Reinbek/Wentorf. Gemeinschaftsschulen der Region sind sich uneins: Präsenz- oder Online-Unterricht? Oftmals ist die Raumsituation auch ein Problem.

Trotz der pandemiebedingten Schulschließungen sollen die Neunt- und Zehntklässler seit diesem Montag auf ihre Abschlussprüfungen im Präsenzunterricht vorbereitet werden, hatte das schleswig-holsteinische Bildungsministerium am vergangenen Mittwoch verkündet. Doch bei der Umsetzung herrscht Uneinigkeit.

Während manche Gemeinschaftsschulen in Stormarn am Montag noch keine Entscheidung dazu getroffen hatten, ob und welche Präsenzangebote sie für die Abschlussjahrgänge bereitstellen, erteilten andere dem Lernen vor Ort bereits eine klare Absage. „Ich kann es nicht verantworten, mehr als 100 Schülerinnen und Schüler sowie zahlreiche Lehrkräfte zusätzlich zu den Fünft- und Sechstklässlern, die derzeit eine Notbetreuung in Anspruch nehmen, in die Schule zu holen“, sagt Thomas Gehrke, Leiter der Ahrensburger Gemeinschaftsschule Am Heimgarten.

Kritik: Ansteckungsrisiko übersteigt den Mehrwert durch Präsenzunterricht

Die Ansteckungsgefahr sei zu groß. Auch die Schulleitung der Gemeinschaftsschule Reinbek kommt ins Schwitzen. Am Montag waren Schulleiter Dirk Böckmann und sein Stellvertreter Thomas Diedrich dabei, zu überlegen, wie sie einen Präsenzunterricht für die Abschlussklassen organisieren könnten. „Das ist absurd, Ministerpräsident Daniel Günther sagt, wir sollen jeden Kontakt vermeiden. Und wir holen uns auf einen Schlag 200 Schüler ins Haus?“, stellt Thomas Diedrich fest. „Das funktioniert mit unserer aktuellen Raumsituation nicht. Da können wir kein Hygienekonzept einhalten.“

Zurzeit wird das Schulgebäude saniert. Die 800 Schüler sind in die Campusschule aus Mobilklassen umgezogen. Dort können mit Abstand nur acht Schüler gleichzeitig lernen. Eine Aula oder Sporthalle hat die Schule auch nicht. Zudem bittet Diederich, zu bedenken, dass Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe prozentual mehr Abschlussschüler haben als andere Gemeinschaftsschulen oder Gymnasien. Dafür reiche schon die Zahl der Lehrer nicht aus. Jetzt sollen als erste die Abiturienten zurück in den Unterricht kommen. „Wir möchten selbstverständlich gern die Abschlussschüler der neunten und zehnten Klassen dazu holen“, betont Thomas Diedrich. Im Frühjahr 2020 hat die Schule die Jahrgänge abwechselnd unterrichtet.

Stormarns Schulrat: Lehrer und Eltern sorgen sich vor Ansteckung

Stormarns Schulrat Michael Rebling kennt die Vorbehalte. „Die Lehrerinnen und Lehrer sind besorgt, dass sie sich anstecken können. Auch Eltern sorgen sich. Das ist nachvollziehbar“, sagt Rebling. „Doch wir müssen die Vorgaben des Ministeriums umsetzen. Die Abschlussprüfungen beginnen am 23. März. Bis dahin ist nicht mehr viel Zeit.“ Und bisher hätten sich nur wenige Schüler und Lehrkräfte in der Schule angesteckt. Für das Bildungsministerium sind die Präsenzangebote indes verpflichtend.

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„Die Kann-Formulierung bezieht sich darauf, dass es der Schule erlaubt ist, trotz vorläufigem Distanzlernen die Abschlussjahrgänge zur Prüfungsvorbereitung ins Haus zu lassen“, erklärt Ministeriumssprecher David Ermes auf Anfrage. Klar sei, dass vor Ort strenge Regeln gelten: „Die Angebote finden in Kleingruppen mit Abstand, Hygienekonzept und Maskenpflicht statt.“

Spagat zwischen Präsenz- und Distanzunterricht ist für Lehrkräfte groß

Die Gemeinschaftsschulen der Region gehen derzeit unterschiedlich bei der Umsetzung vor. Susanne Wischmeyer, Leiterin der Gemeinschaftsschule Wentorf, kommt gut zurecht: „Unsere 52 Schüler der neunten Klassen, die voraussichtlich den ESA-Abschluss machen, und die 75 Zehntklässler sind heute zum ersten Mal wieder da“, erzählte sie gestern. „Sie sind froh, wieder in der Schule zu sein.“ Die Kinder seien mittlerweile geübt darin, das Hygienekonzept einzuhalten. Die Klassen werden auf zwei Räume aufgeteilt. „Alles läuft entspannt, auch wenn es für die Kollegen eine Herausforderung ist, weil sie parallel das Homeschooling für die Jüngeren vorbereiten. Wir haben uns mit dem Personalrat zusammengesetzt und alles vorbereitet.“

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An der Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule in Glinde kommen die Neunt- und Zehntklässler nur tageweise versetzt in die Schule und lernen an den anderen Tagen zu Hause. „Vor Ort teilen wir eine Klasse auf mehrere Räume auf, um genügend Abstand zu gewährleisten. Die Abschlussschüler sind dankbar, dass sie zeitweise in die Schule kommen dürfen“, sagt Ulrike Kindervater, kommissarische Schulleiterin, die in den kommenden drei Wochen an diesem Modell festhalten will. Gleichwohl sei es ein Kraftakt: „Für die Kollegen ist der Spagat zwischen Präsenz- und Distanzunterricht groß. Eben noch eine Videokonferenz zu organisieren und dann in den Präsenzunterricht zu eilen, ist anstrengend.“

Am Freitag erste Abstimmungen zum weiteren Vorgehen

Am kommenden Freitag beginnen im Schulausschuss erste Abstimmungen zum weiteren Vorgehen. Um ein umfassendes Bild über die Umsetzung des Unterrichts für die Abschlussklassen zu erhalten, startet die Schulaufsicht an diesem Dienstag eine Umfrage unter den Schulen. Geht es nach Bildungsministerin Karin Prien, kehren im Februar Schritt für Schritt auch die anderen Jahrgänge in die Schulen zurück – in Abhängigkeit vom Corona-Infektionsgeschehen, den Inzidenzwerten vor Ort und der Entwicklung der Mutationen des Virus. Steige die Inzidenz über 50 pro 100.000 Einwohner, würden Schüler ab Jahrgangsstufe 7 zwischen Präsenz- und Distanzunterricht wechseln, auch die Maskenpflicht bleibe inzidenzabhängig, so Prien.