Ammersbek. Drei von vier Autofahrern missachten Tempo 50. Negativrekord liegt bei 141 km/h. Gemeinde beantragt stationäre Radaranlage.

Auf der Landesstraße 225 am Eingang zum Ammersbeker Ortsteil Rehagen hält sich nur einer von vier Autofahrern an das Tempolimit von 50 km/h. Das belegen eigene Geschwindigkeitsmessungen der Gemeinde. Die meisten Verkehrsteilnehmer sind dort mit 60 bis 80 Kilometern pro Stunde unterwegs. Dutzende Raser übertrafen sogar die Tempo-100-Grenze, wobei die beiden negativen Ausreißer auf 138 und 141 km/h kamen. „Wir werden jetzt einen festen Blitzer beantragen“, sagt Bürgermeister Horst Ansén.

„Es wird auch an einigen anderen Ecken in der Gemeinde zu schnell gefahren, aber hier handelt es sich auch noch um einen Schulweg“, sagt der Verwaltungschef. Er wohnt selbst in der Nähe, kennt die Gefahrenstelle aus eigener Erfahrung. Nur etwa 60 Meter hinter dem Ortseingangsschild steht an der Kreuzung von L225 (Alte Landstraße) mit Bramkampredder und Weg zum Brook eine Fußgängerampel.

Es wird auch an einigen anderen Ecken in der Gemeinde zu schnell gefahren, aber hier handelt es sich auch noch um einen Schulweg.
Horst Ansén, - Bürgermeister von Ammersbek

Dort muss die viel befahrene Hauptstraße überquert werden, um zur Grundschule und zur Kita Bünningstedt zu gelangen. Außerdem sind dort die Haltestellen für den Schulbus, der die älteren Kinder und Jugendlichen zu den Gemeinschaftsschulen und Gymnasien nach Bargteheide bringt.

Raser auf Schulweg: Eltern berichten von lebensgefährlichen Situationen

Eltern klagen immer wieder über lebensgefährliche Situationen beim Überqueren der Straße. Die meisten Autofahrer seien nicht nur deutlich zu schnell, sondern etliche missachteten auch das Rotlicht an der Ampel. Bislang habe es einzig deshalb keine schlimmen Unfälle gegeben, weil die Kinder wüssten, dass sie nicht schon bei Grün losgehen dürfen. Sie haben die klare Anweisung, erst dann einen Fuß auf die Straße zu setzen, wenn alle Fahrzeuge tatsächlich stehen.

Die aus Richtung Hoisbüttel kommenden Autofahrer nehmen den Schwung von der breiten und geraden Landesstraße mit in den geschlossenen Ort, so die Beobachtung. Auf der Landesstraße aus Richtung Hoisbüttel gilt wegen der Gefahr von Wildwechsel zwar ein Tempolimit von 70 km/h, doch daran hielten sich die meisten Autofahrer nicht. Und wer aus Richtung Bargteheide komme, beschleunige am Ortsausgang in Richtung Hoisbüttel schon mal vorzeitig.

Großteil der Autofahrer ist mit 60 bis 80 km/h unterwegs

Das bestätigen die sowohl mit offener Anzeige als auch verdeckt ausgeführten Messungen der Gemeinde. So waren Mitte März in einem Zwei-Wochen-Zeitraum in Richtung Ortsausgang von rund 26.400 Fahrzeugen 71 Prozent zu schnell. Rund 17.000 Verkehrsteilnehmer hatten zwischen 60 und 80 km/h auf dem Tacho. 1600 waren sogar noch schneller.

Bei einer weiteren Kontrolle in den ersten beiden Aprilwochen hielten sich sogar 74 Prozent nicht ans Tempolimit. Von 26.300 Autos waren 17.600 im Bereich von 60 bis 80 km/h unterwegs und 1900 noch schneller. Ähnliche Ergebnisse gab es Mitte Februar sowie Ende Februar/Anfang März.

Wenn die Ampel rot wird, geben viele noch mal Gas

In der Gegenrichtung sind die Zahlen genauso eindeutig: Ende Januar/Anfang Februar waren 72 Prozent der in den Ort hineinkommenden Fahrzeuge zu schnell. Von rund 21.800 Autos rangierten fast 14.000 in der Gruppe zwischen 60 und 80 km/h. Eine weitere Überprüfung Anfang Januar zeigte den gleichen Anteil an Geschwindigkeitsüberschreitungen.

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„Nicht wenige Autofahrer sind so schnell, dass sie überhaupt nicht mehr rechtzeitig stoppen können, wenn die Ampel auf Rot umspringt“, sagt der Bauausschussvorsitzende Holger Lehmann (SPD). Deshalb drückten sie noch mal extra aufs Gaspedal. Tatsächlich liegt der Anhalteweg laut Faustformel mit 50 km/h bei etwa 40 Metern. Bei 60 km/h sind es schon 54 Meter und bei 80 km/h sogar 88 Meter. Das liegt daran, dass der Bremsweg nicht linear zur Geschwindigkeit steigt, sondern quadratisch. Hinzu kommt die Reaktionszeit.

In Ammersbek wären Tausende von Fahrverboten die Folge

Nach Beschwerden von Anwohnern hatten die Sozialdemokraten das Thema auf die Tagesordnung gebracht und breite Unterstützung gefunden. CDU, Grüne, Wählergemeinschaft UWA und FDP halten es ebenfalls für nötig, die Gefahrenstelle zu entschärfen. Am Ende stand der einstimmige Beschluss, dass sich das Rathaus für eine stationäre Radarkontrolle einsetzen soll.

Damit wäre Ammersbek ein Vorreiter in Stormarn. Bislang gibt es im gesamten Kreis keine derartige Anlage. Wer innerorts mit dem Pkw bis zu zehn km/h zu schnell unterwegs ist und erwischt wird, muss mit einer Strafe von knapp 60 Euro rechnen. Bei 16 bis 20 km/h sind es fast 100 Euro. Am Ortseingang Rehagen/Schäferdresch hätten Tausende Autofahrer zudem ihren Führerschein vorübergehend abgeben müssen, wenn es sich um offizielle Radarkontrollen gehandelt hätte: Ab einer Überschreitung von 31 km/h droht ein Monat Fahrverbot.

Entscheidung über die feste Radarkontrolle liegt beim Land

„Als Gemeinde sind wir allerdings nur für den ruhenden Verkehr zuständig und nicht für den fließenden“, sagt Bürgermeister Ansén. Deshalb liegt die Entscheidung für die L225 beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH). „Dort müsste die Installation angeordnet werden“, so Ansén. Der Antrag werde noch vor den Sommerferien eingereicht. Dabei sollen die Ergebnisse der eigenen Tempokontrollen untermauern, dass möglichst schnell gehandelt werden müsse.

In der Stadt Norderstedt im Nachbarkreis Segeberg hat sich die Anschaffung von Radarsäulen sowohl aus Sicherheitsaspekten als auch finanziell gelohnt. Nach dem Aufstellen flossen 2017 im ersten vollen Abrechnungsjahr 2,3 Millionen Euro an Bußgeldern in die Kasse. Danach hielten sich immer mehr Autofahrer an die Regeln, sodass die Einnahmen schon 2018 auf 1,3 Millionen Euro und bis 2021 auf rund 900.000 Euro sanken. Mit dem Kauf eines mobilen Anhängers schossen die Zahlen danach wieder nach oben.