, Inhaberin des Ringhotels in Ahrensburg, hat bereits mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über das Thema Mitarbeiter gesprochen.
Birgitt Büchner, Inhaberin des Ringhotels in Ahrensburg, hat bereits mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über das Thema Mitarbeiter gesprochen. © HA | Carl Schreiber

Birgitt Büchner, Inhaberin des Ringhotels in Ahrensburg, sagt: „Aufgrund der Kurzarbeit haben sich viele eine andere Beschäftigung gesucht.“ Bei einem persönlichen Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anlässlich seiner Reise entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze in Norddeutschland und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) machte sie bereits Vorschläge, um den Mitarbeitern im Hotel- und Gaststättengewerbe eine Zukunftsperspektive zu bieten. „Erstens würde ich den Progressionsvorbehalt neu überdenken, was der Bundespräsident mit dem Bundesfinanzministerium erörtern möchte“, sagt Büchner. „Zweitens würde ich eine Art Saison-Kurzarbeitergeld für drei Monate jährlich einführen, die der Unternehmer dann individuell für sich einsetzen kann – je nachdem, wie der saisonale Umsatzeinbruch ausfällt, wenn das Kurzarbeitergeld nicht verlängert wird.“ Auch sie habe die Erfahrung machen müssen, dass Personal in andere Branchen gewechselt sei. Büchner sagt: „Die Kündigung fiel unseren Arbeitnehmern wirklich nicht leicht, weil sie sich bei uns sehr wohl gefühlt haben. Die Begründung war, dass sie sich Sorgen um ihre Zukunft machen und Familien ernähren müssen.“

Gewerkschaft fordert Zukunftsplan für die Region

Aus diesem Grund müssten die Politik und das Hotel- und Gaststättengewerbe Lösungen finden, sonst steuere man auf eine personelle Katastrophe zu. „Jeder möchte sich mal eine Auszeit gönnen und schick essen gehen, sich im Hotel verwöhnen lassen, aber dafür müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen und den Arbeitnehmern eine Zukunftsperspektive in unserer Branche gegeben werden“, sagt Birgitt Büchner.

Die NGG Hamburg-Elmshorn ruft den Dehoga dazu auf, gemeinsam einen Zukunftsplan für die Region zu entwickeln. Zwar seien viele Betriebe durch die Pandemie hart getroffen. Doch strukturelle Probleme gebe es schon seit Langem. Mit Blick auf die Sommersaison habe der Schutz der Beschäftigten vor Infektionen höchste Priorität. Geschäftsführerin Silke Kettner sagt: „Wirte und Hoteliers müssen erkennen, dass die Mitarbeiter im Dienstleistungsbereich das höchste Gut sind und sie auch so behandeln und bezahlen.“