Hamfelde. Quartett kämpft um Fortbestand der Kult-Manufaktur in Hamfelde. Wie das Dorf zum Wallfahrtsort für Prominente wurde.
Mit dem Verkauf der alten Dampfkornbrennerei auf dem ehemaligen Dreckmannschen Gut in Hamfelde im Februar 2023 schien das Schicksal der „kleinsten Likörfabrik der Welt“, so die Selbstzuschreibung ihrer Besitzer, besiegelt. Weil die alte Fabrik in Appartements umgebaut wurde, musste die Destille nach Bargteheide verlagert werden. Für die Produkte, die so klangvolle Namen wie „Chinesen-Babs“, „König von St. Pauli“ und „KöniGin“ tragen, gab es damit keine Präsenz mehr in dem Dorf, wo 1802 alles begann. Damit wollte sich ein traditionsbewusstes Quartett aber nicht abfinden und führte das Unternehmen seitdem mehr oder weniger im Verborgenen fort. Bis der neue Besitzer der Hamfelder Mühle, Michael Funk, das Angebot unterbreitete, doch die ehemalige Bar der Pirsch-Mühle als Probierstube für Verkostungen zu nutzen.
Schnapsbrennerei hat in Hamfelde lange Tradition
„Wir waren wirklich glücklich, dass wir an den Entstehungsort der Liköre zurückkehren konnten, die unter Liebhabern ausgefallener Spirituosen inzwischen bis in die benachbarte Hansestadt Hamburg hinein Kultstatus haben“, sagt Hendrik Süllau. Der Sohn einer Kaufmannsfamilie, die in Stormarn mehrere Edeka-Märkte betreibt, ist in Hamfelde aufgewachsen. Die Likörfabrik repräsentiere ein wichtiges Stück Dorfgeschichte und eine lokale Marke, die von vielen Bewohnern der Region und weit darüber hinaus geschätzt werde.
Die Schnapsbrennerei hat in Hamfelde eine lange Tradition. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Liköre und Brände noch auf Basis von vor Ort gebrannter Weizen- und Kartoffelschnapsdestillaten hergestellt. Später gesellten sich verschiedene Übersee-Verschnitte und Whiskys aus dem Hamburger Hafen hinzu.
Branntmeister hielt ständig ein Feuer in Gang
„Bis in die 1970er-Jahre hinein hielt ein Branntmeister in der Brennerei beständig ein Feuer in Gang, um die Produktion der Destillate sicherstellen zu können“, erinnert sich Stefan Brönneke, Erbe der Unternehmerfamilie Dreckmann, der nahe der Schnapsfabrik aufgewachsen ist. Heutzutage werde jedoch Sprit aus Weizenfein als Grundlage geordert.
„Wir brennen also nicht mehr selbst, sondern verfeinern den Alkohol lediglich“, erklärt Brönneke. Sein Geld verdient er aber schon lange als Synchronsprecher und Regisseur für TV-Serien, Hörspiele, Kurzfilme und Computerspiele. „Trotzdem hat mich die Likörherstellung nie losgelassen“, bekennt er. Seine Familie habe das gelebt und er diese Leidenschaft praktisch im Blut.
Meike Brönneke - von der Bühne in die Schnapsfabrik
Vor allem seine Mutter Meike Brönneke, die 2021 starb, führte das Geschäft erfolgreich in die Neuzeit. Eigentlich fühlte sie sich ja eher auf der Bühne und vor der Kamera zu Hause. Sie war Tänzerin an der Staatsoper und im Pariser Lido und spielte schon als 15-Jährige im Musicalfilm „Sehnsucht nach St. Pauli“ an der Seite von Freddy Quinn.
Doch als dann Sohn Stefan auf die Welt kam, wurde sie von ihrer Mutter Erika Dreckmann gefragt, ob sie die Likörfabrik, die inzwischen auf eine Größe von 60 Quadratmetern geschrumpft war, nicht in dritter Generation weiterführen wolle. „Sie willigte ein und sorgte in den folgenden Jahren dafür, dass immer wieder Prominente den Weg nach Hamfelde fanden“, erinnert sich Stefan Brönneke.
Fedder und Brix stritten auf Platt über den besten Likör
So schauten unter anderem die namhaften Schauspielerinnen Ilse Werner und Brigitte Mira vorbei, sowie der Sänger Gunter Gabriel. Überliefert ist die Anekdote, dass irgendwann unangemeldet auch das „Büttenwarder“-Duett Jan Fedder und Peter-Heinrich Brix auftauchte und lautstark auf Plattdeutsch darüber stritt, welcher Likör denn wohl der beste sei. Daraufhin erkundigte sich die Chefin aus der Destille, ob sich die Streithähne nun bald mal einigen könnten, damit wieder Ruhe einkehre. Umso größer sei aber ihre Überraschung gewesen, als sie dann den beiden TV-Stars gegenüberstand.
