Reinfeld. „Kein Konzept, nicht zeitgemäß“: Experte kritisiert die Tierhaltung in der Fasanerie Reinfeld und erteilt einen dringenden Ratschlag.

Die Fasanerie am Herrenteich in Reinfeld wird schließen. Einen entsprechenden Beschluss haben die Mitglieder des Hauptausschusses in ihrer jüngsten Sitzung gefasst. Immer wieder war in den vergangenen Jahren über die Zukunft des Vogelparks diskutiert worden. Der Beschluss besiegelt nun das endgültige Aus. Der Betrieb soll komplett eingestellt und die Tiere nach und nach abgegeben werden.

Grund für die Entscheidung ist, dass die derzeitige Ausstattung der Fasanerie nach Einschätzung eines Experten nicht dem Tierwohl entspricht. Noch in der vorherigen Sitzung des Hauptausschusses Ende Februar hatten die Mitglieder beschlossen, einem Weiterbetrieb der Fasanerie zuzustimmen, „wenn die Haltung der Tiere tierwohlgerecht ist und die Sicherstellung der tierwohlgerechten Haltung nicht zulasten des städtischen Haushaltes geht“. Um Letzteres sicherzustellen, war öffentlich nach Sponsoren gesucht worden.

Nicht artgerecht: Fasanerie am Herrenteich in Reinfeld schließt nach 75 Jahren

Doch Anfang März hatte ein Gespräch zwischen Dr. Kai Frölich, Direktor des Tierparks Arche Warder bei Kiel, und der Reinfelder Stadtverwaltung stattgefunden. Das Urteil des Experten für Haus- und Wildtierkunde war eindeutig. Seiner Einschätzung zufolge entspreche die Haltung der Tiere in der Anlage nicht den Standards. Es fehle an „Behavioral Enrichment“, also naturnahen Lebensbedingungen für die Tiere.

Das wären zum Beispiel Pflanzen, Versteckmöglichkeiten oder Sitzstangen in unterschiedlicher Dicke. Der Schutz vor Füchsen und Ratten sei nicht ausreichend und auch der Bodenaufbau ungeeignet. Zudem sei es wegen der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich, die Tiere im Falle einer Bedrohung durch die Vogelgrippe in einem geschlossenen Stall unterzubringen.

Laut Experte fehlt es an einem pädagogischen Konzept

Dr. Frölich empfahl der Stadt Reinfeld als Betreiberin dringend, die Fasanerie nicht provisorisch weiterzuführen. Die Chancen, einen Sponsor für den Weiterbetrieb der Fasanerie zu gewinnen, schätzte er als sehr gering ein. Es wären zahlreiche Kosten zu leisten, auch laufende für Tierarzt oder Futter. Auch die fachgerechte Betreuung der Tiere wäre kontinuierlich zu gewährleisten gewesen. Bislang sind keine Sponsoren an die Stadt herangetreten.

Der Weiterbetrieb der Fasanerie mache aus Sicht von Frölich nur Sinn, wenn ein pädagogisches Konzept dahinterstehe. Das Zur-Schau-Stellen von Tieren allein sei kein Konzept und nicht mehr zeitgemäß. Die vorhandene serielle Käfighaltung entspreche dem Stand der 1960er-Jahre. Daher gab der Experte die klare Empfehlung ab, den Betrieb der Fasanerie einzustellen und die Tiere nach und nach abzugeben. Die Stadtverwaltung hatte in ihrer Beschlussvorlage vorgeschlagen, der Empfehlung von Frölich zu folgen. Die Mitglieder des Hauptausschusses stimmten mehrheitlich mit einer Gegenstimme dafür.

Fasanerie in Reinfeld ist eine von dreien in ganz Schleswig-Holstein

Wenn die Fasanerie am Herrenteich geschlossen wird, bedeutet dies das Aus für einen Vogelpark mit Seltenheitscharakter. 1949 vom Deutschen Jagdverband eingerichtet, gehört die Fasanerie mittlerweile der Stadt Reinfeld und ist eine von nur dreien in ganz Schleswig-Holstein. Nur auf Gut Basthorst im Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg und in Schleswig sind weitere Fasanengehege zu finden. Die Fasanerie in Reinfeld umfasst neun Volieren, in denen ein Pfau, acht Fasane, rund 80 Sittiche und einige weitere Vögel leben.

