Bargteheide. Warum ein Enfant terrible wieder mal für Aufruhr sorgte und wo die Fraktionen ihre Schwerpunkte setzen wollen.
Die Kommunalwahl am kommenden Sonntag, 14. Mai, hat in Bargteheide schon im Vorfeld hohe Wellen geschlagen. Auslöser war einmal mehr der streitbare Stadtvertreter Klaus Mairhöfer. Nach einer Wahlrechtsnovelle der neuen Landesregierung, wonach bei einer gewissen Größe des Kommunalparlaments Fraktionen künftig erst mit mindestens drei Abgeordneten gebildet werden können, teilte Mairhöfer medienwirksam mit, er werde im Falle seiner Wiederwahl das Mandat nicht annehmen. Was das am Ende tatsächlich bedeutet und ob das alles nicht nur ein Sturm im Wasserglas ist, wird sich spätestens am Wahlsonntag zeigen.
Einzug in Stadtvertretung blieb der größte Coup
Dass Mairhöfer als Einzelkandidat seinen Wahlkreis vor fünf Jahren mit einem Drittel aller gültigen Stimmen gewonnen hatte, galt seinerzeit als echter Coup. In der Folgezeit fiel er vor allem als Schutzpatron der im Vorjahr mit deutlicher Mehrheit abgewählten Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht (parteilos) auf und wies so gut wie jede Kritik an deren Verwaltungshandeln zumeist kategorisch zurück.
Sein Einfluss auf die Entscheidungen der Stadtvertretung blieb indes überschaubar. In den Ausschüssen, in denen wesentliche Weichenstellungen vorberaten und teilweise auch schon beschlossen werden, hatte der Renegat zwar Rede-, aber kein Stimmrecht. Das änderte sich erst, als er mit dem aus der Wählergemeinschaft (WfB) ausgetretenen Holger Schröder die Fraktion der Unabhängigen Stadtvertreter Bargteheides (USB) gründete.
Fortbestand der USB-Fraktion nicht möglich
Mit der bereits erwähnten Änderung des Wahlrechts sah sich Mairhöfer nun aber seiner erweiterten Mitwirkungsrechte beraubt. Da sich in den Wahllisten keine weiteren, unabhängigen Kandidaten finden ließen, sei ein Fortbestand der USB-Fraktion nicht möglich. Praktisch „rechtelos“ in die Stadtvertretung einzutreten, komme nicht infrage.
Dabei ist der 73-Jährige, der oft und gern den Anschein erweckt, alles ganz genau oder zumindest besser zu wissen als alle anderen, hier offenbar einem Irrtum aufgesessen. Denn ob die Stadtvertretung Bargteheide fortan tatsächlich mehr als 31 Sitze haben wird, ist längst nicht gewiss. Die aktuelle Zahl hat sich nämlich durch Ausgleichsmandate ergeben. Die reguläre Größe des Stadtparlaments liegt, gemessen an 17.000 Einwohnern, hingegen bei 27 Abgeordneten. Unterhalb von 31 Sitzen würden nach wie vor zwei Abgeordnete zur Bildung einer Fraktion genügen.
Schwere Vorwürfe gegen die Bürgermeisterin
Ungeachtet dessen hat Mairhöfer in einem seiner bekannten Rundumschläge der neuen Bürgermeisterin Gabriele Hettwer (parteilos) neben diversen Eigenmächtigkeiten und Versäumnissen vor allem mangelnde Transparenz vorgeworfen und den anderen Fraktionen fehlenden Willen, der von ihnen ins Amt geholten Verwaltungschefin auf die Finger zu schauen. Sie würden „kuscheln statt zu kontrollieren“ und ihrer Aufgabe als von den Bürgern gewählten Stadtvertretern nicht gerecht werden, wetterte Mairhöfer. Mehr noch stilisiert er jedes Kreuz, das die Wähler hinter seinem Namen und dem seines Mitstreiters Schröder am Sonntag machen, zur „echten Protestwahl“.
