Ahrensburg/Stapelfeld. Warum sie sich für diesen Job begeistern, welche Erfahrungen sie schon gemacht haben und wo sie die größten Probleme sehen.
Das Projekt war politisch lange Zeit umstritten und wäre ohne eine Regierungsbeteiligung der Grünen vermutlich auch nicht umgesetzt worden. Doch seit Ende des vergangenen Jahres hat das Land Schleswig-Holstein zwölf neue Schutzgebietsranger berufen, die in Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten den Erhalt der wertvollen Ökosysteme überwachen und für mehr Biodiversität sorgen sollen. Doch was sind das für Menschen, die sich diesen Aufgaben stellen, welche Erfahrungen haben sie schon gemacht und wo sehen sie die größten Probleme? Das Abendblatt hat die Ranger begleitet, deren Einsatzgebiet sich über die Kreise Stormarn, Segeberg und Herzogtum Lauenburg erstreckt.
Ausgebüxtes Kälbchen muss eingefangen werden
Es ist ein nasser, kalter Tag, als wir uns nahe der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld auf den Weg ins Naturschutzgebiet Höltigbaum auf der Grenze zwischen Stormarn und der Hansestadt Hamburg begeben. Doch kaum haben wir die erste Einfriedung erreicht, lauert schon der erste Noteinsatz.
Ein rabenschwarzes Galloway-Kälbchen steht völlig verängstigt vor dem Metalltor, während der Rest der Herde dahinter grast. Als sich Ranger Markus von Hacht vorsichtig der Pforte für die Besucher des Naturschutzgebiets nähert, um es für den Ausreißer zu öffnen, flieht das scheue Kälbchen ins Dickicht des Waldes. Dort lässt es sich in sicherer Entfernung zur Herde nieder.
Rettende Unterstützung aus dem Haus der Wilden Weiden
„Allein bekommen wir es wohl nicht wieder auf die richtige Seite des Zauns“, fürchtet von Hacht. Doch in seinem Smartphone sind längst alle Kontaktdaten von anderen wichtigen Playern der Naturschutzgebiete gespeichert. Im konkreten Fall informiert er das Haus der Wilden Weiden der Stiftung Naturschutz im Norden, das Verbindung zu jenen Landwirten hält, die auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Weideflächen gepachtet haben.
Kurze Zeit später erscheint eine Mitarbeiterin, die sich alsbald dem Kälbchen nährt. Weil es sich bedrängt fühlt, sucht es hektisch nach einem Durchschlupf im Zaun – und findet es tatsächlich. Glücklich eilt es zu seiner Herde und ist schon bald im üppigen Grün des Waldes verschwunden.
Zwischen Galloways, Ziegen und Bentheimer Landschafen
„Galloways, Ziegen und Bentheimer Landschafe erfüllen eine wichtige Funktion im Höltigbaum. Weil sie hier viel Grün zum Grasen finden, helfen sie zugleich, die hier üppig vorhandene, offene Weidelandschaft vor dem Verbuschen zu schützen und damit zu pflegen“, erzählt von Hacht. Das sei vor allem für die üppige Vogelwelt in dem Gelände wichtig, das zusammen mit dem anliegenden Naturschutzgebiet Stellmoorer Tunneltal eine Fläche von rund 765 Hektar umfasst.
Bis zu 70 verschiedene Vogelarten hat von Hacht im Höltigbaum schon selbst beobachtet. Und mindestens 25 Säuger. „Hier sagen sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht“, schwärmt der 47-Jährige, der sich von Kindesbeinen an für alles begeistern konnte, was da kreucht und fleucht. „Im Höltigbaum leben auch Dachs, Mink, Hermelin, Iltis, Igel, Waschbär, Nutria, Bisamratte, Fischotter und verschiedene Marderarten, Ringelnattern und Blindschleichen, Eidechsen und Fledermäuse, Uhu, Sperber, Eisvogel und Kuckuck“, so von Hacht.
Fasziniert vom Mosaik vielfältiger Lebensraumtypen
Mit besonderem Enthusiasmus berichtet er von einem Wanderfalken, der auf einem riesigen Funkmast mitten im Naturschutzgebiet nistet. „Er ist ein geschickter Jäger, der seine Beute in der Luft jagt und dabei so schnell ist, wie kein anderer Vogel sonst“, berichtet der Ranger.
Er ist von den vielfältigen Lebensraumtypen ebenso fasziniert, wie seine Kollegin Isabel Schneider. „Wir finden hier Wald, Wiesen, Wasserläufe und Teiche für Kammmolche. Das alles ergibt ein Mosaik an Naturräumen, die im Interesse einer großen Artenvielfalt in besonderer Weise geschützt werden müssen“, sagt die gebürtige Schwäbin.
