Siek. Team der Kirchengemeinde Siek bietet Jugendlichen ein außergewöhnliches Unterrichtsmodell. Es geht um Gemeinschaft und Sinnsuche.

Die Tradition der Konfirmation in den evangelischen Kirchen reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Früher mussten die Jugendlichen den kleinen Katechismus auswendig lernen, bevor sie am Abendmahl teilnehmen durften. Heute wird im Konfirmandenunterricht über Lebens- und Glaubensfragen diskutiert. Die jungen Menschen werden ermutigt, ihren eigenen Weg zu Gott zu finden, und sollen erleben, was es heißt, Teil einer Glaubensgemeinschaft zu sein.

Genau an diesem Punkt setzt Pastor Christian Schack aus Siek an, der die Konfirmanden aus Trittau, Lütjensee und Siek betreut. Schack, der nicht zum ersten Mal durch seine unkonventionelle Herangehensweise und frische Ideen auf sich aufmerksam macht, bietet gemeinsam mit seinem Team in diesem Jahr ein außergewöhnliches Unterrichtsmodell für Konfirmanden an: eine WG in der geräumigen Pastoratswohnung.

Konfirmanden richten sich ihre WG in weißer Villa ein

Es geht darum, Religion im Alltag zu (er)leben. Deshalb ist die Wohngemeinschaft auch nicht während der Ferien, sondern der regulären Schulzeit geplant. Die Pastoratswohnung in der weißen Villa bietet sich an, weil sie aktuell leer steht. Schack wohnte dort mit seiner Familie bis zum Umzug nach Hamburg, wo seine Frau an der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai als Pastorin tätig ist.

Er berichtet, dass die Idee zu dieser ganz speziellen WG schon vor längerer Zeit aufgekommen sei. Sie habe sich erst jetzt in die Tat umsetzen lassen, weil Pastorin Anja Botta, mit der er sich zeitweise die Aufgaben teilte, die Wohnung in dieser Zeit genutzt habe. Botta ist inzwischen ausgezogen und hat die Propstei Niendorf-Norderstedt übernommen. Damit war der Weg frei für das neue Projekt.

Kirche begleitet Übergang zu nächstem Lebensabschnitt

Schack sagt: „Die Kirche ist dort stark, wo wir Übergänge begleiten.“ Weil mit dem Wechsel auf eine weiterführende Schule zugleich ein neuer Lebensabschnitt beginnt, bietet die Kirchengemeinde ein sogenanntes Vorkonfimodell für Viertklässler an. Viele Schüler stehen unter Erwartungsdruck: Der Aufnahme an einer bestimmten Schule wird oft eine zukunftsentscheidende Bedeutung zugemessen. „Wir wollen sie begleiten und ihnen mehr mitgeben als dieses ,Kannste was, biste was‘, das sich einzig an der messbaren Leistung orientiert“, erläutert Schack. Ziel sei, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken und sie behutsam an Kirche heranzuführen.

Auch die bisherige Form des Konfirmationsunterrichts werde weitergeführt. Die Jugendlichen haben also die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Angeboten. „Wir finden, dass wir mit unserem bisherigen ein gutes Modell haben“, so Schack. Der Unterricht findet an acht Wochenenden, jeweils sonnabends von 10 bis 15 Uhr, statt. Ein cleveres Punktesystem sorgt dafür, dass versäumter Stoff an anderer Stelle nachgeholt werden kann und der Betroffene für die Ersatzleistung die erforderlichen Punkte auf seinem Konto gutgeschrieben bekommt. Zwei Wochenendfreizeiten und Exkursionen gehören zum Konzept.

Der Glauben wird in den Alltag der Jugendlichen integriert

In der ersten Etage der weißen Villa auf dem Pastoratsgelände hat die Konfirmanden-WG jede Menge Platz. Der Raum unterm Dach ist für die Besprechungen der Betreuer reserviert.
In der ersten Etage der weißen Villa auf dem Pastoratsgelände hat die Konfirmanden-WG jede Menge Platz. Der Raum unterm Dach ist für die Besprechungen der Betreuer reserviert. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

Wer sich nicht für das Wochenendmodell, sondern die Wohngemeinschaft entscheidet, steht vor größeren Herausforderungen, erlebt aber dafür mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Und eine Gemeinschaft außerhalb der Familie, in der sich alle aufeinander einlassen und aneinander wachsen können. Glaubensfragen werden ebenso in den Alltag integriert wie kleine Rituale.