Wie so oft in der vergangenen Wahlperiode erntete Mairhöfer für seine Einlassungen weitreichende Kritik. „Sein Pamphlet strotzt nur so vor falschen Behauptungen und Unterstellungen. Es ist der untaugliche Versuch, Anderen die Schuld an seiner absehbaren Wahlniederlage zuzuschreiben“, sagt WfB-Fraktionschef Norbert Muras. Dass sich der USB-Vorsitzende nunmehr aus der Kommunalpolitik zurückziehen wolle, sei „begrüßenswert“. Er habe sich mit seinem Handeln im Vorfeld der Bürgermeisterwahl und im Europaverein selbst mehrfach ins Abseits gestellt und tue dies mit dem jüngsten Rundumschlag erneut.
CDU moniert Wählertäuschung und Desinformation
Der Christdemokrat Rainer Wiegard moniert, dass es dem „Meister im Verdrehen von Sachverhalten“ und seinen Anhängern nicht einmal gelungen sei, sich mit einer eigenen Liste dem Votum der Wähler zu stellen. Den von Mairhöfer behaupteten „Lebenszyklus der USB“ habe es in Wahrheit nie gegeben, da sie erst durch den Zusammenschluss mit einem ursprünglich über die WfB-Liste gewählten Stadtvertreter zustande gekommen sei. Insofern habe Mairhöfer einmal mehr bewusste Wählertäuschung und Desinformation betrieben. Vom „Untergang der Demokratie“ könne jedenfalls keine Rede sein.
Unterdessen lief der Wahlkampf in Bargteheide weitgehend ohne Zuspitzungen und eklatante Unterschiede in programmatischen Schwerpunkten ab. Den gravierenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum sehen alle Fraktionen. Die konkretesten Ansätze, wie etwa die Einbindung der Stadtwerke, lieferte frühzeitig die SPD-Fraktion mit einem ausgefeilten Zehn-Punkte-Plan.
SPD legte Positionspapier für Wohnungsbau vor
„In unserem Anfang 2021 vorgelegten Positionspapier haben wir viele konkrete Maßnahmen aufgezeigt wie die Vergabe städtischer Flächen in Erbbaurecht, das Vorgeben der Anzahl von zu errichtenden Sozialwohnungen von mindestens 30 Prozent in städtebaulichen Verträgen mit privaten Bauträgern und Investoren, eine innerstädtische Verdichtung und eine verstärkte Planung von Mehrgeschosswohnungsbau“, sagt SPD-Fraktionschef Mehmet Dalkilinc.
Das erste in Regie der Stadtwerke entstehende Projekt ist Ende März besiegelt worden. Auf einem städtischen Grundstück Am Maisfeld werden für 17 Millionen Euro 76 Einheiten entstehen, davon beachtliche 58 als Sozialwohnungen. Vorangegangen war allerdings eine kontroverse Debatte, in der vor allem CDU und WfB wegen 16 fehlender Stellplätze eine Reduzierung der Wohneinheiten gefordert hatten. Durch Umplanungen auf dem Grundstück selbst und die Anmietung externer Stellplätze auf dem Gelände des Bargteheider Tennis-Clubs können die geforderten Stellplätze jetzt aber doch geschaffen werden.
WfB kämpft vehement gegen „wildes“ Parken
Nun sieht die WfB allerdings ein ähnliches Problem beim benachbarten Projekt des Investors Valorum heraufziehen. Er will auf einem Grundstück in der Kruthorst-Gabelung bis zu 60 Wohnungen bauen, davon mindestens 50 Prozent im Sektor bezahlbares Wohnen. „Dort ist die Stellplatz-Situation noch unbefriedigend. Wir wollen prinzipiell nicht, dass Fahrzeuge, die eigentlich auf dem Wohngrundstück stehen müssten, alle Straßen im Umfeld zuparken“, so der WfB-Vorsitzende Gerhard Artinger.
Ähnliche Überlegungen gibt es auch für die Rathausstraße im Stadtzentrum. Die Grünen fordern bereits seit Langem ein Tempolimit für weite Teile der Innenstadt und mehr Platz für Fahrradfahrer. „Zur Geschwindigkeitsreduzierung sollten auch alle zur Verfügung stehenden baulichen Maßnahmen genutzt werden“, so die scheidende Fraktionschefin Ruth Kastner.