„Bei ihr waren alle willkommen. Mit ihrem Temperament als geborene Entertainerin hat sie buchstäblich jede Verkostung zu einem Erlebnis gemacht“, erzählt Sohn Stefan. Auch an jenem Vormittag, als ein Busfahrer bei ihr angerufen habe. Der hatte eine große Gruppe Landfrauen an Bord, die auf dem Weg zu einem Ökobauernhof waren. Der war aber in der Nacht zuvor abgebrannt und das ursprüngliche Ziel obsolet. Also lud Meike Brönneke die ganze Gesellschaft kurzerhand ein und sorgte für einen feuchtfröhlichen Exkurs über die Entstehung der Hamfelder Liköre samt Kostproben.
Im Oberförster stecken 35 ausgewählte Kräuter
„Sie konnte zu jedem Likör eine spezielle Geschichte erzählen“, sagt Stefan Brönneke. Etwa, dass im „Hamfelder Oberförster“, der 60 Prozent des Umsatzes ausmache, 35 ausgewählte Kräuter steckten, „30 für die Liebe und fünf für die Gesundheit“. Eine streng gehütete Originalrezeptur der Großeltern von Meike Brönneke aus dem 19. Jahrhundert. Fein austariert, müsse die Essenz 24 Stunden ziehen, ehe sie bei stets gleichbleibender Temperatur mit dem Weizenfein zu einem 40-prozentigen Likör vereinigt werde.
Oder dass für den lakritzigen Sambuca-Mix aus Kaffee und Korn namens „Chinesen-Babs“ eine feurige Striptease-Tänzerin aus dem legendären Salambo auf St. Pauli Patin stand. Die hat in dem Saunaclub, den Meike Brönneke zeitweise in Hamfelde betrieb, unter anderem den Gitarren-Göttern Jimi Hendrix und Carlos Santana eingeschenkt, auf dass die Finger noch viel geschmeidiger über die Saiten flögen.
Tim Mälzer erkundigte sich nach Likör für die Bullerei
„Wer auf dem Kiez und in der Schanze was auf sich hält, der hat auch unsere Liköre im Angebot“, sagt Stefan Brönneke selbstbewusst. Sogar Starkoch Tim Mälzer habe sich nach einem speziellen Likör für seine Bullerei erkundigt. Ansonsten gehörten die Hamfelder Spirituosen aber zum Sortiment vieler Supermärkte und Gaststätten in der Region bis nach Ahrensburg und Großhansdorf.
„Wir bekommen seit Jahren auch Anfragen aus Übersee“, sagt Marcel Reimann, der in dem Quartett als Prokurist und Geschäftsführer für die Zahlen zuständig ist. So würden die Flaschen mit den liebevoll gestalteten Etiketten unter anderem in die USA, nach Costa Rica und auf die Bahamas verschickt, wo der Hochprozentige made in Hamfelde sogar im berühmten Governor‘s Harbour ausgeschenkt werde.
Momentan werden elf Sorten regelmäßig produziert
Wobei nicht alle der elf momentan hergestellten Sorten permanent und überall erhältlich sind. „Da wir anderen Berufen nachgehen, kann nicht permanent und am Fließband produziert werden“, erklärt Hendrik Süllau. Jede Charge werde nach wie vor in Handarbeit angesetzt, abgefüllt und verkorkt. Dafür treffe sich das Quartett pro Woche stundenweise. „So kommen in unserer Hobby-Manufaktur übers Jahr etwa 5000 Flaschen zusammen, und dabei soll es vorerst auch bleiben“, sagt Süllau.
Um die lokale Marke dennoch neuen Kunden vorstellen zu können, sei die Probierstube in der Hamfelder Mühle ideal. Jeden Freitag stellt dort Heike Brehm, viele Jahre enge Mitstreiterin an der Seite von Meike Brönneke, von 15 bis 18 Uhr die Sorten der „kleinsten Likörfabrik der Welt“ vor. Und lädt die Gäste nach der Verkostung dazu ein, sich eigenhändig Flaschen mit Hochprozentigem abzufüllen.
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Bald schon soll das Sortiment um alkoholfreie Schnäpse erweitert werden. „Wir haben da bereits einige Ideen für leckere Alternativen mit Tigerminze, Chili und Ingwer entwickelt“, verrät Stefan Brönneke. Zum stilvollen Anstoßen sei irgendeine Limonade auf Dauer schließlich keine Lösung. Wenn die Rezepturen ausgereift seien, könne die neue Produktlinie unter dem markigen Slogan „Knallfrei“ durchaus viele Fans finden, glaubt er.
Zuvor wünscht sich das Likör-Team indes erstmal eine Rückkehr der Produktion nach Hamfelde. „Ein geeignetes Objekt in der Nähe des Kirchturms mit rund 70 Quadratmetern plus Lagerraum wäre ideal“, sagt Marcel Reimann. Entsprechende Angebote könnten gern per Mail an prost@schnapsfabrik.com unterbreitet werden.