Reinbek. Prozess in Reinbek gegen Mann (29) und Frau (36). Sie sollen drei Flüchtlinge ohne Papiere aus Tschechien geholt haben. Wussten sie, was sie taten?
Weil er Ausländer nach Deutschland eingeschleust hat, wurde ein 29 Jahre alter Mann am Dienstag vor dem Amtsgericht Reinbek zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Das Verfahren gegen seine 36 Jahre alte Mitangeklagte wurde eingestellt unter der Auflage, dass sie in sechs Monatsraten jeweils 100 Euro zahlt und das Geld einer gemeinnützigen Organisation gespendet wird.
Zum Tatzeitpunkt am 23. August 2022 waren die Angeklagten, beide aus Reinbek, miteinander liiert. Laut Anklage sollen sie an diesem Tag drei syrische Männer, die in einem Flüchtlingscamp in Tschechien gewohnt haben, mit dem Auto aus der Nähe von Prag abgeholt und nach Deutschland gebracht haben. Bis in ihre Zielregion Hamburg kamen sie aber nicht, da es in Berlin zu einem Autounfall kam. Die Polizei wurde auf die Insassen aufmerksam.
Prozess: Syrer schleust Landsleute ein – „wollte nur helfen“
Dass die Angeklagten für diesen Dienst von den Syrern insgesamt 600 Euro bekommen haben und sich durch die Tat bereichern wollten, wie es in der Anklage hieß, stellte sich vor Gericht als unzutreffend heraus. Viel mehr handelte es sich wohl um ein Missverständnis. Nach der Tat war ein Whatsapp-Foto aufgetaucht. Die Bekannte der 36 Jahre alten Angeklagten hatte Geldscheine fotografiert und dazugeschrieben: Das Geld ist da.
Dabei handelte es sich jedoch, wie die Mutter zweier Kinder im Teenageralter glaubhaft darlegen konnte, um die Barlohnauszahlung eines Jobs bei einem Versandunternehmen. Weder sie noch ihr damaliger Freund haben für das Abholen der Syrer Geld bekommen, das sagten sie beide sowie die als Zeugen geladenen Geflüchteten übereinstimmend vor Gericht aus.
Die Angeklagten wollen nicht gewusst haben, dass die Männer illegal unterwegs sind
Lange diskutiert wurde aber die Frage, ob dem 29 Jahre alten Mann bewusst gewesen sei, dass er illegal Flüchtlinge nach Deutschland einschleust. Der gebürtige Syrer lebt seit neun Jahren in Deutschland, hat hier einen Freund, der ebenfalls gebürtiger Syrer ist, die Familien kennen sich noch aus dem Heimatland.
Dieser Freund soll ihn um Hilfe gebeten haben: Seine Brüder befanden sich in Tschechien, wollten von dort nach Deutschland reisen. Für den Transport haben sie einem Tschechen rund 650 Euro gezahlt, doch der hielt sein Versprechen nicht, setzte die drei Männer aus und verschwand. Ihr Bruder in Deutschland bat den Angeklagten, seine Verwandten abzuholen. Weil er ihm stets zur Seite gestanden und beim Deutschlernen unterstützt habe, tat er ihm den Gefallen.
Angeklagter über die Tat: „Ich wollte nur helfen“
Gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin machte er sich auf den Weg. Beide seien laut eigener Aussage davon ausgegangen, dass die Männer gültige Einreisepapiere haben und hätten auch gefragt, ob dies der Fall sei, was ihnen bestätigt worden sei. Als sie die Männer aufgegabelt haben, habe der Angeklagte zwar Papiere gesehen, sich diese aber nicht genau angeguckt. Sie seien auf Tschechisch gewesen. „Ich habe ihnen vertraut“, sagte er. Und: „Ich wollte nur helfen.“
Nach dem Unfall haben alle Insassen des Autos der Polizei gesagt, die Syrer seien erst in Berlin in den Wagen gestiegen. Laut dem Angeklagten und den Syrern sei diese Absprache kurz nach dem Unfall auf Initiative von einem der drei Geflüchteten getroffen worden. „Sie wollten mich schützen und verhindern, dass ich Schwierigkeiten bekomme“, so der Angeklagte.
War es Vorsatz oder grob fahrlässiges Verhalten?
War es also grobe Fahrlässigkeit oder vorsätzliches Handeln, dass den Angeklagten dazu bewog, die Papiere der Syrer nicht genauer zu überprüfen? Während die Staatsanwaltschaft den Vorsatz als erwiesen sah und 120 Tagessätze à 30 Euro als Geldstrafe forderte, plädierte der Verteidiger auf 90 Tagessätze à 30 Euro und sah eine Fahrlässigkeit gegeben.
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Der Richter teilte die Einschätzung der Staatsanwaltschaft: „Es ist der untere Bereich des Vorsatzes und übertritt die Schwelle der Fahrlässigkeit“, so Richter Schmidtmann. Die Reinbeker hatten die Syrer nachts abgeholt, diese hatten kein Gepäck dabei und waren ausgehungert. „So reist man nicht, wenn man legal unterwegs ist“, so Schmidtmann. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Angeklagten dabei kein mulmiges Gefühl gehabt hätten.
Richter: „Fall hat nichts mit organisierter Schleuserkriminalität zu tun“
Für den Angeklagten spreche aber, dass er aus menschlich nachvollziehbaren Gründen handelte. Er handelte, so die Einschätzung des Richters, aus altruistischen Motiven, wollte einem Freund helfen. Für ihn spreche weiterhin, dass er nicht vorbestraft ist. Der Syrer ist in Deutschland gut integriert, spricht Deutsch, ist berufstätig, hat Frau und Kind. Das Paar erwartet in diesen Tagen zum zweiten Mal Nachwuchs.
Hätte die Strafe 90 Tagessätze überschritten, hätte es einen Eintrag ins Führungszeugnis und ausländerrechtliche Konsequenzen gegeben, im Klartext: schlechte Chancen auf Einbürgerung. Diese Strafe wäre unverhältnismäßig hoch gewesen, so der Richter. Schmidtmann: „Der Fall hat nichts mit organisierter Schleuserkriminalität zu tun. Es war ein Handeln aus Menschlichkeit.“