Es gibt zwar ein Curriculum, doch Schack geht davon aus, dass viele Themen ganz von selbst zur Sprache kommen. „Wenn beispielsweise jemand aus der Schule kommt und von Mobbing berichtet, geht es in diesem Zusammenhang auch um Nächstenliebe und Courage. Wenn ich von einer Beerdigung auf dem Friedhof komme, kann das ein willkommener Anlass sein, um über Trauer und Tod zu sprechen.“ Es soll zwei Wohnphasen geben: eine einwöchige im September und eine 14-tägige im Frühjahr 2025. Einen Teil der Konfitage und Fahrten erleben beide Gruppen gemeinsam. Eine Kirchenmitgliedschaft der Eltern, Taufe oder ein bestimmter Wohnort sind nicht erforderlich für die Teilnahme.

Konfirmanden sollen auch praktische Erfahrungen sammeln

Worum es im Kern geht, bringt ein Satz im dazugehörigen Konzept auf den Punkt: „Mit dem neuen WG-Modell wollen wir den christlichen Glauben in die Lebenswelt der Jugendlichen transportieren und wieder dorthin bringen, wo er seinen Ursprung nahm: im Alltag und Miteinander der Menschen.“

Die Wohngemeinschaft ist für maximal zehn Jugendliche gedacht. „Sonst wird es zu eng in der Wohnung.“ Sie umfasst acht Räume, zwei Bäder, eine Toilette, eine Küche und zwei weitere Räume für das Betreuungsteam. An den offenen Küchenbereich schließt sich ein großes Zimmer an. Es bietet Platz für einen langen Tisch, an dem sich alle zum Essen treffen können. Gekocht wird reihum, auch die Einkäufe erledigen die Schüler selbst. Wie nebenbei sammeln sie praktische Lebenserfahrungen. „Vielleicht machen wir eine kleine Kochschule oder ich biete einen Tag zur Nachhaltigkeit an“, überlegt Schack, der versiert im Umgang mit Nadel und Faden ist. Von ihm können die Jugendlichen lernen, kaputte Kleidung zu flicken statt sie einfach in den Müll zu werfen.

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Die verantwortlichen Betreuer vor Ort, die bei Bedarf auch seelsorgerische Aufgaben übernehmen, sind neben Christian Schack die beiden Erzieher Denise Nissen und Harald Kock. Gemeinsam mit der Stabsstelle Prävention und Intervention des Kirchenkreises Hamburg-Ost wird derzeit ein spezielles Schutzkonzept erarbeitet. Die drei werden von erfahrenen Ehrenamtlichen unterstützt und verbringen abwechselnd auch die Nächte in der WG. Inwieweit sie dabei auch zum Schlafen kommen? Das werde der Praxistest zeigen, sind sich alle einig. Nissen sagt: „Ich finde es aufregend, dieses Experiment mit zu begleiten.“ Kock ergänzt: „Es ist ein fantastisches Vorhaben und zugleich eine Herausforderung, weil es zugleich für die Konfirmanden und die Begleiter Neuland ist.“

Blick in die Pastoratswohnung. Sie ist großzügig geschnitten und bietet mit insgesamt zehn Räumen plus Küche genügend  Platz für zehn Konfirmanden und Betreuer.
Blick in die Pastoratswohnung. Sie ist großzügig geschnitten und bietet mit insgesamt zehn Räumen plus Küche genügend Platz für zehn Konfirmanden und Betreuer. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

„Ich freue mich dermaßen darauf, das wird eine super Erfahrung für alle.“ Der Pastor strahlt vor Vorfreude übers ganze Gesicht. „Wenn ich davon erzähle, merke ich immer wieder, dass die ganze Gemeinde Anteil daran nimmt.“ Kock berichtet, dass ehemalige Konfirmanden sich geärgert hätten, dass es dieses Angebot für sie nicht gegeben habe. Doch es soll nach Worten von Schack bei einer einmaligen Aktion bleiben, weil nicht klar sei, wie es mit dem Gebäude weitergehe. „Wir werden sehen, was daraus erwächst.“ Mit einem Schmunzeln sagt er: „Wir haben so viele Ideen, so schnell kommen wir gar nicht hinterher.“

Mehr Details zu beiden Modellen bietet der Infoabend am Mittwoch, 27. März (18 Uhr), in der Trittauer Martin-Luther-Kirche (Kirchenstraße 17). Bei einem Grillabend für die neuen Konfirmanden am Freitag, 31. Mai (18 Uhr), in der Hood (Kirchenweg 10) in Siek gibt es Gelegenheit, einen Blick in die Räume der WG zu werfen und noch einmal zu überlegen, welches Modell für jeden persönlich das richtige ist.