Grüne wollen Tempo 30 für ganze Innenstadt
Tempo 30 für ganze Straßenzüge im Hauptverkehrsstraßennetz und gegebenenfalls sogar stadtweit als Regelhöchstgeschwindigkeit sieht die CDU kritisch. „Wir halten den Vorstoß der Grünen für nicht zielführend, das ist purer Aktionismus“, sagt Torsten Frehe, der auch Vorsitzender des Ausschusses für Planung und Verkehr ist. Zumal die letzte Entscheidung oftmals ohnehin beim Kreis liege.
Genau da will die WfB ansetzen, die ebenfalls dafür ist, den gesamten Innenstadtbereich zur Tempo-30-Zone zu erklären. „Bargteheide sollte dem Beispiel Glindes folgen und die Verkehrsaufsicht zurück ins Rathaus holen“, sagt Fraktionschef Norbert Muras. Die SPD will solche Zonen nur in Wohngebieten und im unmittelbaren Zentrum rund um die Rathausstraße.
- No Kiss am Bahnhof Bargteheide – Pendler sind frustriert
- Famila setzt sich gegen alle Widerstände durch
- Immobilien-Drama in Bargteheide: 13 Wohnungen weniger
Dass die neue Feuerwache nach mehr als zehn Jahren Diskussion nun endlich in der Bahnhofstraße, südlich des Seniorendorfes entstehen soll, darüber herrscht in allen Fraktionen Konsens. Das gilt im Grundsatz auch für die Modernisierung des Bahnhofs. Hier wird über das Wo und Wie aber noch gestritten. Einen Großteil des Busverkehrs auf die Ostseite zu verlegen und dort auch die Parkplatzkapazitäten deutlich zu erweitern, erscheint durch den Bau der neuen S 4-Bahnsteige sinnvoll. Über den prognostizierten Bedarf herrscht indes noch Uneinigkeit und wird insbesondere von SPD und Grünen kritisch hinterfragt.
Die CDU versuchte im Wahlkampf unterdessen wegen der großen Unzuverlässigkeit der regulären Regionalbahnen (RB) mit einem generellen Halt der Expresszüge (RE) am Bahnhof zu punkten. In dieser Woche wurden sogar 1600 Pendler-Unterschriften im Kieler Verkehrsministerium übergeben. Der Verkehrsverbund NAH.SH hat das Begehren bislang mit Hinweis auf den S 4-Ausbau beharrlich abgelehnt. Wohl auch ein Grund, weshalb keine andere Fraktion ernsthaft in dieses Thema eingestiegen ist.
FDP kritisiert Verhinderung eines Baumarkts
Die FDP sieht den freien Wettbewerb zwischen Unternehmen im Zentrum und in den Randbereichen in Gefahr. „Dass im Zuge der Aufwertung des Famila-Areals am Redder die Ansiedlung eines Baumarktes verhindert wurde, sehen wir kritisch“, sagt Fraktionschef Gorch-Hannis la Baume. Damit seien der Stadt nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch dringend benötigte Steuereinnahmen entgangen, die die Stadt für die Gestaltung der Schulen und die Ertüchtigung ihrer Infrastruktur dringend benötige.
Nach langem Gezerre darf die Kieler Unternehmensgruppe Bartels-Langness (Bela) trotz erheblicher Widerstände der Gewerbetreibenden aus dem Bargteheider Zentrum und mahnender Einwände der Landesplanungsbehörde nun nicht nur eine neue, 4100 Quadratmeter große Famila-Filiale errichten. Zudem werden ein Futterhaus-Fachmarkt und ein Möbelmarkt (Jysk) mit je 1250 Quadratmetern angesiedelt sowie eine Tankstelle mit Shop, umgeben von 350 ebenerdigen Parkplätzen.
Wahlergebnis 2018: CDU: 30,35 %, zehn Sitze, Grüne 23,57 %, sieben Sitze, SPD 19,19 %, sechs Sitze, WfB: 17,87 %, sechs Sitze, FDP 6,59 %, zwei Sitze, Einzelbewerber Mairhöfer 2,42 %, ein Sitz.