Glinde. Betreiber des mehrfach ausgezeichneten Restaurants verkaufen die Villa Bode. Politik spricht von „Skandal“. Droht nun der Abriss?
Es war ein Aushängeschild für Glinde, das italienische Nobel-Restaurant San Lorenzo am Mühlenteich. Bürgermeister Rainhard Zug spricht von einem Leuchtturm. Seit der Corona-Pandemie ist der Gourmet-Tempel geschlossen. Jetzt herrscht Gewissheit: Er wird nicht wieder öffnen. Die Betreiber, Iris und Giuseppe Dellavecchia, haben die Immobilie, in der Stadt unter dem Namen Villa Bode bekannt, verkauft.
Bei der Politik herrscht Entsetzen: Sie hatte auf Wunsch des Paares einen Bebauungsplan verabschiedet zwecks Erweiterung. Der neue Eigentümer hat dadurch die Möglichkeit, das Gebäude abzureißen und zum Beispiel einen dreigeschossigen Komplex mit Luxus-Wohnungen zu bauen. Den Entscheidungsträgern ging es jedoch ausschließlich darum, den Betrieb zu erhalten. Ein anderes Haus wollen sie dort nicht.
Politiker zu Verkauf der Villa Bode: „Skandal“
„Das ist ein Skandal. Ich hoffe, dass es gut ausgeht“, sagt Peter Michael Geierhaas und meint damit den Erhalt der 1887 erbauten Gründerzeitvilla in derzeitiger Form. Der Sozialdemokrat hatte in den vergangenen Jahren während der Diskussionen um den Bebauungsplan immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, dass der jetzige Fall eintreten könnte. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell passiert.“
Wer der neue Eigner ist und wie viel Geld dieser für die Immobilie bezahlt hat, will Giuseppe Dellavecchia nicht verraten. Ein siebenstelliger Betrag dürfte es gewiss gewesen sein. Das Grundstück befindet sich in exponierter Lage. Und durch das Wohlwollen der Politik ist das Objekt noch wertvoller geworden. Ohne den Beschluss wäre ein Neubau ausgeschlossen.
Aus fürs San Lorenzo – die Gründe
Auskunftsfreudiger ist der 54-Jährige beim Thema Geschäftsaufgabe: „Die Corona-Pandemie hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir bekommen einfach kein qualifiziertes Personal.“ Lediglich zwei seiner Angestellten seien geblieben, die anderen hätten sich umorientiert.
Deshalb habe das San Lorenzo nach den Lockerungen auch nicht den Betrieb aufgenommen. „Für meine Frau und mich ist es ein großer Schritt gewesen, diese Entscheidung zu treffen und das Gebäude zu veräußern.“
Bistro Lorenzino in Reinbek bleibt bestehen
Die verbliebenen Fachkräfte hat er im Bistro Lorenzino in Reinbek untergebracht. Die Gastronomie liegt gegenüber dem Freizeitbad. Integriert ist ein Catering-Service inklusive Online-Shop. Das Gebäude dient zugleich als Eventlocation. Auf Feiern haben bis zu 150 Personen Platz.
Giuseppe Dellavecchia ist geschäftsführender Gesellschafter und betreibt noch einen Großhandel, beliefert andere Betriebe mit italienischen Spezialitäten. Dieses Segment ist der Umsatzbringer.
In Corona-Zeiten hat der Geschäftsmann eine weitere Aufgabe gefunden, entwickelt Restaurant-Konzepte für eine Hotelkette. „Meine Frau arbeitet jetzt im Lorenzino, kümmert sich um Finanzen und Personal.“
San Lorenzo im Gault-Millau erwähnt
Die Dellavecchias übernahmen die Villa Bode 1998 als Pächter, kauften das Haus 2007. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung wurde das San Lorenzo vom Guide Michelin erwähnt, es folgten namhafte Restaurant-Führer wie Gault-Millau und der Aral-Schlemmer-Atlas.
Die Zeitschrift „Der Feinschmecker“ wählte es auf Platz zehn der besten Italiener hierzulande. Die Juroren lobten neben den Speisen vor allem die große Weinauswahl, das Ambiente und die Herzlichkeit der Gastgeberin Iris Dellavecchia. „Sie bringt Sonne ins Gemüt“, heißt es in dem Votum der Experten. Das Restaurant erlangte Bekanntheit weit über die Grenzen Glindes.
Restaurant sollte eigentlich vergrößert werden
Die 70 Plätze reichten den Betreibern nicht mehr, 20 sollten hinzukommen. Nicht nur deswegen wollten die Gastronomen das Gebäude erweitern. Geplant waren ein barrierefreier Zugang, eine größere Küche sowie eine Extra-Spülküche, moderne sanitäre Anlagen und ein Ausbau des Wohnbereichs.
Giuseppe Dellavecchia beauftragte den Architekten Robert Schmidt-Eichberg mit der Planung. Einen ersten Entwurf lehnte die Politik 2017 ab. Das Volumen war ihr zu groß. Der Gastronom besserte nach, reduzierte die Grundfläche um 27 Prozent auf 226 Quadratmeter.
Neues Staffelgeschoss wurde möglich gemacht
Dann monierten Entscheidungsträger die GRZ. Sie bestimmt den Flächenanteil eines Grundstücks, der bebaut werden darf und lag immer noch bei 0,3. Der Architekt erklärte, dass dieser Wert für das Gebäude nicht ausgeschöpft wird, er diesen aber für die Umgestaltung der Außenanlagen benötigt. Als Beispiel nannte er die Terrasse.
Mit diesem Argument wurde die Politik überzeugt. Sie akzeptierte zugleich, dass die Villa von 8,40 auf 11,30 Meter erhöht und auf die erste Etage ein Staffelgeschoss gesetzt werden sollte. Die Mehrfamilienhäuser in der Nachbarschaft sind dreigeschossig. Der Anbau hätte sie nicht überragt.
Ein City-Manager für einen Restaurant-Ersatz?
Im Januar dieses Jahres segnete die Stadtvertretung den Bebauungsplan bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen ab. 26 Politiker waren zugegen. Die Dellavecchias schienen am Ziel. Geierhaas betonte seinerzeit im Gremium, er möchte im Fall eines Weiterverkaufs nicht, dass ein künftiger Eigner die erhöhten Baurechte ausnutze.
Jetzt ist auf dem Filet-Grundstück vieles möglich. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Grüner sagt über das Aus des Restaurants: „Es hat uns kalt erwischt und ist enttäuschend für Glinde. Die Familie hat es immer als ihr Kerngeschäft dargestellt.“
Auch ihr Pendant von der FDP, Thomas Kopsch, bedauert die Entwicklung: „Hätte man einen City-Manager, könnte sich der um einen Gastronomie-Ersatz kümmern.“ Die Liberalen wollen eine solche Stelle schaffen.