Bargteheide. Stadt sucht nach Wegen für dritte Trassenquerung. Warum der avisierte Abriss der Lohe-Brücke schon heute zum Horrorszenario taugt.

Die Bahntrasse Hamburg-Lübeck ist für Bargteheide Segen und Fluch zugleich. Segen, weil die Stadt damit eine Schienenverbindung in die beiden wichtigen Hansestädte hat. Fluch hingegen, weil die Trasse die wachsende Stadt praktisch zerschneidet und es aktuell nur zwei Querungen gibt. Ein Dilemma, das nur schwer zu beheben sein dürfte. Denn für eine dritte Querung braucht es Platz, Zeit und viel Geld. Das wurde umso deutlicher, als das Ingenieurbüro Masuch + Olbrisch aus Oststeinbek jetzt im Planungsausschuss die Ergebnisse einer Verkehrszählung präsentierte. Das überraschende Fazit: „Momentan sind die Querungen für den Stadtverkehr eigentlich ausreichend“, sagt Michael Hohmann von der M+O-Geschäftsführung. Um die Aussage aber im nächsten Satz gleich deutlich zu relativieren: „Sobald eine der beiden vorhandenen Querungen ausfällt, hat Bargteheide ein Riesenproblem.“

Der Worst Case zeichnet sich bereits ab

Zur Anbindung der Stadt ans überregionale Straßennetz und insbesondere die Autobahnen A1 und A21 erfüllt die in West-Ost-Richtung verlaufende Landesstraße 89 eine wichtige Funktion. Doch bevor sich die Verkehrsströme von der Lohe gen Westen in die Bahnhofstraße und in den Südring verzweigen, stellt die Bahnbrücke einen potenziellen Engpass dar, der schnell zur Falle werden kann.

Und dieser Worst Case zeichnet sich bereits ab. Zwar hat die Bahn den bereits mehrfach avisierten Abriss der Brücke und einen Neubau erneut verschoben, nun auf ab 2030. Dass die Maßnahme aber kommt, gilt als sicher. Und dann wird, Stand heute, nur noch die Brücke im Zuge des Tremsbütteler Weges nördlich des Bahnhofs als Querung zur Verfügung stehen.

Halbseitige Sperrung ließ Situation bei Vollsperrung erahnen

Was das konkret bedeutet, konnte bereits im Vorjahr buchstäblich erfahren werden, als die Lohe wegen Kanalarbeiten halbseitig gesperrt war. In dieser Zeit wurde der gen Westen fahrende Autoverkehr nach dem Famila-Areal über die Straße Am Redder gen Norden abgeleitet und führte in den Hauptverkehrszeiten regelmäßig zu Staus bei der Einfahrt in den Tremsbütteler Weg.

Da half es auch wenig, dass die vorgelagerten Quartiersstraßen wie etwa der Strubarg für den Durchgangsverkehr gesperrt worden war. Ortskundige setzten sich zwar immer wieder über das Verbot hinweg. Zu einer Entlastung des Tremsbütteler Wegs trug das aber kaum bei. Weil eben nur die Brücke den Weg auf die Westseite Bargteheides ermöglichte.

Über die Lohe strömt der Hauptverkehr

Kaum vorstellbar, dass bei einem Abriss der Bahnbrücke an der Lohe die Südquerung für einen längeren Zeitraum komplett gesperrt sein wird, ohne dass es bis dahin eine dritte Querung gibt. „Und die muss es im Grunde zwingend noch weiter südlich geben, das haben die Zahlen unserer Zählung eindeutig belegt“, so Hohmann.

Während die Nordquerung im Zuge des Tremsbütteler Wegs im Untersuchungsraum innerhalb von 24 Stunden nur von 6300 Fahrzeugen passiert worden ist, waren es an der Südquerung insgesamt 16.300, ein Verhältnis von etwa 30 zu 70 Prozent. Noch krasser stellten sich die Frequenzunterschiede beim Schwerlastverkehr dar. Hier lautete das Verhältnis sogar 12 zu 88 Prozent.

Zweite Südquerung soll prioritär betrachtet werden

„Es besteht also gar kein Zweifel, wo der Hauptverkehrsstrom verläuft. Deshalb ist es prinzipiell sinnvoll, zwei weitere mögliche Bahnquerungen zu prüfen“, sagt Hohmann. Zumal auch berücksichtigt werden müsse, dass der Verkehr in den kommenden Jahren eher zu- als abnehmen werde.

Eine zweite nördliche Querung im Zusammenhang mit der Vollendung des Westrings und dessen Anschluss an die Lübecker Straße wäre wohl denkbar. Prioritär sollte indes eine zweite Querung im Süden betrachtet werden. Eine Option wäre etwa, den Verkehr gen Südring bereits an der Famila-Kreuzung über den Delingsdorfer Redder abzuführen und dann durch das Gewerbegebiet rund um die Heinrich-Hertz-Straße oder etwas weiter südlich direkt an den Südring anzuschließen.

Grüne: Neue Trasse nutzt vor allem Ortsfremden

Diese Überlegung stieß vor allem bei den Grünen auf wenig Gegenliebe. „Wenn ich die Zahlen richtig verstanden habe, dann zweigen 5000 von 7000 Fahrzeugen an der Hamburger Straße vom Südring gen Delingsdorf ab. Dann würden wir die Trasse ja vor allem für Ortsfremde bauen und womöglich auch noch allein bezahlen“, wendete Thomas Fischer ein.

Unterstützung erhielt er von der Wählergemeinschaft WfB. „Neue Trassen ziehen automatisch neuen Verkehr nach sich. Sind sie erst einmal da, werden sie auch genutzt“, erklärte Fraktionschef Norbert Muras. Außerdem käme bei der zweiten Südquerung offenbar nur eine Bahnunterquerung infrage. Und die dürfte ausgesprochen teuer werden.

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Diesen Einwänden mochte die SPD nur bedingt folgen. „Bargteheide wird durch seine Lage immer ein Knotenpunkt für auswertige Verkehre bleiben, das ist nun mal die Realität“, sagte Peter Beckendorf. Er gehe aber mal davon aus, dass es 50 bis 60 Jahre dauern werde, bis eine dritte Querung komme.

Unterdessen brachte Bürgermeisterin Gabriele Hettwer die Reaktivierung der ehemaligen Querung am alten Stellwerk ins Spiel: „Wenigstens für die Erneuerung der Bahnbrücke an der Lohe sollte die kleine Lösung geprüft werden“. Angesichts der Tatsache, dass die Bahn solch ein Ansinnen schon mehrfach abgewiesen hat und sie stattdessen den Bahnhof durch den Neubau der S4 bis zum Stellwerk ohnehin komplett umbauen will, erscheint diese Option noch weniger wahrscheinlich als neue Querungen im Norden und im Süden der Stadt.