Ein Experte kam zu dem Ergebnis, dass die Fasanerie am Reinfelder Herrenteich nicht dem Tierwohl entspricht.
Ein Experte kam zu dem Ergebnis, dass die Fasanerie am Reinfelder Herrenteich nicht dem Tierwohl entspricht. © Juliane Minow | Juliane Minow

Bereits Anfang vergangenen Jahres hatte die Politik über Entwicklungsmöglichkeiten der Fasanerie beraten. Hintergrund war unter anderem, dass sich die persönliche Situation der ehrenamtlichen Betreuer verändert und dadurch der Arbeitsaufwand für die Stadt übergangsweise erhöht hatte. Das war aber nicht der einzige Grund, sondern auch die Tatsache, dass die Volieren über die Jahre renovierungsbedürftig geworden waren.

Vor einem Jahr noch hatten die Verantwortlichen über eine Renovierung nachgedacht

Seinerzeit hatte die Verwaltung der Politik drei Möglichkeiten vorgeschlagen: Die Beibehaltung des Status quo, eine schrittweise Renovierung oder die komplette Abschaffung der Fasanerie. Damals noch schien die letzte Option so gut wie vom Tisch zu sein. Wegen der großen Beliebtheit wollte man, so das Stimmungsbild der Politik, an dem kostenlosen und frei zugänglichen Vogelpark festhalten.

Im Hauptausschuss Anfang 2023 hatte die Politik die Verwaltung beauftragt, sich Gedanken über eine Konzeption und auch mögliche Kooperationspartner für die Zukunft zu machen. Außerdem sollte über eine Renovierung nachgedacht werden, bei der die Volieren modernisiert und vergrößert werden. Eventuell könnte man, so damals das Ansinnen, die Wiedereröffnung mit einem weiteren Anlass zum Feiern verbinden. Denn in diesem Jahr wird die Fasanerie 75 Jahre alt. Daraus wird nun nichts.

Ursprünglich war die Fasanerie nicht als Ausflugsziel gedacht

Ursprünglich war die Fasanerie gar nicht als Ausflugsziel gedacht. Der Zweite Weltkrieg hatte den Fasanenbestand wegen der Nahrungsmittelknappheit und der vermehrten Jagd auf die Tiere an den Rand des Aussterbens gebracht. Der Deutsche Jagdverband richtete daraufhin in mehreren westdeutschen Gebieten Fasanerien mit dem Ziel ein, die stark dezimierten Wildbestände wieder zu stärken – so auch in Reinfeld.

Eigentlich für den Artenschutz etabliert, wurde die Fasanerie in den Folgejahren aber auch zum Anziehungspunkt für Ornithologen. Als im Juni 1949 Hermann Schuldt Bürgermeister wurde, suchte er nach Wegen, um den Tourismus anzukurbeln und die finanzielle Lage der Stadt zu verbessern. Dabei begab er sich auch auf unkonventionelle Wege. Im Oktober desselben Jahres wurde unter seiner Leitung das erste Karpfenfest ausgerichtet. Schuldt wollte, dass seine Stadt zum Feinschmeckerzentrum der Region avanciert.

Die Fasanerie in Reinfeld wurde vom Fleischlieferanten zum Tiergarten

Neben der Karpfen- und Weinbergschneckenzucht setzte der Bürgermeister dabei auch auf die Fasanerie. In diesem Zuge erweiterte er ihre Aufgaben. Es ging nicht länger nur um Artenschutz, sondern sie belieferte fortan auch lokale Gaststätten mit Wild. Wie wichtig die Fasanerie für ihre Stadt war, zeigt der erste Werbeslogan, den die Stadt Reinfeld ab 1954 erstmals hatte: „Reinfeld, die Stadt der Karpfen, Fasane und Weinbergschnecken“.

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1958 beendete der Jagdverband die Züchtung von Fasanen in Reinfeld, weil sich der Bestand erholt hatte. Er übergab das Gelände an die Stadt, die die Volieren übernahm. Anstatt die Fasanerie zurückzubauen, entschieden die Stadtverordneten, das Gelände weiterzubetreiben. Nach und nach wurden auch andere Vogelarten in der Fasanerie untergebracht, sie wurde vom Fleischlieferanten zum Tiergarten.

Wann die Fasanerie endgültig geschlossen wird, stehe laut Sandra Esmoris Garcia, bei der Stadt Reinfeld verantwortlich für die Fasanerie, noch nicht fest. „Wir müssen jetzt erst einmal schauen, dass wir die Tiere vernünftig unterbringen“, sagt sie auf Nachfrage unserer Redaktion. Voraussichtlich werde das Tierheim Lübeck einen Großteil der Vögel übernehmen.