Reinbek. 60 Ehrenamtliche und Mitarbeitende der Kommunen haben sich zu einem Fachtag im Schloss Reinbek getroffen. Thema war dabei auch die AfD.
Die S-Bahn Richtung Aumühle hat Vassilis Tsianos in wenig guter Erinnerung: Vor Jahren wurde er dort von Neonazis belästigt, „Nur ein aufgeschlossener Taxi-Fahrer, der erkannt hatte, dass ich vor jemandem davonlief, rettete mich vor Schlimmerem“, erinnert sich der Professor für Sozialwissenschaften der Universität Kiel eher beiläufig während seines Vortrags über institutionellen Rassismus im Schloss Reinbek. Rassistische und rechtsextremistische Phänomen sind in Deutschland Alltag.
Am Dienstag, 21. Mai, ging es im Schloss Reinbek darum, wie man diesen Phänomenen am besten begegnet – ob es um Vorurteile in der Kommune oder in der Pädagogik geht. 60 Ehrenamtliche und Mitarbeitende der umliegenden Kommunen waren einer Einladung der Arbeiterwohlfahrt und der Stadt Reinbek gefolgt und haben sich zum Fachtag gegen Rassismus und Rechtsextremismus getroffen. Nach den Vorträgen aus Politik und Wissenschaft vertieften die Gäste das Thema in drei verschiedenen Workshops.
Rassismus im Alltag kann erkannt und bekämpft werden
Bürgermeister Björn Warmer schilderte in seiner Begrüßung, dass auch seine Mitarbeitenden zunehmend Anfeindungen ausgesetzt seien. „Der Respekt nimmt ab, nicht subtil, sondern spürbar“, stellte er fest. Die Stadt Reinbek werde daher eine neue Kampagne unter dem Titel „Respekt, bitte!“ starten. Er erinnerte auch an die AfD, die sich das Schloss Reinbek ebenfalls als Schauplatz einer Tagung ausgesucht habe. „Die AfD könnte hier Normalität werden. Genau das wollen die, aber wir wollen das nicht“, sagte Bürgermeister Björn Warmer. Die Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hatte sich im Schloss eingeklagt. Das Verwaltungsgericht Schleswig hatte ihr recht gegeben.
Vor dem Schloss hatte es große Proteste aus der Bevölkerung gegeben. Der Bürgermeister schilderte, einige der jungen Tagungsteilnehmer hätten „das Bad im Hass geradezu genossen.“ Hatice Erdem, Regionalleiterin der Awo Interkulturell, erklärte: „Mit dieser Fachtagung wollen wir ein klares Zeichen für Toleranz und Demokratie setzen. Wir von der Awo lassen nicht zu, dass Menschen in unserem Land ausgegrenzt und diskriminiert werden.“
Bundestagsabgeordnete warnen vor der AfD
Die Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz (Grüne) und Nina Scheer (SPD) nutzten die Gelegenheit auch, um vor der AfD zu warnen: „Die AfD ist einmal als eine sehr rechte, ultraliberale Partei angetreten“, sagte Konstantin von Notz. „Aber sie hat sich in den vergangenen Jahren extrem radikalisiert. Sie ist von einem tiefen Rassismus geprägt, vor allem aber von einem tiefen Hass auf die Bundesrepublik.“ Die beiden AfD-Spitzenkandidaten seien auf illegale Weise mit China verquickt. „Die hassen den Rechtsstaat Deutschland“, sagt der Grüne. Er empfiehlt dazu, sich einfach einmal die Bundestagsreden der AfD-Abgeordneten anzuhören. „Nina Scheer und ich müssen das jeden Tag tun“, sagte von Notz. „Meist reicht es tatsächlich, einfach mal zu hinterfragen, ist das schlüssig, was die erzählen.“
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Wie Konstantin von Notz sprach sich auch Nina Scheer für ein Verbot der AfD aus: „Es ist unsere Pflicht, dieses Verbotsverfahren anzugehen, das ist meine persönliche Meinung“, sagte die Sozialdemokratin. „Ich weiß, dass das kein Spaziergang ist, aber ich bin der Überzeugung, dass das Material dafür vorhanden ist. Das ist eine Frage des Sammelns.“ Nutze man dieses Verfassungsinstrument nicht, räume man ein, dass es nichts tauge. „Das hätte eine legitimierende Wirkung“, warnt Scheer.
„Rassismus ist banal und alltäglich“
Sozialwissenschaftler Vassilis Tsianos mahnte: „Rassismus ist banal und alltäglich.“ Auch in Deutschland sei dies so. Ein Journalist habe beispielsweise Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, zum Abschluss eines Interviews „Frieden in seinem Heimatland“ gewünscht. Schuster habe ihn korrigiert: „Ich lebe seit 67 Jahren in Deutschland.“ Und er könne seinen Stammbaum über 450 Jahre im fränkisch-hessischen Grenzgebiet zurückverfolgen.
Tsianos führte ebenfalls Beispiele für institutionellen Rassismus aus den Niederlanden, aus Großbritannien und aus Dänemark an. Doch diesen gebe es auch in Deutschland – beispielsweise das Rassenprofiling von Angehörigen der Strafverfolgung, die systematische Erfassung der Bremer Wohnungsbaugesellschaft Brebau von Daten Wohnungssuchender und ihre diskriminierenden Kennzeichnungen etwa, wenn sie ein Kopftuch trugen, oder Sinti, Roma, Bulgaren oder Rumänen waren. Ein FDP-Bundestagsabgeordneter habe vor Kurzem dazu aufgefordert, darüber nachzudenken, Nicht-EU-Ausländerinnen keine Mitbestimmung mehr in Parteien, anderen Gremien, keine Versammlungsfreiheit mehr zu gewähren, erläuterte der Wissenschaftler. Er forderte dazu auf, wachsam zu bleiben: „Sollte die AfD einmal 33,3 Prozent der Stimmen erhalten, haben wir das erreicht, was die Faschismusforschung den ‚Point of no Return‘ nennt.“ Den Punkt ohne Möglichkeit zur Umkehr.