Auf der Insel Hiddensee neuen Berufsweg eingeschlagen
Als sie nach dem Abitur ein Freiwilliges Ökologisches Jahr auf der Insel Hiddensee absolviert, lernt sie dabei auch die Arbeit der Ranger kennen. „Dort war Naturschutz ganz praktisch erlebbar, bei der Landschaftspflege wie der Waldnutzung“, erinnert sie sich. Das habe sie so gereizt, dass sie statt Anglistik und Literaturwissenschaften lieber Ökologische Landwirtschaft im hessischen Witzenhausen studierte.
„Als ich mein Studium im Mai vergangenen Jahres abschloss, habe ich mich sofort für eine Ranger-Stelle beworben. In Schleswig-Holstein war ich erfolgreich und bin für den Job nach Ahrensburg gezogen, wo ich nun nur 15 Minuten mit dem Rad von unserem Büro im Haus der Natur beim Verein Jordsand entfernt, wohne“, erzählt Isabel Schneider.
Im Auswahlverfahren gegen 91 Mitbewerber durchgesetzt
Wie Markus von Hacht hat sie sich in dem Auswahlverfahren gegen 91 Mitbewerber durchgesetzt. Während die meisten zuvor bereits in „grünen Berufen“ wie Landwirt, Forstwirtschaftler, Landschaftsbauer oder Gärtner tätig waren, musste von Hacht mit anderen Kompetenzen und Referenzen punkten.
Der gelernte Koch aus Grömitz an der Ostsee, der sechs Jahre Soldat war und zudem als Tauchlehrer und Fachverkäufer für Aquaristik gearbeitet hat, belegte mehrere Seminare in Wildnis- und Meeresbiologie sowie Ornithologie, besitzt einen Jagdschein und ist zertifizierter Wolfsbetreuer und Rissgutachter.
Vom Lauenburger Elbvorland bis zur Kaltenkirchener Heide
„Ich sehe mich ein wenig als Beispiel dafür, dass man mit Beharrlichkeit, Hartnäckigkeit und dem Willen, sich ständig weiterzubilden und zu qualifizieren, trotz Hürden ans Ziel kommen und seine Träume verwirklichen kann“, sagt von Hacht. Zuvor hatte er sich bereits erfolglos in Hamburg beworben und ist mit seiner Frau Beate, einer diplomierten Biologin, und Hündin Jordan inzwischen nach Kuddewörde gezogen.
Zu den Naturschutzgebieten mit höchster Priorität im Einsatzbereich der Stormarner Ranger, das vom Lauenburger Elbvorland im Süden bis zur Kaltenkirchener Heide im Norden reicht, zählen neben dem Höltigbaum das Billetal, die Hahnheide und das Stellmoorer Tunneltal, aber auch die FFH-Gebiete Großensee, Mönchteich und Stenzer Teich.
Wollen das „freundliche Gesicht des Naturschutzes“ sein
„Dort wollen wir ein Bewusstsein für Umwelt- und Naturschutz schaffen, die Besucherströme lenken, aber auch die Einhaltung der Wegeordnung kontrollieren“, sagt Markus von Hacht. „Dabei wollen wir Wissen vermitteln und aufklären. Wir sehen uns also nicht in erster Linie als Ranger, die für Zucht und Ordnung sorgen, sondern als das freundliche Gesicht des Naturschutzes“, ergänzt Isabel Schneider.
Ihre Erfahrungen in den ersten vier Monaten waren fast durchweg positiv. Natürlich gebe es mal Dispute mit Hundebesitzern, die ihre Vierbeiner unangeleint durch die Gegend streifen lassen. Und mit Spaziergängern, die statt auf den vorgegebenen Wegen querfeldein marschieren, was in Naturschutzgebieten aber nicht zulässig ist.
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„Viele Menschen, die uns begegnen, sind sehr aufgeschlossen. Klar, manche reagieren auf unsere Ansprache auch genervt. Andere kommen aber sogar auf uns zu, um etwas zu erfragen oder über ihre Beobachtungen zu berichten“, sagt Isabel Schneider. Dann entstehe eine positive und konstruktive Interaktion, die Spaß mache und den Job bereichere.
Im zweiten Jahr planen die Ranger in enger Absprache mit anderen Organisationen wie dem Naturschutzbund (Nabu) und den Stiftungen dann Führungen mit Spurensuche und speziellen Themen, die auch Kitas und Schulen angeboten werden sollen. „Auf jeden Fall wollen wir präsent und nahbar sein, um die wunderbaren Naturräume für Mensch und Tier schützen und bewahren zu können“, so Markus von Hacht.